Außer dem Hause geht das Niemand was an, hatte ihr ein sehr angesehener und tugendhafter Herr ge¬ sagt. Daß er die Charlotte auf den Markt mitnähme, wolle sie nicht gerade gut heißen, aber der Mensch, der's jedermann recht thäte, müßte erst erfunden werden."
Die gute Tante hatte, je mehr sie ins Reden kam, desto mehr auszusetzen. Ja, die Predigers¬ töchter oben wären neugierig, wie ein neugeboren Kalb, und wenn nur ein Wagen vorbeifährt, rutschten die Köpfe zum Fenster raus. Das habe sie sich nun ein¬ mal aufgebunden, weil sie ein so gutmüthig Herz habe. Aber ihre Nichten sollten doch bedenken, daß sie nicht aus dem Kuhstall wären, und auf sich was halten. "Wie ich so alt war, als Ihr, da hielt man mich für 'ne Gräfin, und ich hätte mal den Kopf umdrehen sollen auf der Straße, wie Ihr thut, Und an guten Exempeln fehlt's Euch doch nicht; in mein Haus kommen nur die feinsten Leute. Und wie sprecht Ihr mit dem Herrn Kammerherrn, der so gütig ist; ich werde manchmal purpurroth, wenn ich denke, daß er's am Hofe wieder erzählt. Merkt Ihr, dumme Liesen, denn nicht, wie er ganz anders mit der Mamsell Kriegsräthin sich unterhält, wenn die hier ist. Die weiß ihm zu antworten, daß er oft nicht weiß, was er sagen soll, so frappirt's ihn. Und das sage ich Euch, wenn sie heut zur Chocolate kommt, daß Ihr Euch nicht wieder das Maul ver¬ brennt, Du vor allem Karline. So ein Trampel¬
Außer dem Hauſe geht das Niemand was an, hatte ihr ein ſehr angeſehener und tugendhafter Herr ge¬ ſagt. Daß er die Charlotte auf den Markt mitnähme, wolle ſie nicht gerade gut heißen, aber der Menſch, der's jedermann recht thäte, müßte erſt erfunden werden.“
Die gute Tante hatte, je mehr ſie ins Reden kam, deſto mehr auszuſetzen. Ja, die Predigers¬ töchter oben wären neugierig, wie ein neugeboren Kalb, und wenn nur ein Wagen vorbeifährt, rutſchten die Köpfe zum Fenſter raus. Das habe ſie ſich nun ein¬ mal aufgebunden, weil ſie ein ſo gutmüthig Herz habe. Aber ihre Nichten ſollten doch bedenken, daß ſie nicht aus dem Kuhſtall wären, und auf ſich was halten. „Wie ich ſo alt war, als Ihr, da hielt man mich für 'ne Gräfin, und ich hätte mal den Kopf umdrehen ſollen auf der Straße, wie Ihr thut, Und an guten Exempeln fehlt's Euch doch nicht; in mein Haus kommen nur die feinſten Leute. Und wie ſprecht Ihr mit dem Herrn Kammerherrn, der ſo gütig iſt; ich werde manchmal purpurroth, wenn ich denke, daß er's am Hofe wieder erzählt. Merkt Ihr, dumme Lieſen, denn nicht, wie er ganz anders mit der Mamſell Kriegsräthin ſich unterhält, wenn die hier iſt. Die weiß ihm zu antworten, daß er oft nicht weiß, was er ſagen ſoll, ſo frappirt's ihn. Und das ſage ich Euch, wenn ſie heut zur Chocolate kommt, daß Ihr Euch nicht wieder das Maul ver¬ brennt, Du vor allem Karline. So ein Trampel¬
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Außer dem Hauſe geht das Niemand was an, hatte
ihr ein ſehr angeſehener und tugendhafter Herr ge¬
ſagt. Daß er die Charlotte auf den Markt mitnähme,
wolle ſie nicht gerade gut heißen, aber der Menſch,
der's jedermann recht thäte, müßte erſt erfunden
werden.“
Die gute Tante hatte, je mehr ſie ins Reden
kam, deſto mehr auszuſetzen. Ja, die Predigers¬
töchter oben wären neugierig, wie ein neugeboren
Kalb, und wenn nur ein Wagen vorbeifährt, rutſchten
die Köpfe zum Fenſter raus. Das habe ſie ſich nun ein¬
mal aufgebunden, weil ſie ein ſo gutmüthig Herz
habe. Aber ihre Nichten ſollten doch bedenken, daß
ſie nicht aus dem Kuhſtall wären, und auf ſich was
halten. „Wie ich ſo alt war, als Ihr, da hielt
man mich für 'ne Gräfin, und ich hätte mal den
Kopf umdrehen ſollen auf der Straße, wie Ihr thut,
Und an guten Exempeln fehlt's Euch doch nicht; in
mein Haus kommen nur die feinſten Leute. Und wie
ſprecht Ihr mit dem Herrn Kammerherrn, der ſo
gütig iſt; ich werde manchmal purpurroth, wenn ich
denke, daß er's am Hofe wieder erzählt. Merkt Ihr,
dumme Lieſen, denn nicht, wie er ganz anders mit
der Mamſell Kriegsräthin ſich unterhält, wenn die
hier iſt. Die weiß ihm zu antworten, daß er oft
nicht weiß, was er ſagen ſoll, ſo frappirt's ihn.
Und das ſage ich Euch, wenn ſie heut zur Chocolate
kommt, daß Ihr Euch nicht wieder das Maul ver¬
brennt, Du vor allem Karline. So ein Trampel¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/292>, abgerufen am 24.11.2024.
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