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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Seltsam, derselbe vornehme Mann ging gleich
darauf mit einem angesehenen Kaufmann aus der
Brüderstraße Arm in Arm durch die Zimmer, und
wenn wir recht gehört, vertraute er demselben, was
er dem Geheimrath nicht für gut gefunden mitzutheilen:

"Sie kennen meine Amtspflicht, aber einem
Freunde, wie Ihnen, kann ich die Versicherung geben,
unsere Sachen stehen gut. Phantasten, unpraktische
Köpfe, Schwärmer, die an Krieg denken! Idealisten,
liebster Splittgerber! Vor denen müssen wir uns vor
allem hüten. Es taucht jetzt hier solche Classe von jun¬
gen Strudelköpfen auf, die von Deutschland, deutschem
Wesen, deutscher Sprache, Art, sprechen. Man kann
darüber lachen, aber man muß Achtung geben. Die
Ideen können viel Unheil in der Welt anrichten. Er¬
innern Sie sich an Frankreich! Da ist hier der junge
Professor Fichte! O es sind ihrer mehre. Ein sublimer
Kopf -- aber sie sehen den Wald vor den Bäumen
nicht. Auf das Praktische, auf das, was uns noth
thut, den Sinn gerichtet! Das Hemde ist uns näher
als der Rock. Der Kaufmann ist eigentlich der wahre
Philosoph für die Welt. Er weiß, was uns noth thut.
Sie geben mir Recht, lieber Splittgerber. Wenn
wir ein Trauerjahr vor uns haben, werden Sie nicht
Cochenille verschreiben. Das heilige Römische Reich,
als es existirte, brauchte freilich vielerlei Nürnberger
Waare, unter andern auch einen Kaiser. Brauchen
wir das? Wir sind das Reich du grand Frederic!
Sie werden mir darin Recht geben. Eine Weltkata¬

Seltſam, derſelbe vornehme Mann ging gleich
darauf mit einem angeſehenen Kaufmann aus der
Brüderſtraße Arm in Arm durch die Zimmer, und
wenn wir recht gehört, vertraute er demſelben, was
er dem Geheimrath nicht für gut gefunden mitzutheilen:

„Sie kennen meine Amtspflicht, aber einem
Freunde, wie Ihnen, kann ich die Verſicherung geben,
unſere Sachen ſtehen gut. Phantaſten, unpraktiſche
Köpfe, Schwärmer, die an Krieg denken! Idealiſten,
liebſter Splittgerber! Vor denen müſſen wir uns vor
allem hüten. Es taucht jetzt hier ſolche Claſſe von jun¬
gen Strudelköpfen auf, die von Deutſchland, deutſchem
Weſen, deutſcher Sprache, Art, ſprechen. Man kann
darüber lachen, aber man muß Achtung geben. Die
Ideen können viel Unheil in der Welt anrichten. Er¬
innern Sie ſich an Frankreich! Da iſt hier der junge
Profeſſor Fichte! O es ſind ihrer mehre. Ein ſublimer
Kopf — aber ſie ſehen den Wald vor den Bäumen
nicht. Auf das Praktiſche, auf das, was uns noth
thut, den Sinn gerichtet! Das Hemde iſt uns näher
als der Rock. Der Kaufmann iſt eigentlich der wahre
Philoſoph für die Welt. Er weiß, was uns noth thut.
Sie geben mir Recht, lieber Splittgerber. Wenn
wir ein Trauerjahr vor uns haben, werden Sie nicht
Cochenille verſchreiben. Das heilige Römiſche Reich,
als es exiſtirte, brauchte freilich vielerlei Nürnberger
Waare, unter andern auch einen Kaiſer. Brauchen
wir das? Wir ſind das Reich du grand Frédéric!
Sie werden mir darin Recht geben. Eine Weltkata¬

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[58/0072] Seltſam, derſelbe vornehme Mann ging gleich darauf mit einem angeſehenen Kaufmann aus der Brüderſtraße Arm in Arm durch die Zimmer, und wenn wir recht gehört, vertraute er demſelben, was er dem Geheimrath nicht für gut gefunden mitzutheilen: „Sie kennen meine Amtspflicht, aber einem Freunde, wie Ihnen, kann ich die Verſicherung geben, unſere Sachen ſtehen gut. Phantaſten, unpraktiſche Köpfe, Schwärmer, die an Krieg denken! Idealiſten, liebſter Splittgerber! Vor denen müſſen wir uns vor allem hüten. Es taucht jetzt hier ſolche Claſſe von jun¬ gen Strudelköpfen auf, die von Deutſchland, deutſchem Weſen, deutſcher Sprache, Art, ſprechen. Man kann darüber lachen, aber man muß Achtung geben. Die Ideen können viel Unheil in der Welt anrichten. Er¬ innern Sie ſich an Frankreich! Da iſt hier der junge Profeſſor Fichte! O es ſind ihrer mehre. Ein ſublimer Kopf — aber ſie ſehen den Wald vor den Bäumen nicht. Auf das Praktiſche, auf das, was uns noth thut, den Sinn gerichtet! Das Hemde iſt uns näher als der Rock. Der Kaufmann iſt eigentlich der wahre Philoſoph für die Welt. Er weiß, was uns noth thut. Sie geben mir Recht, lieber Splittgerber. Wenn wir ein Trauerjahr vor uns haben, werden Sie nicht Cochenille verſchreiben. Das heilige Römiſche Reich, als es exiſtirte, brauchte freilich vielerlei Nürnberger Waare, unter andern auch einen Kaiſer. Brauchen wir das? Wir ſind das Reich du grand Frédéric! Sie werden mir darin Recht geben. Eine Weltkata¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/72>, abgerufen am 01.05.2024.