Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.müssen, daß er nur die Feder in die Hand nahm. Der Geheimrath intonirte, wie durch eine Er¬ "Wir Menschen sind ja alle Brüder, Vereinigt durch ein heilig Band, Du Schwester mit dem Leinwandmieder, Du Bruder mit dem Ordensband!" Das Kindermädchen warf einen schlauen Blick: Die Erwähnung schien dem Geheimrath unan¬ müſſen, daß er nur die Feder in die Hand nahm. Der Geheimrath intonirte, wie durch eine Er¬ „Wir Menſchen ſind ja alle Brüder, Vereinigt durch ein heilig Band, Du Schweſter mit dem Leinwandmieder, Du Bruder mit dem Ordensband!“ Das Kindermädchen warf einen ſchlauen Blick: Die Erwähnung ſchien dem Geheimrath unan¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0023" n="9"/> müſſen, daß er nur die Feder in die Hand nahm.<lb/> Die junge ſchöne Königin hat geweint. Und da hat<lb/> er ſie gefragt: Aber Louiſe warum weinſt Du denn?<lb/> Denn unter ſich ſagen ſie immer Du; und es kommt<lb/> Einer zum Andern, ohne daß die Kammerherren an¬<lb/> klopfen und ſie melden, und darüber iſt die Hofmar¬<lb/> ſchallin, die alte Gräfin Voß ganz aufgebracht. Aber<lb/> das thut nun nichts. Es wird Alles noch ganz anders<lb/> werden, ſagen ſie; und gar nicht wie beim Dicken.<lb/> Die Livreen werden auch anders. Und alle Men¬<lb/> ſchen ſollen Brüder ſein, und alle Frauenzimmer<lb/> Schweſtern . . .“</p><lb/> <p>Der Geheimrath intonirte, wie durch eine Er¬<lb/> innerung geweckt, plötzlich das Lied, indem er mit<lb/> den Fingern auf dem Knie den Takt ſchlug:</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">„Wir Menſchen ſind ja alle Brüder,</l><lb/> <l rendition="#et">Vereinigt durch ein heilig Band,</l><lb/> <l rendition="#et">Du Schweſter mit dem Leinwandmieder,</l><lb/> <l rendition="#et">Du Bruder mit dem Ordensband!“</l><lb/> </lg> <p>Das Kindermädchen warf einen ſchlauen Blick:<lb/> „Geſtern hinterm Gitterfenſter auf dem Hofe — da<lb/> ſangen's Herr Geheimrath viel lauter.“</p><lb/> <p>Die Erwähnung ſchien dem Geheimrath unan¬<lb/> genehm: „Das verſteht Sie nicht. Es iſt allerdings<lb/> gegen die Humanität einen Menſchen um's Leben zu<lb/> bringen. Aber, wie geſagt, das verſteht Sie noch<lb/> nicht, und das iſt nur unter uns, und wie ſollten<lb/> wir denn die Spitzbuben los werden und die atrocen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0023]
müſſen, daß er nur die Feder in die Hand nahm.
Die junge ſchöne Königin hat geweint. Und da hat
er ſie gefragt: Aber Louiſe warum weinſt Du denn?
Denn unter ſich ſagen ſie immer Du; und es kommt
Einer zum Andern, ohne daß die Kammerherren an¬
klopfen und ſie melden, und darüber iſt die Hofmar¬
ſchallin, die alte Gräfin Voß ganz aufgebracht. Aber
das thut nun nichts. Es wird Alles noch ganz anders
werden, ſagen ſie; und gar nicht wie beim Dicken.
Die Livreen werden auch anders. Und alle Men¬
ſchen ſollen Brüder ſein, und alle Frauenzimmer
Schweſtern . . .“
Der Geheimrath intonirte, wie durch eine Er¬
innerung geweckt, plötzlich das Lied, indem er mit
den Fingern auf dem Knie den Takt ſchlug:
„Wir Menſchen ſind ja alle Brüder,
Vereinigt durch ein heilig Band,
Du Schweſter mit dem Leinwandmieder,
Du Bruder mit dem Ordensband!“
Das Kindermädchen warf einen ſchlauen Blick:
„Geſtern hinterm Gitterfenſter auf dem Hofe — da
ſangen's Herr Geheimrath viel lauter.“
Die Erwähnung ſchien dem Geheimrath unan¬
genehm: „Das verſteht Sie nicht. Es iſt allerdings
gegen die Humanität einen Menſchen um's Leben zu
bringen. Aber, wie geſagt, das verſteht Sie noch
nicht, und das iſt nur unter uns, und wie ſollten
wir denn die Spitzbuben los werden und die atrocen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |