Rittmeister seinen Rückzug angetreten. Eine fast ju¬ nonische Gestalt, aber mit ausdruckslosem Gesicht, stand sie in der Mitte des andern Zimmers -- zu¬ fällig allein.
"Ist denn Niemand da, ihr die Cour zu machen?"
"Hier!" sagte der Kammerherr mit verächtlichem Blicke sich umsehend.
"Wir befinden uns allerdings in einer etwas gemischten Gesellschaft. N'en parlons pas! Wer ist denn sonst ihr Amoroso?"
"Wissen Sie denn nicht, Bovillard, sagte der Kammerherr verwundert, sie ist ohne Passionen."
"Tant mieux! so müßte man sie ihr einjagen. Ich bitte Sie, Kammerherr, sehen Sie diese Formen an! Vielleicht ein Tugenddrache! Liebt sie ihren Mann?"
"Sie sind sechs oder acht Jahre verheirathet."
"Der Baron spielt, sie stellt sich neben ihn!"
"Um eine Position zu haben."
"Wie sie den Arm aufhebt! Sehen Sie -- sehen Sie, ganz die Attitude der Lichtenau! Die Lichtenau war auch nicht immer, was sie ist --"
"Sie wollten sagen, was sie war."
"Wäre die Lichtenau nicht in Paris erzogen worden -- Sehen Sie jetzt wieder -- täuschend! Aus der Baronin kann etwas werden."
"Nur keine Lichtenau, seufzte der Kammerherr. Diese Zeiten sind vorüber."
"Les temps changent, mais pas les hommes. Mon cher baron, die Welt ist rund, et tout ca re¬
Rittmeiſter ſeinen Rückzug angetreten. Eine faſt ju¬ noniſche Geſtalt, aber mit ausdrucksloſem Geſicht, ſtand ſie in der Mitte des andern Zimmers — zu¬ fällig allein.
„Iſt denn Niemand da, ihr die Cour zu machen?“
„Hier!“ ſagte der Kammerherr mit verächtlichem Blicke ſich umſehend.
„Wir befinden uns allerdings in einer etwas gemiſchten Geſellſchaft. N'en parlons pas! Wer iſt denn ſonſt ihr Amoroſo?“
„Wiſſen Sie denn nicht, Bovillard, ſagte der Kammerherr verwundert, ſie iſt ohne Paſſionen.“
„Tant mieux! ſo müßte man ſie ihr einjagen. Ich bitte Sie, Kammerherr, ſehen Sie dieſe Formen an! Vielleicht ein Tugenddrache! Liebt ſie ihren Mann?“
„Sie ſind ſechs oder acht Jahre verheirathet.“
„Der Baron ſpielt, ſie ſtellt ſich neben ihn!“
„Um eine Poſition zu haben.“
„Wie ſie den Arm aufhebt! Sehen Sie — ſehen Sie, ganz die Attitude der Lichtenau! Die Lichtenau war auch nicht immer, was ſie iſt —“
„Sie wollten ſagen, was ſie war.“
„Wäre die Lichtenau nicht in Paris erzogen worden — Sehen Sie jetzt wieder — täuſchend! Aus der Baronin kann etwas werden.“
„Nur keine Lichtenau, ſeufzte der Kammerherr. Dieſe Zeiten ſind vorüber.“
„Les temps changent, mais pas les hommes. Mon cher baron, die Welt iſt rund, et tout ça re¬
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Rittmeiſter ſeinen Rückzug angetreten. Eine faſt ju¬
noniſche Geſtalt, aber mit ausdrucksloſem Geſicht,
ſtand ſie in der Mitte des andern Zimmers — zu¬
fällig allein.
„Iſt denn Niemand da, ihr die Cour zu machen?“
„Hier!“ ſagte der Kammerherr mit verächtlichem
Blicke ſich umſehend.
„Wir befinden uns allerdings in einer etwas
gemiſchten Geſellſchaft. N'en parlons pas! Wer iſt
denn ſonſt ihr Amoroſo?“
„Wiſſen Sie denn nicht, Bovillard, ſagte der
Kammerherr verwundert, ſie iſt ohne Paſſionen.“
„Tant mieux! ſo müßte man ſie ihr einjagen. Ich
bitte Sie, Kammerherr, ſehen Sie dieſe Formen an!
Vielleicht ein Tugenddrache! Liebt ſie ihren Mann?“
„Sie ſind ſechs oder acht Jahre verheirathet.“
„Der Baron ſpielt, ſie ſtellt ſich neben ihn!“
„Um eine Poſition zu haben.“
„Wie ſie den Arm aufhebt! Sehen Sie — ſehen
Sie, ganz die Attitude der Lichtenau! Die Lichtenau
war auch nicht immer, was ſie iſt —“
„Sie wollten ſagen, was ſie war.“
„Wäre die Lichtenau nicht in Paris erzogen
worden — Sehen Sie jetzt wieder — täuſchend!
Aus der Baronin kann etwas werden.“
„Nur keine Lichtenau, ſeufzte der Kammerherr.
Dieſe Zeiten ſind vorüber.“
„Les temps changent, mais pas les hommes.
Mon cher baron, die Welt iſt rund, et tout ça re¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/76>, abgerufen am 16.02.2025.
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