schmalzhonigduftenden Cabinets- und Humanitäts¬ decrete schreiben, die beweisen, daß Gott, der König, seine Minister und seine Regierungsräthe alles mit Weisheit und Verstand gemacht haben? Himmel und Hölle! wem nun andres Blut in den Adern pulst! -- Die schönen Verse, die hochedlen Charac¬ tere des großen Dichters aus der Menschheithöhen! Schlugen wir ihnen nicht oft in mitternächtlicher Lust den Schädel ein und sahen, daß es nur Masken waren! Gieb, zeig, schenke mir was, wofür ich mich begeistern, was ich ans warme Herz drücken kann, wofür es in Flammen aufschlägt, wofür ich mich in die Schanze oder in den Tod stürze. Fähndrich Pistol ist mein Philosoph, wenn er die Welt doch noch für eine Auster hält. Leider fehlt aber das Schwert jetzt sie zu öffnen. Laß mich rasen."
"Ich hätte gar nichts dagegen, wenn Du ein rasender Roland würdest und dich einmal zum Toll¬ werden verliebtest. Du bedarfst einer Radicalkur."
Louis Bovillard lachte: "In diese Mücken! -- Schaff' mir was andres. Schaff' mir ein Vaterland. Das, das! Vielleicht wär ich ein anderer!"
Er spuckte, und ohne sich noch einmal umzu¬ drehen ging er sein Pferd suchen, das gemüthlich im Kornfelde seinen verzehrenden Meditationen nachhing.
Ein Vaterland! wiederholte Walter. Es war ein Funken, der viele Gedanken zündete, aber es waren nicht die Gedanken, um die er heut die Ein¬ samkeit gesucht. Er stand mit unterschlagenen
ſchmalzhonigduftenden Cabinets- und Humanitäts¬ decrete ſchreiben, die beweiſen, daß Gott, der König, ſeine Miniſter und ſeine Regierungsräthe alles mit Weisheit und Verſtand gemacht haben? Himmel und Hölle! wem nun andres Blut in den Adern pulſt! — Die ſchönen Verſe, die hochedlen Charac¬ tere des großen Dichters aus der Menſchheithöhen! Schlugen wir ihnen nicht oft in mitternächtlicher Luſt den Schädel ein und ſahen, daß es nur Masken waren! Gieb, zeig, ſchenke mir was, wofür ich mich begeiſtern, was ich ans warme Herz drücken kann, wofür es in Flammen aufſchlägt, wofür ich mich in die Schanze oder in den Tod ſtürze. Fähndrich Piſtol iſt mein Philoſoph, wenn er die Welt doch noch für eine Auſter hält. Leider fehlt aber das Schwert jetzt ſie zu öffnen. Laß mich raſen.“
„Ich hätte gar nichts dagegen, wenn Du ein raſender Roland würdeſt und dich einmal zum Toll¬ werden verliebteſt. Du bedarfſt einer Radicalkur.“
Louis Bovillard lachte: „In dieſe Mücken! — Schaff' mir was andres. Schaff' mir ein Vaterland. Das, das! Vielleicht wär ich ein anderer!“
Er ſpuckte, und ohne ſich noch einmal umzu¬ drehen ging er ſein Pferd ſuchen, das gemüthlich im Kornfelde ſeinen verzehrenden Meditationen nachhing.
Ein Vaterland! wiederholte Walter. Es war ein Funken, der viele Gedanken zündete, aber es waren nicht die Gedanken, um die er heut die Ein¬ ſamkeit geſucht. Er ſtand mit unterſchlagenen
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ſchmalzhonigduftenden Cabinets- und Humanitäts¬
decrete ſchreiben, die beweiſen, daß Gott, der König,
ſeine Miniſter und ſeine Regierungsräthe alles mit
Weisheit und Verſtand gemacht haben? Himmel
und Hölle! wem nun andres Blut in den Adern
pulſt! — Die ſchönen Verſe, die hochedlen Charac¬
tere des großen Dichters aus der Menſchheithöhen!
Schlugen wir ihnen nicht oft in mitternächtlicher Luſt
den Schädel ein und ſahen, daß es nur Masken waren!
Gieb, zeig, ſchenke mir was, wofür ich mich begeiſtern,
was ich ans warme Herz drücken kann, wofür es
in Flammen aufſchlägt, wofür ich mich in die Schanze
oder in den Tod ſtürze. Fähndrich Piſtol iſt mein
Philoſoph, wenn er die Welt doch noch für eine Auſter
hält. Leider fehlt aber das Schwert jetzt ſie zu öffnen.
Laß mich raſen.“
„Ich hätte gar nichts dagegen, wenn Du ein
raſender Roland würdeſt und dich einmal zum Toll¬
werden verliebteſt. Du bedarfſt einer Radicalkur.“
Louis Bovillard lachte: „In dieſe Mücken! —
Schaff' mir was andres. Schaff' mir ein Vaterland.
Das, das! Vielleicht wär ich ein anderer!“
Er ſpuckte, und ohne ſich noch einmal umzu¬
drehen ging er ſein Pferd ſuchen, das gemüthlich im
Kornfelde ſeinen verzehrenden Meditationen nachhing.
Ein Vaterland! wiederholte Walter. Es war
ein Funken, der viele Gedanken zündete, aber es
waren nicht die Gedanken, um die er heut die Ein¬
ſamkeit geſucht. Er ſtand mit unterſchlagenen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/182>, abgerufen am 24.11.2024.
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