Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Man einigte sich, daß Bovillard mit dem Kam¬
merherrn fahren sollte. Die Freunde würden sich
schon warm machen. "Was geht über eine ächte
Freundschaft!" sagte Bovillard, hatte aber schon mit
seinen scharf umherspähenden Augen das weggewor¬
fene Umschlagetuch entdeckt, das er jetzt ergriff, um
sich damit, wie er sagte, gegen die Kälte zu schützen,
bis sie im Wagen säßen.

Ein Wagen rollte endlich über das schlechte
Straßenpflaster, die Thüre krachte und Bovillard
war hinaus. Als St. Real, auf den Knien heran¬
rutschend, den Kopf durch die Oeffnung stecken wollte,
drückte jener das halbe Brett wieder hinein: "Halt,
so ist nicht gewettet. Was geben Sie Zoll!"

"Bovillard, nur jetzt keine Possen."

"Es ist mein feierlicher Ernst. Ein Narr, wer
eine vortheilhafte Situation nicht nutzt."

"Sie haben geschworen, mich nicht zu verrathen."

"Richtig! Und Ihren Kutscher zu avertiren.
Weiter nichts. Ich klemme die Füllung wieder ein
-- sehn Sie so -- Sie können nicht aufstoßen, denn
ich stemme hier das Eisen dagegen. Nun bedenken
Sie, wenn morgen die Polizei öffnen läßt!"

"Bovillard, Sie sollen meinen Rock haben."

"Pfui, es ist nicht Eigennutz."

"Meine Freundschaft! Sie werden bei Ihrem
Lebenswandel noch oft der Fürsprache bedürfen, Sie
sollen in jedem Fall auf mich rechnen können."

"Ich will nichts für mich, sage ich Ihnen ein

Man einigte ſich, daß Bovillard mit dem Kam¬
merherrn fahren ſollte. Die Freunde würden ſich
ſchon warm machen. „Was geht über eine ächte
Freundſchaft!“ ſagte Bovillard, hatte aber ſchon mit
ſeinen ſcharf umherſpähenden Augen das weggewor¬
fene Umſchlagetuch entdeckt, das er jetzt ergriff, um
ſich damit, wie er ſagte, gegen die Kälte zu ſchützen,
bis ſie im Wagen ſäßen.

Ein Wagen rollte endlich über das ſchlechte
Straßenpflaſter, die Thüre krachte und Bovillard
war hinaus. Als St. Real, auf den Knien heran¬
rutſchend, den Kopf durch die Oeffnung ſtecken wollte,
drückte jener das halbe Brett wieder hinein: „Halt,
ſo iſt nicht gewettet. Was geben Sie Zoll!“

„Bovillard, nur jetzt keine Poſſen.“

„Es iſt mein feierlicher Ernſt. Ein Narr, wer
eine vortheilhafte Situation nicht nutzt.“

„Sie haben geſchworen, mich nicht zu verrathen.“

„Richtig! Und Ihren Kutſcher zu avertiren.
Weiter nichts. Ich klemme die Füllung wieder ein
— ſehn Sie ſo — Sie können nicht aufſtoßen, denn
ich ſtemme hier das Eiſen dagegen. Nun bedenken
Sie, wenn morgen die Polizei öffnen läßt!“

„Bovillard, Sie ſollen meinen Rock haben.“

„Pfui, es iſt nicht Eigennutz.“

„Meine Freundſchaft! Sie werden bei Ihrem
Lebenswandel noch oft der Fürſprache bedürfen, Sie
ſollen in jedem Fall auf mich rechnen können.“

