Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Schutzes vor Neckereien und Brutalitäten, die Be¬
gleitung eines Mannes, wer es auch sei, würde sie
nur anlocken."

"Bleiben Sie mir vom Leibe! Soll ich noch
von der Brut mir anhängen, wo ich kaum weiß,
wie ich mit meinen unschuldigen Töchtern ohne
Insulten davon komme."

Dem Geistlichen diente die eigene peinliche Lage
gewiß zur Entschuldigung, wenn er jetzt so hart er¬
schien, als er früher leichtgläubig gewesen. Auch die
Reden unter den Zuschauern konnten ihn rechtfertigen,
denn man zischelte sich zu oder sagte es vielmehr ganz
laut: "Die Hübscheste wird losgebissen von dem vor¬
nehmen Herrn." "Das weiß man schon, an wem
nichts mehr zu verlieren ist, den läßt man dem Galgen."

Der Polizeicommissar, der mit dem Bleistift
einige Notizen gemacht, wies auf Louis: "Wollen
Herr Legationsrath auch etwa für diesen jungen Herrn
bürgen?"

"Mich dünkt, sein Zustand bürgt für ihn, sagte
Wandel. Wenn er ernüchtert ist, wird er selbst am
besten Rechenschaft geben, welche Motive ihn in dies
Haus geführt. Ich, meinerseits habe durchaus keine
Ansprüche an den Sohn des Herrn --," er flüsterte
wieder den Namen in das Ohr des Beamten --
"sollte der Herr an mich Forderungen haben, so ist
ihm meine Adresse bekannt," setzte er scharf betonend
und mit einem eben so scharfen als kurzen Blick auf
den Betreffenden hinzu.

Schutzes vor Neckereien und Brutalitäten, die Be¬
gleitung eines Mannes, wer es auch ſei, würde ſie
nur anlocken.“

„Bleiben Sie mir vom Leibe! Soll ich noch
von der Brut mir anhängen, wo ich kaum weiß,
wie ich mit meinen unſchuldigen Töchtern ohne
Inſulten davon komme.“

Dem Geiſtlichen diente die eigene peinliche Lage
gewiß zur Entſchuldigung, wenn er jetzt ſo hart er¬
ſchien, als er früher leichtgläubig geweſen. Auch die
Reden unter den Zuſchauern konnten ihn rechtfertigen,
denn man ziſchelte ſich zu oder ſagte es vielmehr ganz
laut: „Die Hübſcheſte wird losgebiſſen von dem vor¬
nehmen Herrn.“ „Das weiß man ſchon, an wem
nichts mehr zu verlieren iſt, den läßt man dem Galgen.“

Der Polizeicommiſſar, der mit dem Bleiſtift
einige Notizen gemacht, wies auf Louis: „Wollen
Herr Legationsrath auch etwa für dieſen jungen Herrn
bürgen?“

