Der Geheimerath war nach dem verschlossenen Schrank geeilt, von wo er einen in saubere Hüllen verschlossenen Band holte, und auf dem Tische ent¬ hülste: "Lombard hat ihn voraus geschickt. Doch das ist nur für uns. Um Himmels Willen davon keine Mittheilungen. -- Da ist sein Name. Schöne, feste Züge, der Charakter des Genius. Ex ungue leonem. -- Hier ist auch mein Bericht, den Lombard die Güte hatte in seinem Traite aufzunehmen, mit ab¬ gedruckt."
Der Geheimerath umhülste das Buch wieder mit einer Geschicklichkeit, die einem Buchbinder Ehre gemacht, und stellte es auf seinen Ort zurück: "Was sagen Sie nun. Ist der Mann, wie seine enragirten Feinde ihn uns darstellen wollen?"
"Das sind allerdings überraschende Combi¬ nationen."
"Sie haben an eine Attrappe gedacht. Sehen Sie, wie Sie sich durch Ihr Vorurtheil täuschen ließen. Ueberhaupt da war nichts Affectirtes in Bona¬ parte's Benehmen, nichts von der Herablassung eines Emporkömmlings. Er verhandelte mit unserm Freunde wie der Gleiche mit dem Gleichen. Lombard wollte diplomatisch Schritt um Schritt mit seinen Missionen herausrücken. Napoleon unterbrach ihn rasch: Ich bin Frankreich, die Welt fängt an es zu erkennen, und Sie sind Preußen, die Welt erkennt es noch nicht, aber ich. Ueberlassen wir doch das anderen, sich untereinander zu täuschen, setzte er mit dem
Der Geheimerath war nach dem verſchloſſenen Schrank geeilt, von wo er einen in ſaubere Hüllen verſchloſſenen Band holte, und auf dem Tiſche ent¬ hülſte: „Lombard hat ihn voraus geſchickt. Doch das iſt nur für uns. Um Himmels Willen davon keine Mittheilungen. — Da iſt ſein Name. Schöne, feſte Züge, der Charakter des Genius. Ex ungue leonem. — Hier iſt auch mein Bericht, den Lombard die Güte hatte in ſeinem Traité aufzunehmen, mit ab¬ gedruckt.“
Der Geheimerath umhülſte das Buch wieder mit einer Geſchicklichkeit, die einem Buchbinder Ehre gemacht, und ſtellte es auf ſeinen Ort zurück: „Was ſagen Sie nun. Iſt der Mann, wie ſeine enragirten Feinde ihn uns darſtellen wollen?“
„Das ſind allerdings überraſchende Combi¬ nationen.“
„Sie haben an eine Attrappe gedacht. Sehen Sie, wie Sie ſich durch Ihr Vorurtheil täuſchen ließen. Ueberhaupt da war nichts Affectirtes in Bona¬ parte's Benehmen, nichts von der Herablaſſung eines Emporkömmlings. Er verhandelte mit unſerm Freunde wie der Gleiche mit dem Gleichen. Lombard wollte diplomatiſch Schritt um Schritt mit ſeinen Miſſionen herausrücken. Napoleon unterbrach ihn raſch: Ich bin Frankreich, die Welt fängt an es zu erkennen, und Sie ſind Preußen, die Welt erkennt es noch nicht, aber ich. Ueberlaſſen wir doch das anderen, ſich untereinander zu täuſchen, ſetzte er mit dem
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Der Geheimerath war nach dem verſchloſſenen
Schrank geeilt, von wo er einen in ſaubere Hüllen
verſchloſſenen Band holte, und auf dem Tiſche ent¬
hülſte: „Lombard hat ihn voraus geſchickt. Doch das
iſt nur für uns. Um Himmels Willen davon keine
Mittheilungen. — Da iſt ſein Name. Schöne, feſte
Züge, der Charakter des Genius. Ex ungue leonem.
— Hier iſt auch mein Bericht, den Lombard die
Güte hatte in ſeinem Traité aufzunehmen, mit ab¬
gedruckt.“
Der Geheimerath umhülſte das Buch wieder
mit einer Geſchicklichkeit, die einem Buchbinder Ehre
gemacht, und ſtellte es auf ſeinen Ort zurück: „Was
ſagen Sie nun. Iſt der Mann, wie ſeine enragirten
Feinde ihn uns darſtellen wollen?“
„Das ſind allerdings überraſchende Combi¬
nationen.“
„Sie haben an eine Attrappe gedacht. Sehen
Sie, wie Sie ſich durch Ihr Vorurtheil täuſchen
ließen. Ueberhaupt da war nichts Affectirtes in Bona¬
parte's Benehmen, nichts von der Herablaſſung eines
Emporkömmlings. Er verhandelte mit unſerm Freunde
wie der Gleiche mit dem Gleichen. Lombard wollte
diplomatiſch Schritt um Schritt mit ſeinen Miſſionen
herausrücken. Napoleon unterbrach ihn raſch: Ich
bin Frankreich, die Welt fängt an es zu erkennen,
und Sie ſind Preußen, die Welt erkennt es noch
nicht, aber ich. Ueberlaſſen wir doch das anderen,
ſich untereinander zu täuſchen, ſetzte er mit dem
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/104>, abgerufen am 23.11.2024.
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