Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen. Laß Sie sich also so was nicht einbilden,
und die Königin --"

"Ja, Herr Geheimrath, die Königin, das weiß
ich expreß von Jemand, der es weiß, vom Commissar
die Köchin, die hat beim Doctor, der die Hoflakaien
curirt, vorher gedient, und da hat sie's von der
Mamsell, die beim Hofmarschall ist, mit eigenen
Ohren gehört, zum König hat sie's gesagt, die Kö¬
nigin, sie könnte ihm ja keinen Kuß geben, weil
seine Hände voll Blut wären, und nur diesmal hat
er gesagt, hätte er's thun müssen, weil's eine Kindes¬
mörderin wäre, nämlich von wegen des Beispiels,
weil's sonst Alle thäten. Aber dann soll keiner mehr
geköpft werden, und dies ist das letzte Mal, und
darum verdienten's wohl die Kinder, daß ich sie hin¬
führte, denn es soll auch gar kein Blut mehr fließen,
und kein Krieg mehr sein, auf der ganzen Welt nicht,
und der König hat's gesagt."

"Aber sage Sie mal, Sie ist doch sonst eine
vernünftige Person" -- der Hausherr war aufge¬
standen, um ihr zu beweisen, daß sie diesmal unver¬
nünftig sei. Das ist überall eine schwierige Aufgabe,
wo die Person, welcher man es beweisen will, sich
für vernünftig hält. Sie mußte überdem eine gute
Royalistin sein; denn auf die Vorstellung des Ge¬
heimrathes, daß so etwas gar nicht in des Königs
Macht stehe, ja nicht in des Kaisers, auch nicht in
der Macht des großen Feldherrn und Consuls der
Franzosen, erklärte sie, wozu denn ein König wäre,

Menſchen. Laß Sie ſich alſo ſo was nicht einbilden,
und die Königin —“

„Ja, Herr Geheimrath, die Königin, das weiß
ich expreß von Jemand, der es weiß, vom Commiſſar
die Köchin, die hat beim Doctor, der die Hoflakaien
curirt, vorher gedient, und da hat ſie's von der
Mamſell, die beim Hofmarſchall iſt, mit eigenen
Ohren gehört, zum König hat ſie's geſagt, die Kö¬
nigin, ſie könnte ihm ja keinen Kuß geben, weil
ſeine Hände voll Blut wären, und nur diesmal hat
er geſagt, hätte er's thun müſſen, weil's eine Kindes¬
mörderin wäre, nämlich von wegen des Beiſpiels,
weil's ſonſt Alle thäten. Aber dann ſoll keiner mehr
geköpft werden, und dies iſt das letzte Mal, und
darum verdienten's wohl die Kinder, daß ich ſie hin¬
führte, denn es ſoll auch gar kein Blut mehr fließen,
und kein Krieg mehr ſein, auf der ganzen Welt nicht,
und der König hat's geſagt.“

