und mehrmals durch die Stube schritt: "Ja, ja, es hat sich manches in Preußen geändert."
"Und wird noch manches anders werden" setzte der Rath hinzu.
"Gewiß, wenn man uns in Ruhe läßt, wenn man verständig denkt und handelt; wenn man auf die Kläffer nicht hört, wenn, wenn -- was liegt noch vor, lieber Rath?"
Das Vorliegende schien den Wirklichen nicht sehr zu interessiren. Er ging noch immer auf und ab: "Der Freiherr Hardenberg ist ein gentiler Mann, das ist nicht zu leugnen, und ich verdenke ihm auch nicht, daß er lieber in Berlin ist, als in Anspach und Baireuth, aber -- --." Der Wirkliche fand es für gut, den folgenden Gedanken zu verschlucken. Nach einer Weile fand er es wieder für gut, einige Gedanken über die Lippen zu lassen: "Auf diese Sprudelköpfe gebe ich gar nichts. Eine Partei, die nur dampft und lodert, ist nicht gefährlich. Sie kennen, lieber Freund, die Natur des Königs noch nicht, wenn Sie glauben, daß solches Feuer auf ihn Eindruck macht. Im Gegentheil, die Genialitäten sind ihm zuwider. Diese Herren von Sturm und Drang, die uns aus unsrer Haut jagen möchten, weil unsre Aisance ihnen nicht gefällt, kommen mir vor wie die modernen Kraftgenies, diese sogenannten Romantiker, über die der Vernünftige lächelt. Man macht es mit, weil es Modesache ist. Ja, wir langweilten uns; diese jungen Leute bringen etwas Pikantes ins Leben,
und mehrmals durch die Stube ſchritt: „Ja, ja, es hat ſich manches in Preußen geändert.“
„Und wird noch manches anders werden“ ſetzte der Rath hinzu.
„Gewiß, wenn man uns in Ruhe läßt, wenn man verſtändig denkt und handelt; wenn man auf die Kläffer nicht hört, wenn, wenn — was liegt noch vor, lieber Rath?“
Das Vorliegende ſchien den Wirklichen nicht ſehr zu intereſſiren. Er ging noch immer auf und ab: „Der Freiherr Hardenberg iſt ein gentiler Mann, das iſt nicht zu leugnen, und ich verdenke ihm auch nicht, daß er lieber in Berlin iſt, als in Anſpach und Baireuth, aber — —.“ Der Wirkliche fand es für gut, den folgenden Gedanken zu verſchlucken. Nach einer Weile fand er es wieder für gut, einige Gedanken über die Lippen zu laſſen: „Auf dieſe Sprudelköpfe gebe ich gar nichts. Eine Partei, die nur dampft und lodert, iſt nicht gefährlich. Sie kennen, lieber Freund, die Natur des Königs noch nicht, wenn Sie glauben, daß ſolches Feuer auf ihn Eindruck macht. Im Gegentheil, die Genialitäten ſind ihm zuwider. Dieſe Herren von Sturm und Drang, die uns aus unſrer Haut jagen möchten, weil unſre Aiſance ihnen nicht gefällt, kommen mir vor wie die modernen Kraftgenies, dieſe ſogenannten Romantiker, über die der Vernünftige lächelt. Man macht es mit, weil es Modeſache iſt. Ja, wir langweilten uns; dieſe jungen Leute bringen etwas Pikantes ins Leben,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0096"n="82"/>
und mehrmals durch die Stube ſchritt: „Ja, ja, es<lb/>
hat ſich manches in Preußen geändert.“</p><lb/><p>„Und wird noch manches anders werden“ſetzte<lb/>
der Rath hinzu.</p><lb/><p>„Gewiß, wenn man uns in Ruhe läßt, wenn<lb/>
man verſtändig denkt und handelt; wenn man auf<lb/>
die Kläffer nicht hört, wenn, wenn — was liegt noch<lb/>
vor, lieber Rath?“</p><lb/><p>Das Vorliegende ſchien den Wirklichen nicht ſehr<lb/>
zu intereſſiren. Er ging noch immer auf und ab:<lb/>„Der Freiherr Hardenberg iſt ein gentiler Mann,<lb/>
das iſt nicht zu leugnen, und ich verdenke ihm auch<lb/>
nicht, daß er lieber in Berlin iſt, als in Anſpach<lb/>
und Baireuth, aber ——.“ Der Wirkliche fand es<lb/>
für gut, den folgenden Gedanken zu verſchlucken.<lb/>
Nach einer Weile fand er es wieder für gut, einige<lb/>
Gedanken über die Lippen zu laſſen: „Auf dieſe<lb/>
Sprudelköpfe gebe ich gar nichts. Eine Partei, die<lb/>
nur dampft und lodert, iſt nicht gefährlich. Sie<lb/>
kennen, lieber Freund, die Natur des Königs noch<lb/>
nicht, wenn Sie glauben, daß ſolches Feuer auf ihn<lb/>
Eindruck macht. Im Gegentheil, die Genialitäten ſind<lb/>
ihm zuwider. Dieſe Herren von Sturm und Drang,<lb/>
die uns aus unſrer Haut jagen möchten, weil unſre<lb/>
Aiſance ihnen nicht gefällt, kommen mir vor wie die<lb/>
modernen Kraftgenies, dieſe ſogenannten Romantiker,<lb/>
über die der Vernünftige lächelt. Man macht es mit,<lb/>
weil es Modeſache iſt. Ja, wir langweilten uns;<lb/>
dieſe jungen Leute bringen etwas Pikantes ins Leben,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[82/0096]
und mehrmals durch die Stube ſchritt: „Ja, ja, es
hat ſich manches in Preußen geändert.“
„Und wird noch manches anders werden“ ſetzte
der Rath hinzu.
„Gewiß, wenn man uns in Ruhe läßt, wenn
man verſtändig denkt und handelt; wenn man auf
die Kläffer nicht hört, wenn, wenn — was liegt noch
vor, lieber Rath?“
Das Vorliegende ſchien den Wirklichen nicht ſehr
zu intereſſiren. Er ging noch immer auf und ab:
„Der Freiherr Hardenberg iſt ein gentiler Mann,
das iſt nicht zu leugnen, und ich verdenke ihm auch
nicht, daß er lieber in Berlin iſt, als in Anſpach
und Baireuth, aber — —.“ Der Wirkliche fand es
für gut, den folgenden Gedanken zu verſchlucken.
Nach einer Weile fand er es wieder für gut, einige
Gedanken über die Lippen zu laſſen: „Auf dieſe
Sprudelköpfe gebe ich gar nichts. Eine Partei, die
nur dampft und lodert, iſt nicht gefährlich. Sie
kennen, lieber Freund, die Natur des Königs noch
nicht, wenn Sie glauben, daß ſolches Feuer auf ihn
Eindruck macht. Im Gegentheil, die Genialitäten ſind
ihm zuwider. Dieſe Herren von Sturm und Drang,
die uns aus unſrer Haut jagen möchten, weil unſre
Aiſance ihnen nicht gefällt, kommen mir vor wie die
modernen Kraftgenies, dieſe ſogenannten Romantiker,
über die der Vernünftige lächelt. Man macht es mit,
weil es Modeſache iſt. Ja, wir langweilten uns;
dieſe jungen Leute bringen etwas Pikantes ins Leben,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/96>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.