ein vornehmer Herr, vor dem es doch nicht schicklich war, Toilette zu machen. Der Herr hatte ihr zuerst nicht sehr gefallen, er war klein und hüftenlahm und ging an einem Stock, der ihm als Krücke diente. Auch sein geröthetes Gesicht mit vielen Pickeln, war häßlich. Aber sie hätte bald auch da eingesehen, wie der Schein trügen kann. Er war ein Kammerherr vom Hofe, der Herr von St. Real, den sie schon nennen gehört, der eine gelegentliche Vorfuhrvisite bei der Obristin machte. Er war die Artigkeit selbst gegen die Damen und auch gegen sie. Er sprach so fein und verbindlich, wie sie noch keinen Herrn sprechen gehört, und schien alles zu wissen, denn er Iächelte fein zu allem, was sie sagte, und machte dann eine Bemerkung, woraus sie sah, daß er die Sache kannte. Sie hatte nie geglaubt, daß die vornehmen Herren so freundlich gegen Bürgerliche wären.
Er hatte sich erkundigt, ob sie Klavier spiele und singen könne, und was ihre Lecture sei, was sie zuerst nicht verstanden. Dann hätte er ihre Eltern sehr gelobt, daß sie ihr keine Romane in die Hände gäben, denn das sei alles nicht wahr, was darin stehe, und verwirre die Phantasie.
"Und denkt Euch, fuhr sie auf, er kennt auch Herrn van Asten! Denn er fragte, bei wem ich Unterricht hätte? Und als ich ihn nannte, sagte er, er hätte von ihm gehört, daß er ein sehr verständiger junger Mann wäre. Und den Beweis sähe er jetzt vor Augen. Ich wurde roth. Aber er fuhr fort,
ein vornehmer Herr, vor dem es doch nicht ſchicklich war, Toilette zu machen. Der Herr hatte ihr zuerſt nicht ſehr gefallen, er war klein und hüftenlahm und ging an einem Stock, der ihm als Krücke diente. Auch ſein geröthetes Geſicht mit vielen Pickeln, war häßlich. Aber ſie hätte bald auch da eingeſehen, wie der Schein trügen kann. Er war ein Kammerherr vom Hofe, der Herr von St. Real, den ſie ſchon nennen gehört, der eine gelegentliche Vorfuhrviſite bei der Obriſtin machte. Er war die Artigkeit ſelbſt gegen die Damen und auch gegen ſie. Er ſprach ſo fein und verbindlich, wie ſie noch keinen Herrn ſprechen gehört, und ſchien alles zu wiſſen, denn er Iächelte fein zu allem, was ſie ſagte, und machte dann eine Bemerkung, woraus ſie ſah, daß er die Sache kannte. Sie hatte nie geglaubt, daß die vornehmen Herren ſo freundlich gegen Bürgerliche wären.
Er hatte ſich erkundigt, ob ſie Klavier ſpiele und ſingen könne, und was ihre Lecture ſei, was ſie zuerſt nicht verſtanden. Dann hätte er ihre Eltern ſehr gelobt, daß ſie ihr keine Romane in die Hände gäben, denn das ſei alles nicht wahr, was darin ſtehe, und verwirre die Phantaſie.
