Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Aber wo kamen Sie mit ihm zusammen?"
sagte der Corporal, dessen Augen entweder für die
feine Kleidung des Kammerherrn aufgingen, oder
für die Bewegung seiner Hand in die Tasche.

"Bei einem Krankenbesuch, stotterte St. Real --
eine unglückliche arme Kranke -- im Auftrag einer
hohen Mildthätigkeit, die ihre Gaben nicht bekannt
wissen will. -- Dort hält meine Equipage."

Das war hervorgestoßen, während der Sprecher
noch mit ängstlichen Blicken nach dem Banditen hin¬
aufschielte, ob er nicht widersprechen werde. Der
Bandit bewegte sich nicht, er schenkte ihm Gnade.
Der Corporal, der sich zwischen ihn und Bovillard
gestellt, um die Collusionen zu verhindern, hörte den
harten Thaler, der zufällig aus des Kammerherrn
Tasche glitt, auf das Pflaster fallen. "Marsch! com¬
mandirte der Gefreite. Auf die Wache! Dies ist ein
anständiger Herr vom Hofe."

Stolz wie ein König schritt Abälino nach der
Wache. Der Kammerherr sank fast ohnmächtig
in seine Wagenkissen zurück und stöhnte: "Das
kommt davon, wenn man mit der Canaille sich
abgiebt!"

Der Vorfall der Nacht hatte in Berlin, wie
man richtig vermuthet, Aufsehen und Entrüstung
erregt. Um so beruhigender für alle gute Bür¬
ger wirkte ein Artikel, der einige Tage darauf in
den Zeitungen erschien. Bovillard und St. Real
hatten auch richtig gerechnet, daß, wer nur guten

„Aber wo kamen Sie mit ihm zuſammen?“
ſagte der Corporal, deſſen Augen entweder für die
feine Kleidung des Kammerherrn aufgingen, oder
für die Bewegung ſeiner Hand in die Taſche.

„Bei einem Krankenbeſuch, ſtotterte St. Real —
eine unglückliche arme Kranke — im Auftrag einer
hohen Mildthätigkeit, die ihre Gaben nicht bekannt
wiſſen will. — Dort hält meine Equipage.“

Das war hervorgeſtoßen, während der Sprecher
noch mit ängſtlichen Blicken nach dem Banditen hin¬
aufſchielte, ob er nicht widerſprechen werde. Der
Bandit bewegte ſich nicht, er ſchenkte ihm Gnade.
Der Corporal, der ſich zwiſchen ihn und Bovillard
geſtellt, um die Colluſionen zu verhindern, hörte den
harten Thaler, der zufällig aus des Kammerherrn
Taſche glitt, auf das Pflaſter fallen. „Marſch! com¬
mandirte der Gefreite. Auf die Wache! Dies iſt ein
anſtändiger Herr vom Hofe.“

Stolz wie ein König ſchritt Abälino nach der
Wache. Der Kammerherr ſank faſt ohnmächtig
in ſeine Wagenkiſſen zurück und ſtöhnte: „Das
kommt davon, wenn man mit der Canaille ſich
abgiebt!“