„Mich dünkt, ſein Zuſtand bürgt für ihn, ſagte
Wandel. Wenn er ernüchtert iſt, wird er ſelbſt am
beſten Rechenſchaft geben, welche Motive ihn in dies
Haus geführt. Ich, meinerſeits habe durchaus keine
Anſprüche an den Sohn des Herrn —,“ er flüſterte
wieder den Namen in das Ohr des Beamten —
„ſollte der Herr an mich Forderungen haben, ſo iſt
ihm meine Adreſſe bekannt,“ ſetzte er ſcharf betonend
und mit einem eben ſo ſcharfen als kurzen Blick auf
den Betreffenden hinzu.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0322" n="308"/>
Schutzes vor Neckereien und Brutalitäten, die Be¬<lb/>
gleitung eines Mannes, wer es auch &#x017F;ei, würde &#x017F;ie<lb/>
nur anlocken.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bleiben Sie mir vom Leibe! Soll ich noch<lb/>
von der Brut mir anhängen, wo ich kaum weiß,<lb/>
wie ich mit meinen un&#x017F;chuldigen Töchtern ohne<lb/>
In&#x017F;ulten davon komme.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dem Gei&#x017F;tlichen diente die eigene peinliche Lage<lb/>
gewiß zur Ent&#x017F;chuldigung, wenn er jetzt &#x017F;o hart er¬<lb/>
&#x017F;chien, als er früher leichtgläubig gewe&#x017F;en. Auch die<lb/>
Reden unter den Zu&#x017F;chauern konnten ihn rechtfertigen,<lb/>
denn man zi&#x017F;chelte &#x017F;ich zu oder &#x017F;agte es vielmehr ganz<lb/>
laut: &#x201E;Die Hüb&#x017F;che&#x017F;te wird losgebi&#x017F;&#x017F;en von dem vor¬<lb/>
nehmen Herrn.&#x201C; &#x201E;Das weiß man &#x017F;chon, an wem<lb/>
nichts mehr zu verlieren i&#x017F;t, den läßt man dem Galgen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Polizeicommi&#x017F;&#x017F;ar, der mit dem Blei&#x017F;tift<lb/>
einige Notizen gemacht, wies auf Louis: &#x201E;Wollen<lb/>
Herr Legationsrath auch etwa für die&#x017F;en jungen Herrn<lb/>
bürgen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mich dünkt, &#x017F;ein Zu&#x017F;tand bürgt für ihn, &#x017F;agte<lb/>
Wandel. Wenn er ernüchtert i&#x017F;t, wird er &#x017F;elb&#x017F;t am<lb/>
be&#x017F;ten Rechen&#x017F;chaft geben, welche Motive ihn in dies<lb/>
Haus geführt. Ich, meiner&#x017F;eits habe durchaus keine<lb/>
An&#x017F;prüche an den Sohn des Herrn &#x2014;,&#x201C; er flü&#x017F;terte<lb/>
wieder den Namen in das Ohr des Beamten &#x2014;<lb/>
&#x201E;&#x017F;ollte der Herr an mich Forderungen haben, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
ihm meine Adre&#x017F;&#x017F;e bekannt,&#x201C; &#x017F;etzte er &#x017F;charf betonend<lb/>
und mit einem eben &#x017F;o &#x017F;charfen als kurzen Blick auf<lb/>
den Betreffenden hinzu.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0322] Schutzes vor Neckereien und Brutalitäten, die Be¬ gleitung eines Mannes, wer es auch ſei, würde ſie nur anlocken.“ „Bleiben Sie mir vom Leibe! Soll ich noch von der Brut mir anhängen, wo ich kaum weiß, wie ich mit meinen unſchuldigen Töchtern ohne Inſulten davon komme.“ Dem Geiſtlichen diente die eigene peinliche Lage gewiß zur Entſchuldigung, wenn er jetzt ſo hart er¬ ſchien, als er früher leichtgläubig geweſen. Auch die Reden unter den Zuſchauern konnten ihn rechtfertigen, denn man ziſchelte ſich zu oder ſagte es vielmehr ganz laut: „Die Hübſcheſte wird losgebiſſen von dem vor¬ nehmen Herrn.“ „Das weiß man ſchon, an wem nichts mehr zu verlieren iſt, den läßt man dem Galgen.“ Der Polizeicommiſſar, der mit dem Bleiſtift einige Notizen gemacht, wies auf Louis: „Wollen Herr Legationsrath auch etwa für dieſen jungen Herrn bürgen?“ „Mich dünkt, ſein Zuſtand bürgt für ihn, ſagte Wandel. Wenn er ernüchtert iſt, wird er ſelbſt am beſten Rechenſchaft geben, welche Motive ihn in dies Haus geführt. Ich, meinerſeits habe durchaus keine Anſprüche an den Sohn des Herrn —,“ er flüſterte wieder den Namen in das Ohr des Beamten — „ſollte der Herr an mich Forderungen haben, ſo iſt ihm meine Adreſſe bekannt,“ ſetzte er ſcharf betonend und mit einem eben ſo ſcharfen als kurzen Blick auf den Betreffenden hinzu.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/322
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/322>, abgerufen am 28.11.2024.