men nur noch gespensterhafter. Ohne ein Wort zu sprechen, wies die Tochter in einen Winkel, wo mein übelbereiteter Kaffee mit geröstetem Brote stand. Von Zeit zu Zeit brachte mir der Knabe Aepfel, welche zu braten das einzige Geschäft der Weiber war. Dazu herrschte eine Todtenstille bis auf den einförmigen Ton, wenn der Regen auf das Dach tropfenweise fiel. Jch wünschte mir die französische Redseligkeit, welche mich sonst wol zur Verzweiflung gebracht, unter diese Wei- ber. Mir schien, als deute diese Bezwingung ihrer eigenthümlichsten Natur an, daß ein schwerer Vorsatz die Gemüther beschäftige. Sie blickten mich von Zeit zu Zeit verstohlen an; die Alte schien mehreremal sprechen zu wollen, aber ich kam ihr zuvor und machte der beeng- ten Brust Luft: "Jst es wohl recht, daß ein müder und hungriger Soldat wie ein Hund von Euch aufge- nommen wird? Eure Franzosen verstanden es besser, die Speisekammern zu finden, als sie bei uns waren." -- "Wir haben nichts," erwiederte die Mutter. -- "Die Preußen haben Alles genommen und verzehrt, und wir müssen verhungern," setzte die Tochter hin- zu. -- "Wie dann, Alte, hätten wir deinem Sohne auch nur trocken Brod vorgesetzt?"
Dies zündete, ohne daß ich wußte weshalb. Die Alte hielt sich nicht mehr; französische Sprechlust und mütterliche Eitelkeit trugen den Sieg davon, und mit
men nur noch geſpenſterhafter. Ohne ein Wort zu ſprechen, wies die Tochter in einen Winkel, wo mein übelbereiteter Kaffee mit geröſtetem Brote ſtand. Von Zeit zu Zeit brachte mir der Knabe Aepfel, welche zu braten das einzige Geſchäft der Weiber war. Dazu herrſchte eine Todtenſtille bis auf den einförmigen Ton, wenn der Regen auf das Dach tropfenweiſe fiel. Jch wünſchte mir die franzöſiſche Redſeligkeit, welche mich ſonſt wol zur Verzweiflung gebracht, unter dieſe Wei- ber. Mir ſchien, als deute dieſe Bezwingung ihrer eigenthümlichſten Natur an, daß ein ſchwerer Vorſatz die Gemüther beſchäftige. Sie blickten mich von Zeit zu Zeit verſtohlen an; die Alte ſchien mehreremal ſprechen zu wollen, aber ich kam ihr zuvor und machte der beeng- ten Bruſt Luft: „Jſt es wohl recht, daß ein müder und hungriger Soldat wie ein Hund von Euch aufge- nommen wird? Eure Franzoſen verſtanden es beſſer, die Speiſekammern zu finden, als ſie bei uns waren.“ — „Wir haben nichts,“ erwiederte die Mutter. — „Die Preußen haben Alles genommen und verzehrt, und wir müſſen verhungern,“ ſetzte die Tochter hin- zu. — „Wie dann, Alte, hätten wir deinem Sohne auch nur trocken Brod vorgeſetzt?“
Dies zündete, ohne daß ich wußte weshalb. Die Alte hielt ſich nicht mehr; franzöſiſche Sprechluſt und mütterliche Eitelkeit trugen den Sieg davon, und mit
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[0046]
men nur noch geſpenſterhafter. Ohne ein Wort zu
ſprechen, wies die Tochter in einen Winkel, wo mein
übelbereiteter Kaffee mit geröſtetem Brote ſtand. Von
Zeit zu Zeit brachte mir der Knabe Aepfel, welche zu
braten das einzige Geſchäft der Weiber war. Dazu
herrſchte eine Todtenſtille bis auf den einförmigen Ton,
wenn der Regen auf das Dach tropfenweiſe fiel. Jch
wünſchte mir die franzöſiſche Redſeligkeit, welche mich
ſonſt wol zur Verzweiflung gebracht, unter dieſe Wei-
ber. Mir ſchien, als deute dieſe Bezwingung ihrer
eigenthümlichſten Natur an, daß ein ſchwerer Vorſatz
die Gemüther beſchäftige. Sie blickten mich von Zeit zu
Zeit verſtohlen an; die Alte ſchien mehreremal ſprechen zu
wollen, aber ich kam ihr zuvor und machte der beeng-
ten Bruſt Luft: „Jſt es wohl recht, daß ein müder
und hungriger Soldat wie ein Hund von Euch aufge-
nommen wird? Eure Franzoſen verſtanden es beſſer,
die Speiſekammern zu finden, als ſie bei uns waren.“
— „Wir haben nichts,“ erwiederte die Mutter. —
„Die Preußen haben Alles genommen und verzehrt,
und wir müſſen verhungern,“ ſetzte die Tochter hin-
zu. — „Wie dann, Alte, hätten wir deinem Sohne
auch nur trocken Brod vorgeſetzt?“
Dies zündete, ohne daß ich wußte weshalb. Die
Alte hielt ſich nicht mehr; franzöſiſche Sprechluſt und
mütterliche Eitelkeit trugen den Sieg davon, und mit
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/46>, abgerufen am 07.07.2024.
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