Der Vorfall der Nacht hatte in Berlin, wie
man richtig vermuthet, Aufſehen und Entrüſtung
erregt. Um ſo beruhigender für alle gute Bür¬
ger wirkte ein Artikel, der einige Tage darauf in
den Zeitungen erſchien. Bovillard und St. Real
hatten auch richtig gerechnet, daß, wer nur guten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0358" n="344"/>
        <p>&#x201E;Aber wo kamen Sie mit ihm zu&#x017F;ammen?&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte der Corporal, de&#x017F;&#x017F;en Augen entweder für die<lb/>
feine Kleidung des Kammerherrn aufgingen, oder<lb/>
für die Bewegung &#x017F;einer Hand in die Ta&#x017F;che.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bei einem Krankenbe&#x017F;uch, &#x017F;totterte St. Real &#x2014;<lb/>
eine unglückliche arme Kranke &#x2014; im Auftrag einer<lb/>
hohen Mildthätigkeit, die ihre Gaben nicht bekannt<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en will. &#x2014; Dort hält meine Equipage.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das war hervorge&#x017F;toßen, während der Sprecher<lb/>
noch mit äng&#x017F;tlichen Blicken nach dem Banditen hin¬<lb/>
auf&#x017F;chielte, ob er nicht wider&#x017F;prechen werde. Der<lb/>
Bandit bewegte &#x017F;ich nicht, er &#x017F;chenkte ihm Gnade.<lb/>
Der Corporal, der &#x017F;ich zwi&#x017F;chen ihn und Bovillard<lb/>
ge&#x017F;tellt, um die Collu&#x017F;ionen zu verhindern, hörte den<lb/>
harten Thaler, der zufällig aus des Kammerherrn<lb/>
Ta&#x017F;che glitt, auf das Pfla&#x017F;ter fallen. &#x201E;Mar&#x017F;ch! com¬<lb/>
mandirte der Gefreite. Auf die Wache! Dies i&#x017F;t ein<lb/>
an&#x017F;tändiger Herr vom Hofe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Stolz wie ein König &#x017F;chritt Abälino nach der<lb/>
Wache. Der Kammerherr &#x017F;ank fa&#x017F;t ohnmächtig<lb/>
in &#x017F;eine Wagenki&#x017F;&#x017F;en zurück und &#x017F;töhnte: &#x201E;Das<lb/>
kommt davon, wenn man mit der Canaille &#x017F;ich<lb/>
abgiebt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Vorfall der Nacht hatte in Berlin, wie<lb/>
man richtig vermuthet, Auf&#x017F;ehen und Entrü&#x017F;tung<lb/>
erregt. Um &#x017F;o beruhigender für alle gute Bür¬<lb/>
ger wirkte ein Artikel, der einige Tage darauf in<lb/>
den Zeitungen er&#x017F;chien. Bovillard und St. Real<lb/>
hatten auch richtig gerechnet, daß, wer nur guten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0358] „Aber wo kamen Sie mit ihm zuſammen?“ ſagte der Corporal, deſſen Augen entweder für die feine Kleidung des Kammerherrn aufgingen, oder für die Bewegung ſeiner Hand in die Taſche. „Bei einem Krankenbeſuch, ſtotterte St. Real — eine unglückliche arme Kranke — im Auftrag einer hohen Mildthätigkeit, die ihre Gaben nicht bekannt wiſſen will. — Dort hält meine Equipage.“ Das war hervorgeſtoßen, während der Sprecher noch mit ängſtlichen Blicken nach dem Banditen hin¬ aufſchielte, ob er nicht widerſprechen werde. Der Bandit bewegte ſich nicht, er ſchenkte ihm Gnade. Der Corporal, der ſich zwiſchen ihn und Bovillard geſtellt, um die Colluſionen zu verhindern, hörte den harten Thaler, der zufällig aus des Kammerherrn Taſche glitt, auf das Pflaſter fallen. „Marſch! com¬ mandirte der Gefreite. Auf die Wache! Dies iſt ein anſtändiger Herr vom Hofe.“ Stolz wie ein König ſchritt Abälino nach der Wache. Der Kammerherr ſank faſt ohnmächtig in ſeine Wagenkiſſen zurück und ſtöhnte: „Das kommt davon, wenn man mit der Canaille ſich abgiebt!“ Der Vorfall der Nacht hatte in Berlin, wie man richtig vermuthet, Aufſehen und Entrüſtung erregt. Um ſo beruhigender für alle gute Bür¬ ger wirkte ein Artikel, der einige Tage darauf in den Zeitungen erſchien. Bovillard und St. Real hatten auch richtig gerechnet, daß, wer nur guten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/358
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/358>, abgerufen am 05.05.2024.