Frischem. Die Gräfin wußte auf der Stelle Rath. -- Im rothen Frießröckchen, bis an die Knie aufgeschürzt, barfuß huckte das Kind im Revier und pflückte Erdbeeren, ohne sich umzusehen. Der König winkte uns Stille zu, er wollte sie überraschen. Er fuhr sie an, was sie in dem Walde zu thun, und drohte sie zu pfänden, denn das sei verboten. Das Mädchen spielte prächtig. Zuerst erschrack sie und bedeckte ihr Körbchen, dann lag sie auf den Knieen, der gestrenge Herr möchte sie nur diesmal noch gehen lassen. Der König befahl ihr barsch, die Erdbeeren und den Korb zurückzulassen. Da stürzten ihr die Thränen aus den Augen und sie bat um Gottes Willen, die möchte er ihr lassen für ihre arme Mutter, sie wollte es lieber dem gnädigen Herrn Förster abarbeiten, was sie Schaden gethan. Das befremdete ihn doch von solchen Leuten. Ißt denn deine Mutter so gern Erdbeeren? Und er sprach von Abkaufen. Die Kleine wehrte schnell mit der Hand: Nichts verkaufen! Meine Mutter hat mir auf¬ getragen, die schönsten und reifsten Erdbeeren zu sammeln. Alles für den guten Herrn König. -- Den König! rief der König, wie kommt der dazu? Für den König werden wohl andere denken und sor¬ gen, die ihm näher stehen! -- Das ist's eben, was Mutter sagt, fiel das Mädchen ein, die denken und sorgen nicht so für ihn, wie er's verdient, und er ist so sehr gut und jetzt krank. Die frischen Walderdbeeren werden ihn wenigstens einen Augenblick erquicken,
Friſchem. Die Gräfin wußte auf der Stelle Rath. — Im rothen Frießröckchen, bis an die Knie aufgeſchürzt, barfuß huckte das Kind im Revier und pflückte Erdbeeren, ohne ſich umzuſehen. Der König winkte uns Stille zu, er wollte ſie überraſchen. Er fuhr ſie an, was ſie in dem Walde zu thun, und drohte ſie zu pfänden, denn das ſei verboten. Das Mädchen ſpielte prächtig. Zuerſt erſchrack ſie und bedeckte ihr Körbchen, dann lag ſie auf den Knieen, der geſtrenge Herr möchte ſie nur diesmal noch gehen laſſen. Der König befahl ihr barſch, die Erdbeeren und den Korb zurückzulaſſen. Da ſtürzten ihr die Thränen aus den Augen und ſie bat um Gottes Willen, die möchte er ihr laſſen für ihre arme Mutter, ſie wollte es lieber dem gnädigen Herrn Förſter abarbeiten, was ſie Schaden gethan. Das befremdete ihn doch von ſolchen Leuten. Ißt denn deine Mutter ſo gern Erdbeeren? Und er ſprach von Abkaufen. Die Kleine wehrte ſchnell mit der Hand: Nichts verkaufen! Meine Mutter hat mir auf¬ getragen, die ſchönſten und reifſten Erdbeeren zu ſammeln. Alles für den guten Herrn König. — Den König! rief der König, wie kommt der dazu? Für den König werden wohl andere denken und ſor¬ gen, die ihm näher ſtehen! — Das iſt's eben, was Mutter ſagt, fiel das Mädchen ein, die denken und ſorgen nicht ſo für ihn, wie er's verdient, und er iſt ſo ſehr gut und jetzt krank. Die friſchen Walderdbeeren werden ihn wenigſtens einen Augenblick erquicken,
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Friſchem. Die Gräfin wußte auf der Stelle Rath.
— Im rothen Frießröckchen, bis an die Knie
aufgeſchürzt, barfuß huckte das Kind im Revier und
pflückte Erdbeeren, ohne ſich umzuſehen. Der König
winkte uns Stille zu, er wollte ſie überraſchen. Er
fuhr ſie an, was ſie in dem Walde zu thun, und
drohte ſie zu pfänden, denn das ſei verboten. Das
Mädchen ſpielte prächtig. Zuerſt erſchrack ſie und
bedeckte ihr Körbchen, dann lag ſie auf den Knieen,
der geſtrenge Herr möchte ſie nur diesmal noch gehen
laſſen. Der König befahl ihr barſch, die Erdbeeren
und den Korb zurückzulaſſen. Da ſtürzten ihr die
Thränen aus den Augen und ſie bat um Gottes
Willen, die möchte er ihr laſſen für ihre arme
Mutter, ſie wollte es lieber dem gnädigen Herrn
Förſter abarbeiten, was ſie Schaden gethan. Das
befremdete ihn doch von ſolchen Leuten. Ißt denn
deine Mutter ſo gern Erdbeeren? Und er ſprach
von Abkaufen. Die Kleine wehrte ſchnell mit der
Hand: Nichts verkaufen! Meine Mutter hat mir auf¬
getragen, die ſchönſten und reifſten Erdbeeren zu
ſammeln. Alles für den guten Herrn König. —
Den König! rief der König, wie kommt der dazu?
Für den König werden wohl andere denken und ſor¬
gen, die ihm näher ſtehen! — Das iſt's eben, was
Mutter ſagt, fiel das Mädchen ein, die denken und
ſorgen nicht ſo für ihn, wie er's verdient, und er iſt
ſo ſehr gut und jetzt krank. Die friſchen Walderdbeeren
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/281>, abgerufen am 24.11.2024.
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