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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Armen, seine Augen schienen die Würmer im
Grase zu verfolgen, und er hörte nicht, wie sein
Freund zurückgekehrt war, diesmal den Gaul am
Halfter, und ihn vorsichtig um den Rand des Sees
führte. Er hörte erst, als Louis seinen Namen rief:

"Was sinnst Du? Bei Dir hat die Romantik
noch nicht einmal ganz durchgeschlagen, während ich
sie abschüttele. Du weißt den Zerbino auswendig,
und ich wette, Du schwärmst wieder für den Kiefer¬
busch drüben auf dem Sandhügel."

"Und warum nicht! Tieck hat Unrecht, wenn
er die Lust schilt, die sich auch aus dem Unbedeu¬
tenden Nahrung saugt. Gerade das führt uns zur
Vaterlandsliebe, die Du suchst. Aber was führt Dich
zurück?"

"Der Anblick einiger Herren von der Gensd'ar¬
merie, die mein scharfes Auge vom Gaule aus in
der Ferne entdeckte. Um nicht ihnen zu begegnen,
stieg ich ab, und will mich durch einen Fußsteig
schlängeln. Auch auf die Gefahr hin, daß der
Bauer uns pfändet. Nun, bewunderst Du nicht
meine Vernunft?"

"Wenn ich nicht wüßte, daß Du bei nächster
Gelegenheit doch wieder mit ihnen zusammenstößest."

"Das ist mein Fatum. Konnte Mercutio für
seine Natur!"

"Wenigstens spielt wieder Humor auf deiner
Stirn."

"Und in deinen Augen glänzt ein Gedicht."

Armen, ſeine Augen ſchienen die Würmer im
Graſe zu verfolgen, und er hörte nicht, wie ſein
Freund zurückgekehrt war, diesmal den Gaul am
Halfter, und ihn vorſichtig um den Rand des Sees
führte. Er hörte erſt, als Louis ſeinen Namen rief:

„Was ſinnſt Du? Bei Dir hat die Romantik
noch nicht einmal ganz durchgeſchlagen, während ich
ſie abſchüttele. Du weißt den Zerbino auswendig,
und ich wette, Du ſchwärmſt wieder für den Kiefer¬
buſch drüben auf dem Sandhügel.“

„Und warum nicht! Tieck hat Unrecht, wenn
er die Luſt ſchilt, die ſich auch aus dem Unbedeu¬
tenden Nahrung ſaugt. Gerade das führt uns zur
Vaterlandsliebe, die Du ſuchſt. Aber was führt Dich
zurück?“

„Der Anblick einiger Herren von der Gensd'ar¬
merie, die mein ſcharfes Auge vom Gaule aus in
der Ferne entdeckte. Um nicht ihnen zu begegnen,
ſtieg ich ab, und will mich durch einen Fußſteig
ſchlängeln. Auch auf die Gefahr hin, daß der
Bauer uns pfändet. Nun, bewunderſt Du nicht
meine Vernunft?“

„Wenn ich nicht wüßte, daß Du bei nächſter
Gelegenheit doch wieder mit ihnen zuſammenſtößeſt.“

„Das iſt mein Fatum. Konnte Mercutio für
ſeine Natur!“

„Wenigſtens ſpielt wieder Humor auf deiner
Stirn.“

„Und in deinen Augen glänzt ein Gedicht.“

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[169/0183] Armen, ſeine Augen ſchienen die Würmer im Graſe zu verfolgen, und er hörte nicht, wie ſein Freund zurückgekehrt war, diesmal den Gaul am Halfter, und ihn vorſichtig um den Rand des Sees führte. Er hörte erſt, als Louis ſeinen Namen rief: „Was ſinnſt Du? Bei Dir hat die Romantik noch nicht einmal ganz durchgeſchlagen, während ich ſie abſchüttele. Du weißt den Zerbino auswendig, und ich wette, Du ſchwärmſt wieder für den Kiefer¬ buſch drüben auf dem Sandhügel.“ „Und warum nicht! Tieck hat Unrecht, wenn er die Luſt ſchilt, die ſich auch aus dem Unbedeu¬ tenden Nahrung ſaugt. Gerade das führt uns zur Vaterlandsliebe, die Du ſuchſt. Aber was führt Dich zurück?“ „Der Anblick einiger Herren von der Gensd'ar¬ merie, die mein ſcharfes Auge vom Gaule aus in der Ferne entdeckte. Um nicht ihnen zu begegnen, ſtieg ich ab, und will mich durch einen Fußſteig ſchlängeln. Auch auf die Gefahr hin, daß der Bauer uns pfändet. Nun, bewunderſt Du nicht meine Vernunft?“ „Wenn ich nicht wüßte, daß Du bei nächſter Gelegenheit doch wieder mit ihnen zuſammenſtößeſt.“ „Das iſt mein Fatum. Konnte Mercutio für ſeine Natur!“ „Wenigſtens ſpielt wieder Humor auf deiner Stirn.“ „Und in deinen Augen glänzt ein Gedicht.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/183>, abgerufen am 24.11.2024.