„Aber ſage Sie mal, Sie iſt doch ſonſt eine
vernünftige Perſon“ — der Hausherr war aufge¬
ſtanden, um ihr zu beweiſen, daß ſie diesmal unver¬
nünftig ſei. Das iſt überall eine ſchwierige Aufgabe,
wo die Perſon, welcher man es beweiſen will, ſich
für vernünftig hält. Sie mußte überdem eine gute
Royaliſtin ſein; denn auf die Vorſtellung des Ge¬
heimrathes, daß ſo etwas gar nicht in des Königs
Macht ſtehe, ja nicht in des Kaiſers, auch nicht in
der Macht des großen Feldherrn und Conſuls der
Franzoſen, erklärte ſie, wozu denn ein König wäre,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="10"/>
Men&#x017F;chen. Laß Sie &#x017F;ich al&#x017F;o &#x017F;o was nicht einbilden,<lb/>
und die Königin &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Herr Geheimrath, die Königin, das weiß<lb/>
ich expreß von Jemand, der es weiß, vom Commi&#x017F;&#x017F;ar<lb/>
die Köchin, die hat beim Doctor, der die Hoflakaien<lb/>
curirt, vorher gedient, und da hat &#x017F;ie's von der<lb/>
Mam&#x017F;ell, die beim Hofmar&#x017F;chall i&#x017F;t, mit eigenen<lb/>
Ohren gehört, zum König hat &#x017F;ie's ge&#x017F;agt, die Kö¬<lb/>
nigin, &#x017F;ie könnte ihm ja keinen Kuß geben, weil<lb/>
&#x017F;eine Hände voll Blut wären, und nur diesmal hat<lb/>
er ge&#x017F;agt, hätte er's thun mü&#x017F;&#x017F;en, weil's eine Kindes¬<lb/>
mörderin wäre, nämlich von wegen des Bei&#x017F;piels,<lb/>
weil's &#x017F;on&#x017F;t Alle thäten. Aber dann &#x017F;oll keiner mehr<lb/>
geköpft werden, und dies i&#x017F;t das letzte Mal, und<lb/>
darum verdienten's wohl die Kinder, daß ich &#x017F;ie hin¬<lb/>
führte, denn es &#x017F;oll auch gar kein Blut mehr fließen,<lb/>
und kein Krieg mehr &#x017F;ein, auf der ganzen Welt nicht,<lb/>
und der König hat's ge&#x017F;agt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber &#x017F;age Sie mal, Sie i&#x017F;t doch &#x017F;on&#x017F;t eine<lb/>
vernünftige Per&#x017F;on&#x201C; &#x2014; der Hausherr war aufge¬<lb/>
&#x017F;tanden, um ihr zu bewei&#x017F;en, daß &#x017F;ie diesmal unver¬<lb/>
nünftig &#x017F;ei. Das i&#x017F;t überall eine &#x017F;chwierige Aufgabe,<lb/>
wo die Per&#x017F;on, welcher man es bewei&#x017F;en will, &#x017F;ich<lb/>
für vernünftig hält. Sie mußte überdem eine gute<lb/>
Royali&#x017F;tin &#x017F;ein; denn auf die Vor&#x017F;tellung des Ge¬<lb/>
heimrathes, daß &#x017F;o etwas gar nicht in des Königs<lb/>
Macht &#x017F;tehe, ja nicht in des Kai&#x017F;ers, auch nicht in<lb/>
der Macht des großen Feldherrn und Con&#x017F;uls der<lb/>
Franzo&#x017F;en, erklärte &#x017F;ie, wozu denn ein König wäre,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0024] Menſchen. Laß Sie ſich alſo ſo was nicht einbilden, und die Königin —“ „Ja, Herr Geheimrath, die Königin, das weiß ich expreß von Jemand, der es weiß, vom Commiſſar die Köchin, die hat beim Doctor, der die Hoflakaien curirt, vorher gedient, und da hat ſie's von der Mamſell, die beim Hofmarſchall iſt, mit eigenen Ohren gehört, zum König hat ſie's geſagt, die Kö¬ nigin, ſie könnte ihm ja keinen Kuß geben, weil ſeine Hände voll Blut wären, und nur diesmal hat er geſagt, hätte er's thun müſſen, weil's eine Kindes¬ mörderin wäre, nämlich von wegen des Beiſpiels, weil's ſonſt Alle thäten. Aber dann ſoll keiner mehr geköpft werden, und dies iſt das letzte Mal, und darum verdienten's wohl die Kinder, daß ich ſie hin¬ führte, denn es ſoll auch gar kein Blut mehr fließen, und kein Krieg mehr ſein, auf der ganzen Welt nicht, und der König hat's geſagt.“ „Aber ſage Sie mal, Sie iſt doch ſonſt eine vernünftige Perſon“ — der Hausherr war aufge¬ ſtanden, um ihr zu beweiſen, daß ſie diesmal unver¬ nünftig ſei. Das iſt überall eine ſchwierige Aufgabe, wo die Perſon, welcher man es beweiſen will, ſich für vernünftig hält. Sie mußte überdem eine gute Royaliſtin ſein; denn auf die Vorſtellung des Ge¬ heimrathes, daß ſo etwas gar nicht in des Königs Macht ſtehe, ja nicht in des Kaiſers, auch nicht in der Macht des großen Feldherrn und Conſuls der Franzoſen, erklärte ſie, wozu denn ein König wäre,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/24
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/24>, abgerufen am 19.04.2024.