Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwölftes Kapitel.
Schwanenjungfrauen.


In den hohen Kornfeldern wuchs nicht überall Korn.
Der ebene Boden wird noch jetzt durch viele Vertiefun¬
gen unterbrochen, ehemals waren es Seen, dann wur¬
den es Moräste; seit die Cultur fortgerückt sind es nur
noch Tümpel geblieben. Doch ladet ein heller klarer
Wasserspiegel wohl zum Baden ein. Der Bauer,
der dich trifft, warnt dich aber, denn nach der Sage
sind einige dieser trichterförmig sich senkenden Löcher
unergründlich. Außerdem gab es ehemals eine Britzer
Heide, ein übelberüchtigter Wald, dessen Buschwerk
gesprenkelt in die Kornfelder hinein wuchs. Und
endlich schnitten viele Wege und Fußsteige durch diese
Felder. Das Auge aus der Ferne sah nichts von den
Unterbrechungen, es dünkte ihm eine unermeßliche,
goldene Aehrenfläche, darin die Kornblumen und der
rothe Mohn über die Einsamkeit klagten.

An einem dieser kleinen Seen lag auf dem grü¬
nen abschüssigen Rande ein junger Mann auf dem
Rücken hingestreckt. Er hatte sich gebadet. Ob das

Zwölftes Kapitel.
Schwanenjungfrauen.


In den hohen Kornfeldern wuchs nicht überall Korn.
Der ebene Boden wird noch jetzt durch viele Vertiefun¬
gen unterbrochen, ehemals waren es Seen, dann wur¬
den es Moräſte; ſeit die Cultur fortgerückt ſind es nur
noch Tümpel geblieben. Doch ladet ein heller klarer
Waſſerſpiegel wohl zum Baden ein. Der Bauer,
der dich trifft, warnt dich aber, denn nach der Sage
ſind einige dieſer trichterförmig ſich ſenkenden Löcher
unergründlich. Außerdem gab es ehemals eine Britzer
Heide, ein übelberüchtigter Wald, deſſen Buſchwerk
geſprenkelt in die Kornfelder hinein wuchs. Und
endlich ſchnitten viele Wege und Fußſteige durch dieſe
Felder. Das Auge aus der Ferne ſah nichts von den
Unterbrechungen, es dünkte ihm eine unermeßliche,
goldene Aehrenfläche, darin die Kornblumen und der
rothe Mohn über die Einſamkeit klagten.

An einem dieſer kleinen Seen lag auf dem grü¬
nen abſchüſſigen Rande ein junger Mann auf dem
Rücken hingeſtreckt. Er hatte ſich gebadet. Ob das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0174"/>
      <div n="1">
        <head>Zwölftes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b">Schwanenjungfrauen.</hi><lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>In den hohen Kornfeldern wuchs nicht überall Korn.<lb/>
Der ebene Boden wird noch jetzt durch viele Vertiefun¬<lb/>
gen unterbrochen, ehemals waren es Seen, dann wur¬<lb/>
den es Morä&#x017F;te; &#x017F;eit die Cultur fortgerückt &#x017F;ind es nur<lb/>
noch Tümpel geblieben. Doch ladet ein heller klarer<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;piegel wohl zum Baden ein. Der Bauer,<lb/>
der dich trifft, warnt dich aber, denn nach der Sage<lb/>
&#x017F;ind einige die&#x017F;er trichterförmig &#x017F;ich &#x017F;enkenden Löcher<lb/>
unergründlich. Außerdem gab es ehemals eine Britzer<lb/>
Heide, ein übelberüchtigter Wald, de&#x017F;&#x017F;en Bu&#x017F;chwerk<lb/>
ge&#x017F;prenkelt in die Kornfelder hinein wuchs. Und<lb/>
endlich &#x017F;chnitten viele Wege und Fuß&#x017F;teige durch die&#x017F;e<lb/>
Felder. Das Auge aus der Ferne &#x017F;ah nichts von den<lb/>
Unterbrechungen, es dünkte ihm eine unermeßliche,<lb/>
goldene Aehrenfläche, darin die Kornblumen und der<lb/>
rothe Mohn über die Ein&#x017F;amkeit klagten.</p><lb/>
        <p>An einem die&#x017F;er kleinen Seen lag auf dem grü¬<lb/>
nen ab&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;igen Rande ein junger Mann auf dem<lb/>
Rücken hinge&#x017F;treckt. Er hatte &#x017F;ich gebadet. Ob das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0174] Zwölftes Kapitel. Schwanenjungfrauen. In den hohen Kornfeldern wuchs nicht überall Korn. Der ebene Boden wird noch jetzt durch viele Vertiefun¬ gen unterbrochen, ehemals waren es Seen, dann wur¬ den es Moräſte; ſeit die Cultur fortgerückt ſind es nur noch Tümpel geblieben. Doch ladet ein heller klarer Waſſerſpiegel wohl zum Baden ein. Der Bauer, der dich trifft, warnt dich aber, denn nach der Sage ſind einige dieſer trichterförmig ſich ſenkenden Löcher unergründlich. Außerdem gab es ehemals eine Britzer Heide, ein übelberüchtigter Wald, deſſen Buſchwerk geſprenkelt in die Kornfelder hinein wuchs. Und endlich ſchnitten viele Wege und Fußſteige durch dieſe Felder. Das Auge aus der Ferne ſah nichts von den Unterbrechungen, es dünkte ihm eine unermeßliche, goldene Aehrenfläche, darin die Kornblumen und der rothe Mohn über die Einſamkeit klagten. An einem dieſer kleinen Seen lag auf dem grü¬ nen abſchüſſigen Rande ein junger Mann auf dem Rücken hingeſtreckt. Er hatte ſich gebadet. Ob das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/174
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/174>, abgerufen am 22.11.2024.