Pöbel die Edlen erdrückte, und die Schamlosen sieg- ten. -- Jch wurde erst nach seinem Tode geboren, aber das schönste und einzige Erbtheil, was er mir hinterließ, ist seine Ehre. Er brauchte, wenn er jetzt lebte, sich nicht zu krümmen und zu winden; er könnte jedermann grad ins Auge sehen, was nicht Alle kön- nen." --
Jhr Gefühl schien auf's Höchste gespannt, doch mochte ihr ein Blick auf meine Uniform sagen, daß die Aeußerung desselben nicht ganz angebracht sey. Der starre Glanz ihres Auges machte einem freundlichern Ausdruck Platz. Sie wischte schnell eine Thräne mit dem Battisttuch fort, und sagte dann mit viel sanfte- rer Stimme:
"Sie sind fremd und jung. Sie kennen nicht unsere Verhältnisse. Sie sind verwickelter als man sich vorstellt. Die Familien sind zerrissen. Zwischen die Bande des Bluts treten die Parteien; und wenn sie auch heut nicht mehr nach Blut und Gesetzen kreischen, schreit fürchterlicher noch der gemeine Eigennutz. Und wie Viele dürfen nicht tugendhaft werden! Wenn sie zurückblicken, packt sie der Wahnsinn an. Da krie- chen sie unter die Altardecken und lassen sich ertränken mit Weihwasser. Andere stieren, wie der Wampyr, noch immer nach Blut. Es soll ein fürchterlicher Durst seyn. Vielleicht auch Beides zusammen. Warum nicht?
Pöbel die Edlen erdrückte, und die Schamloſen ſieg- ten. — Jch wurde erſt nach ſeinem Tode geboren, aber das ſchönſte und einzige Erbtheil, was er mir hinterließ, iſt ſeine Ehre. Er brauchte, wenn er jetzt lebte, ſich nicht zu krümmen und zu winden; er könnte jedermann grad ins Auge ſehen, was nicht Alle kön- nen.“ —
Jhr Gefühl ſchien auf’s Höchſte geſpannt, doch mochte ihr ein Blick auf meine Uniform ſagen, daß die Aeußerung deſſelben nicht ganz angebracht ſey. Der ſtarre Glanz ihres Auges machte einem freundlichern Ausdruck Platz. Sie wiſchte ſchnell eine Thräne mit dem Battiſttuch fort, und ſagte dann mit viel ſanfte- rer Stimme:
„Sie ſind fremd und jung. Sie kennen nicht unſere Verhältniſſe. Sie ſind verwickelter als man ſich vorſtellt. Die Familien ſind zerriſſen. Zwiſchen die Bande des Bluts treten die Parteien; und wenn ſie auch heut nicht mehr nach Blut und Geſetzen kreiſchen, ſchreit fürchterlicher noch der gemeine Eigennutz. Und wie Viele dürfen nicht tugendhaft werden! Wenn ſie zurückblicken, packt ſie der Wahnſinn an. Da krie- chen ſie unter die Altardecken und laſſen ſich ertränken mit Weihwaſſer. Andere ſtieren, wie der Wampyr, noch immer nach Blut. Es ſoll ein fürchterlicher Durſt ſeyn. Vielleicht auch Beides zuſammen. Warum nicht?
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Pöbel die Edlen erdrückte, und die Schamloſen ſieg-
ten. — Jch wurde erſt nach ſeinem Tode geboren,
aber das ſchönſte und einzige Erbtheil, was er mir
hinterließ, iſt ſeine Ehre. Er brauchte, wenn er jetzt
lebte, ſich nicht zu krümmen und zu winden; er könnte
jedermann grad ins Auge ſehen, was nicht Alle kön-
nen.“ —
Jhr Gefühl ſchien auf’s Höchſte geſpannt, doch
mochte ihr ein Blick auf meine Uniform ſagen, daß
die Aeußerung deſſelben nicht ganz angebracht ſey. Der
ſtarre Glanz ihres Auges machte einem freundlichern
Ausdruck Platz. Sie wiſchte ſchnell eine Thräne mit
dem Battiſttuch fort, und ſagte dann mit viel ſanfte-
rer Stimme:
„Sie ſind fremd und jung. Sie kennen nicht
unſere Verhältniſſe. Sie ſind verwickelter als man ſich
vorſtellt. Die Familien ſind zerriſſen. Zwiſchen die
Bande des Bluts treten die Parteien; und wenn ſie
auch heut nicht mehr nach Blut und Geſetzen kreiſchen,
ſchreit fürchterlicher noch der gemeine Eigennutz. Und
wie Viele dürfen nicht tugendhaft werden! Wenn
ſie zurückblicken, packt ſie der Wahnſinn an. Da krie-
chen ſie unter die Altardecken und laſſen ſich ertränken
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noch immer nach Blut. Es ſoll ein fürchterlicher Durſt
ſeyn. Vielleicht auch Beides zuſammen. Warum nicht?
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/65>, abgerufen am 07.07.2024.
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