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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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ist ein Staat ohne Moralität seiner Bürger, was
ein[e] Monarchie, wo der Beamte nicht in Unbeschol¬
tenheit und sittlicher Würde wenigstens nachzueifern
strebt, dem erhabenen Exempel, welches sein Ober¬
haupt dem Lande und Volke täglich giebt.""

"Wunderschön!" Es entfuhr unwillkührlich den
Lippen des Geheimeraths und er steckte das Concept
in die Brusttasche. "Die Excellenz wird sich wenig¬
stens eingestehen müssen, daß sie Räthe um sich hat,
die auf ihre Ideen einzugehen wissen. Das kann
man auch dem Herrn von Stein unter die Nase
halten."

Welcher Glanz leuchtete auf der Stirn des Mi¬
nisters. St. Real stand hinter dem Lehnsessel und
wiegte sich in Wohlbehagen, während der Hausherr
auf- und abging. Als er den Geheimerath eintreten
sah, hielt er ihm die Hand entgegen: "Wissen Sie
schon Bovillard?"

"Nichts Excellenz, als daß Ihre Ansichten mich
überführt haben."

"Lassen Sie sich's von St. Real sagen." Er
warf sich in den Fauteuil, überschlug die Beine und
rieb die Hände.

"Seine Majestät haben in Gnaden die Anstellung
des Herrn von Stein abgelehnt."

"Stein wird nicht Finanzminister," wiederholte
der Minister.

"Da fällt uns also ein Stein vom Herzen!"
Bovillard's Bonmot, so leicht es war, fand

iſt ein Staat ohne Moralität ſeiner Bürger, was
ein[e] Monarchie, wo der Beamte nicht in Unbeſchol¬
tenheit und ſittlicher Würde wenigſtens nachzueifern
ſtrebt, dem erhabenen Exempel, welches ſein Ober¬
haupt dem Lande und Volke täglich giebt.““

„Wunderſchön!“ Es entfuhr unwillkührlich den
Lippen des Geheimeraths und er ſteckte das Concept
in die Bruſttaſche. „Die Excellenz wird ſich wenig¬
ſtens eingeſtehen müſſen, daß ſie Räthe um ſich hat,
die auf ihre Ideen einzugehen wiſſen. Das kann
man auch dem Herrn von Stein unter die Naſe
halten.“

Welcher Glanz leuchtete auf der Stirn des Mi¬
niſters. St. Real ſtand hinter dem Lehnſeſſel und
wiegte ſich in Wohlbehagen, während der Hausherr
auf- und abging. Als er den Geheimerath eintreten
ſah, hielt er ihm die Hand entgegen: „Wiſſen Sie
ſchon Bovillard?“

„Nichts Excellenz, als daß Ihre Anſichten mich
überführt haben.“

„Laſſen Sie ſich's von St. Real ſagen.“ Er
warf ſich in den Fauteuil, überſchlug die Beine und
rieb die Hände.

„Seine Majeſtät haben in Gnaden die Anſtellung
des Herrn von Stein abgelehnt.“

„Stein wird nicht Finanzminiſter,“ wiederholte
der Miniſter.

„Da fällt uns alſo ein Stein vom Herzen!“
Bovillard's Bonmot, ſo leicht es war, fand

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[250/0264] iſt ein Staat ohne Moralität ſeiner Bürger, was eine Monarchie, wo der Beamte nicht in Unbeſchol¬ tenheit und ſittlicher Würde wenigſtens nachzueifern ſtrebt, dem erhabenen Exempel, welches ſein Ober¬ haupt dem Lande und Volke täglich giebt.““ „Wunderſchön!“ Es entfuhr unwillkührlich den Lippen des Geheimeraths und er ſteckte das Concept in die Bruſttaſche. „Die Excellenz wird ſich wenig¬ ſtens eingeſtehen müſſen, daß ſie Räthe um ſich hat, die auf ihre Ideen einzugehen wiſſen. Das kann man auch dem Herrn von Stein unter die Naſe halten.“ Welcher Glanz leuchtete auf der Stirn des Mi¬ niſters. St. Real ſtand hinter dem Lehnſeſſel und wiegte ſich in Wohlbehagen, während der Hausherr auf- und abging. Als er den Geheimerath eintreten ſah, hielt er ihm die Hand entgegen: „Wiſſen Sie ſchon Bovillard?“ „Nichts Excellenz, als daß Ihre Anſichten mich überführt haben.“ „Laſſen Sie ſich's von St. Real ſagen.“ Er warf ſich in den Fauteuil, überſchlug die Beine und rieb die Hände. „Seine Majeſtät haben in Gnaden die Anſtellung des Herrn von Stein abgelehnt.“ „Stein wird nicht Finanzminiſter,“ wiederholte der Miniſter. „Da fällt uns alſo ein Stein vom Herzen!“ Bovillard's Bonmot, ſo leicht es war, fand

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/264>, abgerufen am 24.11.2024.