nicht weiter, und wer klein anfinge, der hörte oft groß auf."
"Mein Vater war ein strenger Mann, aber ein braver Mann, und er hatte Recht, sagte der Kriegs¬ rath. Denn meine Eltern mußten sich's schwer ver¬ dienen, daß sie nur durchkamen. Und was hatte ich in Leipzig zu suchen!"
Das gefiel der Kriegsräthin wieder nicht, daß er zu erzählen anfing, wie knapp es in seinem äl¬ terlichen Hause zugegangen. Die Obristin horchte aber sehr theilnehmend.
"Lieber Herr Kriegsrath, wir müssen uns Alle durch's Leben schlagen, Einer so, der Andere so. Und nicht Jedermann, der ein Sonntagskleid anhat, hat darum einen Braten auf dem Tisch, ja ich weiß Manchen im Seidenkleid, der oft nicht satt zu essen hat. Und was kosten die Kinder den Eltern! Er¬ ziehen muß man sie, anziehen doch auch, daß sie uns nicht zur Schande 'rumlaufen, und wenn sie wachsen, was haben sie für einen Appetit. Ich weiß manchen königlichen Herrn Geheimerath, der einen Livreebedien¬ ten hat -- und er muß ihn haben -- und fährt in seidenen Strümpfen aus, aber Sonnabends, wenn die Köchin auf den Markt soll, da kratzen sie aus allen Schubladen die Groschen. Und, lieber Gott, die jungen Demoiselles will man doch auch ver¬ heirathen. Da müssen die lieben Eltern sie auf die Bälle führen, daß die Mannspersonen sie zu sehen kriegen; denn die Katze im Sack will keiner mehr
nicht weiter, und wer klein anfinge, der hörte oft groß auf.“
„Mein Vater war ein ſtrenger Mann, aber ein braver Mann, und er hatte Recht, ſagte der Kriegs¬ rath. Denn meine Eltern mußten ſich's ſchwer ver¬ dienen, daß ſie nur durchkamen. Und was hatte ich in Leipzig zu ſuchen!“
Das gefiel der Kriegsräthin wieder nicht, daß er zu erzählen anfing, wie knapp es in ſeinem äl¬ terlichen Hauſe zugegangen. Die Obriſtin horchte aber ſehr theilnehmend.
„Lieber Herr Kriegsrath, wir müſſen uns Alle durch's Leben ſchlagen, Einer ſo, der Andere ſo. Und nicht Jedermann, der ein Sonntagskleid anhat, hat darum einen Braten auf dem Tiſch, ja ich weiß Manchen im Seidenkleid, der oft nicht ſatt zu eſſen hat. Und was koſten die Kinder den Eltern! Er¬ ziehen muß man ſie, anziehen doch auch, daß ſie uns nicht zur Schande 'rumlaufen, und wenn ſie wachſen, was haben ſie für einen Appetit. Ich weiß manchen königlichen Herrn Geheimerath, der einen Livreebedien¬ ten hat — und er muß ihn haben — und fährt in ſeidenen Strümpfen aus, aber Sonnabends, wenn die Köchin auf den Markt ſoll, da kratzen ſie aus allen Schubladen die Groſchen. Und, lieber Gott, die jungen Demoiſelles will man doch auch ver¬ heirathen. Da müſſen die lieben Eltern ſie auf die Bälle führen, daß die Mannsperſonen ſie zu ſehen kriegen; denn die Katze im Sack will keiner mehr
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nicht weiter, und wer klein anfinge, der hörte oft
groß auf.“
„Mein Vater war ein ſtrenger Mann, aber ein
braver Mann, und er hatte Recht, ſagte der Kriegs¬
rath. Denn meine Eltern mußten ſich's ſchwer ver¬
dienen, daß ſie nur durchkamen. Und was hatte ich
in Leipzig zu ſuchen!“
Das gefiel der Kriegsräthin wieder nicht, daß
er zu erzählen anfing, wie knapp es in ſeinem äl¬
terlichen Hauſe zugegangen. Die Obriſtin horchte
aber ſehr theilnehmend.
„Lieber Herr Kriegsrath, wir müſſen uns Alle
durch's Leben ſchlagen, Einer ſo, der Andere ſo. Und
nicht Jedermann, der ein Sonntagskleid anhat, hat
darum einen Braten auf dem Tiſch, ja ich weiß
Manchen im Seidenkleid, der oft nicht ſatt zu eſſen
hat. Und was koſten die Kinder den Eltern! Er¬
ziehen muß man ſie, anziehen doch auch, daß ſie uns
nicht zur Schande 'rumlaufen, und wenn ſie wachſen,
was haben ſie für einen Appetit. Ich weiß manchen
königlichen Herrn Geheimerath, der einen Livreebedien¬
ten hat — und er muß ihn haben — und fährt in
ſeidenen Strümpfen aus, aber Sonnabends, wenn
die Köchin auf den Markt ſoll, da kratzen ſie aus
allen Schubladen die Groſchen. Und, lieber Gott,
die jungen Demoiſelles will man doch auch ver¬
heirathen. Da müſſen die lieben Eltern ſie auf die
Bälle führen, daß die Mannsperſonen ſie zu ſehen
kriegen; denn die Katze im Sack will keiner mehr
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/202>, abgerufen am 24.11.2024.
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