Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Brust schlagend, wie mein kleiner Fritz neulich, den
Sie die Güte hatten aus der Taufe zu heben, die
Verse von Gleim hersagen sollte:

Und die Tugend, sie ist kein leerer Wahn,
Erzeugt in dem Hirne des Thoren!
drängte sich die stille Thräne des Mitgefühls auch
aus meinen Augen. Wer erkennt nicht dieses su¬
blime Beispiel des erhabenen Königspaares! Ich er¬
laubte mir daher auch neulich in der Loge --"

"Mit freimaurerischen Redensarten ist es nicht
mehr gethan. Man soll auch en verite die Tugend
executiren. Bemerken Sie denn nicht, wie die Dinge
in Berlin schon jetzt ein andres Ansehn gewinnen.
Man muß sich fügen, mein Lieber, man muß mit
dem Strome schwimmen, man muß sich kleiden wie
die andern, wenn uns auch die Mode nicht gefällt.
Ou voulez-vous etre un original, qui ne se desori¬
ginalisera jamais.
Glauben Sie mir, es gefällt
manchem am Hofe nicht, ich muß manche Klagen
hören, aber -- man fügt sich. Manche Liaisons sind
stadtkundig, wer hatte bisher Arges daran, aber --
man genirt sich jetzt, man fährt nicht mehr zusam¬
men in den Thiergarten. Ich könnte Ihnen -- aber
n'en parlons pas -- a propos -- man sagt mir, Sie
besuchen noch immer das Haus der Schubitz."

Der Nichtwirkliche blickte ihn verwundert an.

"Mein hochverehrtester Gönner, auch das" --
Offenbar wollte er, was man nennt mit etwas heraus¬
platzen, vielleicht aus der Defensive in die Offensive

Bruſt ſchlagend, wie mein kleiner Fritz neulich, den
Sie die Güte hatten aus der Taufe zu heben, die
Verſe von Gleim herſagen ſollte:

Und die Tugend, ſie iſt kein leerer Wahn,
Erzeugt in dem Hirne des Thoren!
drängte ſich die ſtille Thräne des Mitgefühls auch
aus meinen Augen. Wer erkennt nicht dieſes ſu¬
blime Beiſpiel des erhabenen Königspaares! Ich er¬
laubte mir daher auch neulich in der Loge —“

„Mit freimaureriſchen Redensarten iſt es nicht
mehr gethan. Man ſoll auch en vérité die Tugend
executiren. Bemerken Sie denn nicht, wie die Dinge
in Berlin ſchon jetzt ein andres Anſehn gewinnen.
Man muß ſich fügen, mein Lieber, man muß mit
dem Strome ſchwimmen, man muß ſich kleiden wie
die andern, wenn uns auch die Mode nicht gefällt.
Ou voulez-vous être un original, qui ne se désori¬
ginalisera jamais.
Glauben Sie mir, es gefällt
manchem am Hofe nicht, ich muß manche Klagen
hören, aber — man fügt ſich. Manche Liaiſons ſind
ſtadtkundig, wer hatte bisher Arges daran, aber —
man genirt ſich jetzt, man fährt nicht mehr zuſam¬
men in den Thiergarten. Ich könnte Ihnen — aber
n'en parlons pasà propos — man ſagt mir, Sie
beſuchen noch immer das Haus der Schubitz.“

Der Nichtwirkliche blickte ihn verwundert an.

„Mein hochverehrteſter Gönner, auch das“ —
Offenbar wollte er, was man nennt mit etwas heraus¬
platzen, vielleicht aus der Defenſive in die Offenſive

