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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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empfängliche Herzen. Gut, daß kein Lauscherauge in
den Pavillon drang. Es hätte Mienen, Bewegungen
und Gesten gesehen, schwer verträglich mit der mi¬
nisteriellen Autorität eines Großstaates. Nur der
Geheimerath hatte rasch eine Flasche entkorkt, um ein
Glas hinunterzustürzen, aber die Physiognomien er¬
innerten einen Augenblick an die faunischen Gesichter,
welche Rubens Pinsel so unvergleichlich auf die Lein¬
wand warf. Belauschte Augenblicke der cannibalischen
Natur im Menschen, die nun ewig geworden sind
durch die Kunst. Wenn Jemandem, wem darf man
es weniger verargen als einem Staatsmann, wenn
er im unbelauschten Augenblick die geglättete Maske
fallen läßt, um einmal wenigstens in der ursprüng¬
lichen sich vor sich selbst zu sehen.

"Nun heraus! Wie war's?" rief der Geheime¬
rath am Tische, indem er einen tief aushöhlenden
Schnitt in die Leberpastete that. Ich vergaß zu
sagen, daß man die Thüren vorher verschlossen, und
auch noch die Gardinen vor die mit Weinreben fest um¬
rankten Fenster gezogen, -- der Kühlung wegen, hieß
es. Es war allerdings ein sehr heißer Tag geworden!
Vorher aber war der Haushofmeister auf besondere
Ordre des Ministers selbst in die Keller gestiegen,
und ein Korb mit Flaschen, staubig, kalkigt, mit
Spinneweben umwoben, stand in Folge dessen am
Tische. Auf demselben hatten sich aber neben der
Straßburgerin noch Schüsseln des verschiedensten In¬
halts aus verschiedenen Weltgegenden eingefunden,

empfängliche Herzen. Gut, daß kein Lauſcherauge in
den Pavillon drang. Es hätte Mienen, Bewegungen
und Geſten geſehen, ſchwer verträglich mit der mi¬
niſteriellen Autorität eines Großſtaates. Nur der
Geheimerath hatte raſch eine Flaſche entkorkt, um ein
Glas hinunterzuſtürzen, aber die Phyſiognomien er¬
innerten einen Augenblick an die fauniſchen Geſichter,
welche Rubens Pinſel ſo unvergleichlich auf die Lein¬
wand warf. Belauſchte Augenblicke der cannibaliſchen
Natur im Menſchen, die nun ewig geworden ſind
durch die Kunſt. Wenn Jemandem, wem darf man
es weniger verargen als einem Staatsmann, wenn
er im unbelauſchten Augenblick die geglättete Maske
fallen läßt, um einmal wenigſtens in der urſprüng¬
lichen ſich vor ſich ſelbſt zu ſehen.

„Nun heraus! Wie war's?“ rief der Geheime¬
rath am Tiſche, indem er einen tief aushöhlenden
Schnitt in die Leberpaſtete that. Ich vergaß zu
ſagen, daß man die Thüren vorher verſchloſſen, und
auch noch die Gardinen vor die mit Weinreben feſt um¬
rankten Fenſter gezogen, — der Kühlung wegen, hieß
es. Es war allerdings ein ſehr heißer Tag geworden!
Vorher aber war der Haushofmeiſter auf beſondere
Ordre des Miniſters ſelbſt in die Keller geſtiegen,
und ein Korb mit Flaſchen, ſtaubig, kalkigt, mit
Spinneweben umwoben, ſtand in Folge deſſen am
Tiſche. Auf demſelben hatten ſich aber neben der
Straßburgerin noch Schüſſeln des verſchiedenſten In¬
halts aus verſchiedenen Weltgegenden eingefunden,

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[251/0265] empfängliche Herzen. Gut, daß kein Lauſcherauge in den Pavillon drang. Es hätte Mienen, Bewegungen und Geſten geſehen, ſchwer verträglich mit der mi¬ niſteriellen Autorität eines Großſtaates. Nur der Geheimerath hatte raſch eine Flaſche entkorkt, um ein Glas hinunterzuſtürzen, aber die Phyſiognomien er¬ innerten einen Augenblick an die fauniſchen Geſichter, welche Rubens Pinſel ſo unvergleichlich auf die Lein¬ wand warf. Belauſchte Augenblicke der cannibaliſchen Natur im Menſchen, die nun ewig geworden ſind durch die Kunſt. Wenn Jemandem, wem darf man es weniger verargen als einem Staatsmann, wenn er im unbelauſchten Augenblick die geglättete Maske fallen läßt, um einmal wenigſtens in der urſprüng¬ lichen ſich vor ſich ſelbſt zu ſehen. „Nun heraus! Wie war's?“ rief der Geheime¬ rath am Tiſche, indem er einen tief aushöhlenden Schnitt in die Leberpaſtete that. Ich vergaß zu ſagen, daß man die Thüren vorher verſchloſſen, und auch noch die Gardinen vor die mit Weinreben feſt um¬ rankten Fenſter gezogen, — der Kühlung wegen, hieß es. Es war allerdings ein ſehr heißer Tag geworden! Vorher aber war der Haushofmeiſter auf beſondere Ordre des Miniſters ſelbſt in die Keller geſtiegen, und ein Korb mit Flaſchen, ſtaubig, kalkigt, mit Spinneweben umwoben, ſtand in Folge deſſen am Tiſche. Auf demſelben hatten ſich aber neben der Straßburgerin noch Schüſſeln des verſchiedenſten In¬ halts aus verſchiedenen Weltgegenden eingefunden,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/265>, abgerufen am 24.11.2024.