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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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"Wir! Nichts, Bovillard. Wir fügen uns als
Philosophen in das, was nicht zu ändern ist. Mich
persönlich kümmert es nicht. Bedarf der König meiner
Dienste nicht mehr, so danke ich ihm aufrichtig für
das mir so lange geschenkte Vertrauen, und singe
mit ebenso aufrichtigem Herzen mein: beatus ille, qui
procul negotiis
und die paterna rura sollen mir doppelt
willkommen sein."

"Aber der Staat, Excellenz!"

Der Minister sah ihn mit einem schlauen Blick
unter den herabgezogenen Augenbrauen an: "I der
wird auch wohl ohne uns bestehen."

Es trat eine neue Pause ein; sie gingen lang¬
sam dem Hause zu.

"Sie, und unsre Freunde allein thun mir leid.
Er ist jeder Zoll ein Reichsfreiherr. Seine Majestät
Diener wird er empfinden lassen, daß ein Unterschied
ist zwischen Dienern und Dienern. Er hat gar kein
Hehl, daß er Lombard nicht leiden kann; ja er hat
eine recht reichsfreiherrliche Verachtung gegen den
Sohn des Perückenmachers."

"Da werden sich ja unsre kurmärkischen Edel¬
leute in die Hände reiben."

"Ich zweifle, ob ihnen mit dem Changement
gedient ist. So ein ehemals Reichsunmittelbarer sieht
mit einer eignen Verachtung auf unsre wendischen
Krautjunker herab. Ich sage Ihnen in dem Mann
ist alles Aristokrat, und die Autorität, die er am
Rhein verloren, muß er suchen an der Havel wie¬

„Wir! Nichts, Bovillard. Wir fügen uns als
Philoſophen in das, was nicht zu ändern iſt. Mich
perſönlich kümmert es nicht. Bedarf der König meiner
Dienſte nicht mehr, ſo danke ich ihm aufrichtig für
das mir ſo lange geſchenkte Vertrauen, und ſinge
mit ebenſo aufrichtigem Herzen mein: beatus ille, qui
procul negotiis
und die paterna rura ſollen mir doppelt
willkommen ſein.“

„Aber der Staat, Excellenz!“

Der Miniſter ſah ihn mit einem ſchlauen Blick
unter den herabgezogenen Augenbrauen an: „I der
wird auch wohl ohne uns beſtehen.“

Es trat eine neue Pauſe ein; ſie gingen lang¬
ſam dem Hauſe zu.

„Sie, und unſre Freunde allein thun mir leid.
Er iſt jeder Zoll ein Reichsfreiherr. Seine Majeſtät
Diener wird er empfinden laſſen, daß ein Unterſchied
iſt zwiſchen Dienern und Dienern. Er hat gar kein
Hehl, daß er Lombard nicht leiden kann; ja er hat
eine recht reichsfreiherrliche Verachtung gegen den
Sohn des Perückenmachers.“

„Da werden ſich ja unſre kurmärkiſchen Edel¬
leute in die Hände reiben.“

„Ich zweifle, ob ihnen mit dem Changement
gedient iſt. So ein ehemals Reichsunmittelbarer ſieht
mit einer eignen Verachtung auf unſre wendiſchen
Krautjunker herab. Ich ſage Ihnen in dem Mann
iſt alles Ariſtokrat, und die Autorität, die er am
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[245/0259] „Wir! Nichts, Bovillard. Wir fügen uns als Philoſophen in das, was nicht zu ändern iſt. Mich perſönlich kümmert es nicht. Bedarf der König meiner Dienſte nicht mehr, ſo danke ich ihm aufrichtig für das mir ſo lange geſchenkte Vertrauen, und ſinge mit ebenſo aufrichtigem Herzen mein: beatus ille, qui procul negotiis und die paterna rura ſollen mir doppelt willkommen ſein.“ „Aber der Staat, Excellenz!“ Der Miniſter ſah ihn mit einem ſchlauen Blick unter den herabgezogenen Augenbrauen an: „I der wird auch wohl ohne uns beſtehen.“ Es trat eine neue Pauſe ein; ſie gingen lang¬ ſam dem Hauſe zu. „Sie, und unſre Freunde allein thun mir leid. Er iſt jeder Zoll ein Reichsfreiherr. Seine Majeſtät Diener wird er empfinden laſſen, daß ein Unterſchied iſt zwiſchen Dienern und Dienern. Er hat gar kein Hehl, daß er Lombard nicht leiden kann; ja er hat eine recht reichsfreiherrliche Verachtung gegen den Sohn des Perückenmachers.“ „Da werden ſich ja unſre kurmärkiſchen Edel¬ leute in die Hände reiben.“ „Ich zweifle, ob ihnen mit dem Changement gedient iſt. So ein ehemals Reichsunmittelbarer ſieht mit einer eignen Verachtung auf unſre wendiſchen Krautjunker herab. Ich ſage Ihnen in dem Mann iſt alles Ariſtokrat, und die Autorität, die er am Rhein verloren, muß er ſuchen an der Havel wie¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/259>, abgerufen am 24.11.2024.