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="106"/>
Bru&#x017F;t &#x017F;chlagend, wie mein kleiner Fritz neulich, den<lb/>
Sie die Güte hatten aus der Taufe zu heben, die<lb/>
Ver&#x017F;e von Gleim her&#x017F;agen &#x017F;ollte:<lb/><lg type="poem"><l rendition="#et">Und die Tugend, &#x017F;ie i&#x017F;t kein leerer Wahn,</l><lb/><l rendition="#et">Erzeugt in dem Hirne des Thoren!</l></lg><lb/>
drängte &#x017F;ich die &#x017F;tille Thräne des Mitgefühls auch<lb/>
aus meinen Augen. Wer erkennt nicht die&#x017F;es &#x017F;<lb/>
blime Bei&#x017F;piel des erhabenen Königspaares! Ich er¬<lb/>
laubte mir daher auch neulich in der Loge &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit freimaureri&#x017F;chen Redensarten i&#x017F;t es nicht<lb/>
mehr gethan. Man &#x017F;oll auch <hi rendition="#aq">en vérité</hi> die Tugend<lb/>
executiren. Bemerken Sie denn nicht, wie die Dinge<lb/>
in Berlin &#x017F;chon jetzt ein andres An&#x017F;ehn gewinnen.<lb/>
Man muß &#x017F;ich fügen, mein Lieber, man muß mit<lb/>
dem Strome &#x017F;chwimmen, man muß &#x017F;ich kleiden wie<lb/>
die andern, wenn uns auch die Mode nicht gefällt.<lb/><hi rendition="#aq">Ou voulez-vous être un original, qui ne se désori¬<lb/>
ginalisera jamais.</hi> Glauben Sie mir, es gefällt<lb/>
manchem am Hofe nicht, ich muß manche Klagen<lb/>
hören, aber &#x2014; man fügt &#x017F;ich. Manche Liai&#x017F;ons &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;tadtkundig, wer hatte bisher Arges daran, aber &#x2014;<lb/>
man genirt &#x017F;ich jetzt, man fährt nicht mehr zu&#x017F;am¬<lb/>
men in den Thiergarten. Ich könnte Ihnen &#x2014; aber<lb/><hi rendition="#aq">n'en parlons pas</hi> &#x2014; <hi rendition="#aq">à propos</hi> &#x2014; man &#x017F;agt mir, Sie<lb/>
be&#x017F;uchen noch immer das Haus der Schubitz.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Nichtwirkliche blickte ihn verwundert an.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein hochverehrte&#x017F;ter Gönner, auch das&#x201C; &#x2014;<lb/>
Offenbar wollte er, was man nennt mit etwas heraus¬<lb/>
platzen, vielleicht aus der Defen&#x017F;ive in die Offen&#x017F;ive<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0120] Bruſt ſchlagend, wie mein kleiner Fritz neulich, den Sie die Güte hatten aus der Taufe zu heben, die Verſe von Gleim herſagen ſollte: Und die Tugend, ſie iſt kein leerer Wahn, Erzeugt in dem Hirne des Thoren! drängte ſich die ſtille Thräne des Mitgefühls auch aus meinen Augen. Wer erkennt nicht dieſes ſu¬ blime Beiſpiel des erhabenen Königspaares! Ich er¬ laubte mir daher auch neulich in der Loge —“ „Mit freimaureriſchen Redensarten iſt es nicht mehr gethan. Man ſoll auch en vérité die Tugend executiren. Bemerken Sie denn nicht, wie die Dinge in Berlin ſchon jetzt ein andres Anſehn gewinnen. Man muß ſich fügen, mein Lieber, man muß mit dem Strome ſchwimmen, man muß ſich kleiden wie die andern, wenn uns auch die Mode nicht gefällt. Ou voulez-vous être un original, qui ne se désori¬ ginalisera jamais. Glauben Sie mir, es gefällt manchem am Hofe nicht, ich muß manche Klagen hören, aber — man fügt ſich. Manche Liaiſons ſind ſtadtkundig, wer hatte bisher Arges daran, aber — man genirt ſich jetzt, man fährt nicht mehr zuſam¬ men in den Thiergarten. Ich könnte Ihnen — aber n'en parlons pas — à propos — man ſagt mir, Sie beſuchen noch immer das Haus der Schubitz.“ Der Nichtwirkliche blickte ihn verwundert an. „Mein hochverehrteſter Gönner, auch das“ — Offenbar wollte er, was man nennt mit etwas heraus¬ platzen, vielleicht aus der Defenſive in die Offenſive

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/120
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/120>, abgerufen am 07.05.2024.