gekommen, daß der Reiz sie abgeführt. Die Runzeln verzogen sich, die schwarzen Brauen wölbten sich heiter über den lebendigen Augen, im Augenblick lächelten wie- der ihre Lippen, und im nächsten hielt sie mit beiden Händen meine rechte gefaßt:
"Sie hassen Napoleon. Aber es wird eine Zeit kommen, wo er ein großer Mann auch bei Jhnen hei- ßen wird. Seyn Sie darum nicht so zornig auf die starren, wilden Männer, die ihn schon heut zum Jdol erhoben. Sie vergöttern in ihm das gekrönte Ver- dienst, und wer, der jung ist und Kraft im Arme fühlt, wollte denn nicht, daß die Tugend belohnt werde, wenn sie auch keine Ahnen hat! -- Es könnte seyn -- es wird vielleicht -- setzte sie zögernd mit leichtem Er- röthen hinzu -- daß Jemand, den Sie kennen, heut Jhren Beistand erbittet. Glauben Sie ihm, was er spricht, und hat meine Bitte einiges Gewicht, so den- ken Sie, daß ich mit ihm bitte. Leben Sie wohl, es darf uns Niemand länger beisammen sehen." -- Da mit entschwand sie.
Jch lud zwar nicht die Büchse, auch untersuchte ich nicht beim Zubettegehn mein Schlafgemach, doch aber war es weit unheimlicher in diesem Schlosse ge- worden, als je in der engen Bauernhütte. Alle Thü- ren wurden mit dem Einbruch der Dämmerung ver- schlossen, und die Brücke über den Schloßgraben auf-
gekommen, daß der Reiz ſie abgeführt. Die Runzeln verzogen ſich, die ſchwarzen Brauen wölbten ſich heiter über den lebendigen Augen, im Augenblick lächelten wie- der ihre Lippen, und im nächſten hielt ſie mit beiden Händen meine rechte gefaßt:
„Sie haſſen Napoleon. Aber es wird eine Zeit kommen, wo er ein großer Mann auch bei Jhnen hei- ßen wird. Seyn Sie darum nicht ſo zornig auf die ſtarren, wilden Männer, die ihn ſchon heut zum Jdol erhoben. Sie vergöttern in ihm das gekrönte Ver- dienſt, und wer, der jung iſt und Kraft im Arme fühlt, wollte denn nicht, daß die Tugend belohnt werde, wenn ſie auch keine Ahnen hat! — Es könnte ſeyn — es wird vielleicht — ſetzte ſie zögernd mit leichtem Er- röthen hinzu — daß Jemand, den Sie kennen, heut Jhren Beiſtand erbittet. Glauben Sie ihm, was er ſpricht, und hat meine Bitte einiges Gewicht, ſo den- ken Sie, daß ich mit ihm bitte. Leben Sie wohl, es darf uns Niemand länger beiſammen ſehen.“ — Da mit entſchwand ſie.
Jch lud zwar nicht die Büchſe, auch unterſuchte ich nicht beim Zubettegehn mein Schlafgemach, doch aber war es weit unheimlicher in dieſem Schloſſe ge- worden, als je in der engen Bauernhütte. Alle Thü- ren wurden mit dem Einbruch der Dämmerung ver- ſchloſſen, und die Brücke über den Schloßgraben auf-
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[0087]
gekommen, daß der Reiz ſie abgeführt. Die Runzeln
verzogen ſich, die ſchwarzen Brauen wölbten ſich heiter
über den lebendigen Augen, im Augenblick lächelten wie-
der ihre Lippen, und im nächſten hielt ſie mit beiden
Händen meine rechte gefaßt:
„Sie haſſen Napoleon. Aber es wird eine Zeit
kommen, wo er ein großer Mann auch bei Jhnen hei-
ßen wird. Seyn Sie darum nicht ſo zornig auf die
ſtarren, wilden Männer, die ihn ſchon heut zum Jdol
erhoben. Sie vergöttern in ihm das gekrönte Ver-
dienſt, und wer, der jung iſt und Kraft im Arme
fühlt, wollte denn nicht, daß die Tugend belohnt werde,
wenn ſie auch keine Ahnen hat! — Es könnte ſeyn —
es wird vielleicht — ſetzte ſie zögernd mit leichtem Er-
röthen hinzu — daß Jemand, den Sie kennen, heut
Jhren Beiſtand erbittet. Glauben Sie ihm, was er
ſpricht, und hat meine Bitte einiges Gewicht, ſo den-
ken Sie, daß ich mit ihm bitte. Leben Sie wohl, es
darf uns Niemand länger beiſammen ſehen.“ — Da
mit entſchwand ſie.
Jch lud zwar nicht die Büchſe, auch unterſuchte
ich nicht beim Zubettegehn mein Schlafgemach, doch
aber war es weit unheimlicher in dieſem Schloſſe ge-
worden, als je in der engen Bauernhütte. Alle Thü-
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/87>, abgerufen am 07.07.2024.
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