„Ich will nichts für mich, ſage ich Ihnen ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0354" n="340"/>
        <p>Man einigte &#x017F;ich, daß Bovillard mit dem Kam¬<lb/>
merherrn fahren &#x017F;ollte. Die Freunde würden &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chon warm machen. &#x201E;Was geht über eine ächte<lb/>
Freund&#x017F;chaft!&#x201C; &#x017F;agte Bovillard, hatte aber &#x017F;chon mit<lb/>
&#x017F;einen &#x017F;charf umher&#x017F;pähenden Augen das weggewor¬<lb/>
fene Um&#x017F;chlagetuch entdeckt, das er jetzt ergriff, um<lb/>
&#x017F;ich damit, wie er &#x017F;agte, gegen die Kälte zu &#x017F;chützen,<lb/>
bis &#x017F;ie im Wagen &#x017F;äßen.</p><lb/>
        <p>Ein Wagen rollte endlich über das &#x017F;chlechte<lb/>
Straßenpfla&#x017F;ter, die Thüre krachte und Bovillard<lb/>
war hinaus. Als St. Real, auf den Knien heran¬<lb/>
rut&#x017F;chend, den Kopf durch die Oeffnung &#x017F;tecken wollte,<lb/>
drückte jener das halbe Brett wieder hinein: &#x201E;Halt,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t nicht gewettet. Was geben Sie Zoll!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bovillard, nur jetzt keine Po&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t mein feierlicher Ern&#x017F;t. Ein Narr, wer<lb/>
eine vortheilhafte Situation nicht nutzt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie haben ge&#x017F;chworen, mich nicht zu verrathen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Richtig! Und Ihren Kut&#x017F;cher zu avertiren.<lb/>
Weiter nichts. Ich klemme die Füllung wieder ein<lb/>
&#x2014; &#x017F;ehn Sie &#x017F;o &#x2014; Sie können nicht auf&#x017F;toßen, denn<lb/>
ich &#x017F;temme hier das Ei&#x017F;en dagegen. Nun bedenken<lb/>
Sie, wenn morgen die Polizei öffnen läßt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bovillard, Sie &#x017F;ollen meinen Rock haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Pfui, es i&#x017F;t nicht Eigennutz.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meine Freund&#x017F;chaft! Sie werden bei Ihrem<lb/>
Lebenswandel noch oft der Für&#x017F;prache bedürfen, Sie<lb/>
&#x017F;ollen in jedem Fall auf mich rechnen können.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich will nichts für mich, &#x017F;age ich Ihnen ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0354] Man einigte ſich, daß Bovillard mit dem Kam¬ merherrn fahren ſollte. Die Freunde würden ſich ſchon warm machen. „Was geht über eine ächte Freundſchaft!“ ſagte Bovillard, hatte aber ſchon mit ſeinen ſcharf umherſpähenden Augen das weggewor¬ fene Umſchlagetuch entdeckt, das er jetzt ergriff, um ſich damit, wie er ſagte, gegen die Kälte zu ſchützen, bis ſie im Wagen ſäßen. Ein Wagen rollte endlich über das ſchlechte Straßenpflaſter, die Thüre krachte und Bovillard war hinaus. Als St. Real, auf den Knien heran¬ rutſchend, den Kopf durch die Oeffnung ſtecken wollte, drückte jener das halbe Brett wieder hinein: „Halt, ſo iſt nicht gewettet. Was geben Sie Zoll!“ „Bovillard, nur jetzt keine Poſſen.“ „Es iſt mein feierlicher Ernſt. Ein Narr, wer eine vortheilhafte Situation nicht nutzt.“ „Sie haben geſchworen, mich nicht zu verrathen.“ „Richtig! Und Ihren Kutſcher zu avertiren. Weiter nichts. Ich klemme die Füllung wieder ein — ſehn Sie ſo — Sie können nicht aufſtoßen, denn ich ſtemme hier das Eiſen dagegen. Nun bedenken Sie, wenn morgen die Polizei öffnen läßt!“ „Bovillard, Sie ſollen meinen Rock haben.“ „Pfui, es iſt nicht Eigennutz.“ „Meine Freundſchaft! Sie werden bei Ihrem Lebenswandel noch oft der Fürſprache bedürfen, Sie ſollen in jedem Fall auf mich rechnen können.“ „Ich will nichts für mich, ſage ich Ihnen ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/354
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/354>, abgerufen am 24.11.2024.