„Und denkt Euch, fuhr ſie auf, er kennt auch Herrn van Aſten! Denn er fragte, bei wem ich Unterricht hätte? Und als ich ihn nannte, ſagte er, er hätte von ihm gehört, daß er ein ſehr verſtändiger junger Mann wäre. Und den Beweis ſähe er jetzt vor Augen. Ich wurde roth. Aber er fuhr fort,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0226"n="212"/>
ein vornehmer Herr, vor dem es doch nicht ſchicklich<lb/>
war, Toilette zu machen. Der Herr hatte ihr zuerſt<lb/>
nicht ſehr gefallen, er war klein und hüftenlahm und ging<lb/>
an einem Stock, der ihm als Krücke diente. Auch<lb/>ſein geröthetes Geſicht mit vielen Pickeln, war häßlich.<lb/>
Aber ſie hätte bald auch da eingeſehen, wie der<lb/>
Schein trügen kann. Er war ein Kammerherr vom<lb/>
Hofe, der Herr von St. Real, den ſie ſchon nennen<lb/>
gehört, der eine gelegentliche Vorfuhrviſite bei der<lb/>
Obriſtin machte. Er war die Artigkeit ſelbſt gegen<lb/>
die Damen und auch gegen ſie. Er ſprach ſo fein<lb/>
und verbindlich, wie ſie noch keinen Herrn ſprechen<lb/>
gehört, und ſchien alles zu wiſſen, denn er Iächelte<lb/>
fein zu allem, was ſie ſagte, und machte dann eine<lb/>
Bemerkung, woraus ſie ſah, daß er die Sache kannte.<lb/>
Sie hatte nie geglaubt, daß die vornehmen Herren<lb/>ſo freundlich gegen Bürgerliche wären.</p><lb/><p>Er hatte ſich erkundigt, ob ſie Klavier ſpiele und<lb/>ſingen könne, und was ihre Lecture ſei, was ſie zuerſt<lb/>
nicht verſtanden. Dann hätte er ihre Eltern ſehr<lb/>
gelobt, daß ſie ihr keine Romane in die Hände<lb/>
gäben, denn das ſei alles nicht wahr, was darin<lb/>ſtehe, und verwirre die Phantaſie.</p><lb/><p>„Und denkt Euch, fuhr ſie auf, er kennt auch<lb/>
Herrn van Aſten! Denn er fragte, bei wem ich<lb/>
Unterricht hätte? Und als ich ihn nannte, ſagte er,<lb/>
er hätte von ihm gehört, daß er ein ſehr verſtändiger<lb/>
junger Mann wäre. Und den Beweis ſähe er jetzt<lb/>
vor Augen. Ich wurde roth. Aber er fuhr fort,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[212/0226]
ein vornehmer Herr, vor dem es doch nicht ſchicklich
war, Toilette zu machen. Der Herr hatte ihr zuerſt
nicht ſehr gefallen, er war klein und hüftenlahm und ging
an einem Stock, der ihm als Krücke diente. Auch
ſein geröthetes Geſicht mit vielen Pickeln, war häßlich.
Aber ſie hätte bald auch da eingeſehen, wie der
Schein trügen kann. Er war ein Kammerherr vom
Hofe, der Herr von St. Real, den ſie ſchon nennen
gehört, der eine gelegentliche Vorfuhrviſite bei der
Obriſtin machte. Er war die Artigkeit ſelbſt gegen
die Damen und auch gegen ſie. Er ſprach ſo fein
und verbindlich, wie ſie noch keinen Herrn ſprechen
gehört, und ſchien alles zu wiſſen, denn er Iächelte
fein zu allem, was ſie ſagte, und machte dann eine
Bemerkung, woraus ſie ſah, daß er die Sache kannte.
Sie hatte nie geglaubt, daß die vornehmen Herren
ſo freundlich gegen Bürgerliche wären.
Er hatte ſich erkundigt, ob ſie Klavier ſpiele und
ſingen könne, und was ihre Lecture ſei, was ſie zuerſt
nicht verſtanden. Dann hätte er ihre Eltern ſehr
gelobt, daß ſie ihr keine Romane in die Hände
gäben, denn das ſei alles nicht wahr, was darin
ſtehe, und verwirre die Phantaſie.
„Und denkt Euch, fuhr ſie auf, er kennt auch
Herrn van Aſten! Denn er fragte, bei wem ich
Unterricht hätte? Und als ich ihn nannte, ſagte er,
er hätte von ihm gehört, daß er ein ſehr verſtändiger
junger Mann wäre. Und den Beweis ſähe er jetzt
vor Augen. Ich wurde roth. Aber er fuhr fort,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/226>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.