sie Nachts vor Herrn Geheimeraths Bette treten, und was sie ihn dann fragen wird --"
"Halte Sie doch das Mau --! Charlotte -- liebe Charlotte, Sie ist echauffirt."
Das Kindermädchen war echauffirt, es ließ sich nicht in Abrede stellen. Es waren auch Gründe dafür.
Aber der Geheimrath liebte nichts Echauffirtes, nämlich wenn es ihn in seiner Ruhe incommodirte. Er suchte sie zu beruhigen; er erklärte die Kündigung für eine Aufwallung, ein Echauffement. Indem er sagte, solche Dinge müsse man bei kaltem Blute über¬ legen, schob er den Stein des Anstoßes etwas weiter auf den Weg.
Da schien ein Friede geschlossen, wenigstens ein Waffenstillstand; Charlotte weinte nur noch still, der Geheimrath seufzte und mochte wieder an anderes denken, als er sich erkundigte, was denn die Kinder machten? Gleich darauf fiel ihm noch etwas an¬ deres ein.
"Aber, Charlotte, sage Sie, wie kam Sie nur darauf, und mit den Kindern! vor's Thor zu laufen, dahin! Eine Hinrichtung ist ein unmoralisches Ver¬ gnügen, habe ich Ihr das nicht oft vorgestellt, es ist gegen die Humanität, ein Schauspiel, woran nur der rohe Pöbel Vergnügen finden kann."
"Sie haben schon ganz Recht, Herr Geheimrath, aber Sie hätten die Person sehen sollen, die Mariane; ganz schlooweiß war sie, vom Kopf bis zum Fuß, und wie sie die Augen niederschlug, die Hände hielt
ſie Nachts vor Herrn Geheimeraths Bette treten, und was ſie ihn dann fragen wird —“
„Halte Sie doch das Mau —! Charlotte — liebe Charlotte, Sie iſt echauffirt.“
Das Kindermädchen war echauffirt, es ließ ſich nicht in Abrede ſtellen. Es waren auch Gründe dafür.
Aber der Geheimrath liebte nichts Echauffirtes, nämlich wenn es ihn in ſeiner Ruhe incommodirte. Er ſuchte ſie zu beruhigen; er erklärte die Kündigung für eine Aufwallung, ein Echauffement. Indem er ſagte, ſolche Dinge müſſe man bei kaltem Blute über¬ legen, ſchob er den Stein des Anſtoßes etwas weiter auf den Weg.
Da ſchien ein Friede geſchloſſen, wenigſtens ein Waffenſtillſtand; Charlotte weinte nur noch ſtill, der Geheimrath ſeufzte und mochte wieder an anderes denken, als er ſich erkundigte, was denn die Kinder machten? Gleich darauf fiel ihm noch etwas an¬ deres ein.
„Aber, Charlotte, ſage Sie, wie kam Sie nur darauf, und mit den Kindern! vor's Thor zu laufen, dahin! Eine Hinrichtung iſt ein unmoraliſches Ver¬ gnügen, habe ich Ihr das nicht oft vorgeſtellt, es iſt gegen die Humanität, ein Schauſpiel, woran nur der rohe Pöbel Vergnügen finden kann.“
„Sie haben ſchon ganz Recht, Herr Geheimrath, aber Sie hätten die Perſon ſehen ſollen, die Mariane; ganz ſchlooweiß war ſie, vom Kopf bis zum Fuß, und wie ſie die Augen niederſchlug, die Hände hielt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0020"n="6"/>ſie Nachts vor Herrn Geheimeraths Bette treten, und<lb/>
was ſie ihn dann fragen wird —“</p><lb/><p>„Halte Sie doch das Mau —! Charlotte —<lb/>
liebe Charlotte, Sie iſt echauffirt.“</p><lb/><p>Das Kindermädchen war echauffirt, es ließ ſich<lb/>
nicht in Abrede ſtellen. Es waren auch Gründe dafür.</p><lb/><p>Aber der Geheimrath liebte nichts Echauffirtes,<lb/>
nämlich wenn es ihn in ſeiner Ruhe incommodirte.<lb/>
Er ſuchte ſie zu beruhigen; er erklärte die Kündigung<lb/>
für eine Aufwallung, ein Echauffement. Indem er<lb/>ſagte, ſolche Dinge müſſe man bei kaltem Blute über¬<lb/>
legen, ſchob er den Stein des Anſtoßes etwas weiter<lb/>
auf den Weg.</p><lb/><p>Da ſchien ein Friede geſchloſſen, wenigſtens ein<lb/>
Waffenſtillſtand; Charlotte weinte nur noch ſtill, der<lb/>
Geheimrath ſeufzte und mochte wieder an anderes<lb/>
denken, als er ſich erkundigte, was denn die Kinder<lb/>
machten? Gleich darauf fiel ihm noch etwas an¬<lb/>
deres ein.</p><lb/><p>„Aber, Charlotte, ſage Sie, wie kam Sie nur<lb/>
darauf, und mit den Kindern! vor's Thor zu laufen,<lb/>
dahin! Eine Hinrichtung iſt ein unmoraliſches Ver¬<lb/>
gnügen, habe ich Ihr das nicht oft vorgeſtellt, es<lb/>
iſt gegen die Humanität, ein Schauſpiel, woran nur<lb/>
der rohe Pöbel Vergnügen finden kann.“</p><lb/><p>„Sie haben ſchon ganz Recht, Herr Geheimrath,<lb/>
aber Sie hätten die Perſon ſehen ſollen, die Mariane;<lb/>
ganz ſchlooweiß war ſie, vom Kopf bis zum Fuß,<lb/>
und wie ſie die Augen niederſchlug, die Hände hielt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[6/0020]
ſie Nachts vor Herrn Geheimeraths Bette treten, und
was ſie ihn dann fragen wird —“
„Halte Sie doch das Mau —! Charlotte —
liebe Charlotte, Sie iſt echauffirt.“
Das Kindermädchen war echauffirt, es ließ ſich
nicht in Abrede ſtellen. Es waren auch Gründe dafür.
Aber der Geheimrath liebte nichts Echauffirtes,
nämlich wenn es ihn in ſeiner Ruhe incommodirte.
Er ſuchte ſie zu beruhigen; er erklärte die Kündigung
für eine Aufwallung, ein Echauffement. Indem er
ſagte, ſolche Dinge müſſe man bei kaltem Blute über¬
legen, ſchob er den Stein des Anſtoßes etwas weiter
auf den Weg.
Da ſchien ein Friede geſchloſſen, wenigſtens ein
Waffenſtillſtand; Charlotte weinte nur noch ſtill, der
Geheimrath ſeufzte und mochte wieder an anderes
denken, als er ſich erkundigte, was denn die Kinder
machten? Gleich darauf fiel ihm noch etwas an¬
deres ein.
„Aber, Charlotte, ſage Sie, wie kam Sie nur
darauf, und mit den Kindern! vor's Thor zu laufen,
dahin! Eine Hinrichtung iſt ein unmoraliſches Ver¬
gnügen, habe ich Ihr das nicht oft vorgeſtellt, es
iſt gegen die Humanität, ein Schauſpiel, woran nur
der rohe Pöbel Vergnügen finden kann.“
„Sie haben ſchon ganz Recht, Herr Geheimrath,
aber Sie hätten die Perſon ſehen ſollen, die Mariane;
ganz ſchlooweiß war ſie, vom Kopf bis zum Fuß,
und wie ſie die Augen niederſchlug, die Hände hielt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/20>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.