Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

Bild:
<< vorherige Seite

"Jhm nach, ihm nach" schrie ich, meiner selbst
nicht mehr bewußt, und eine eigene Mordgier trieb
mich, in dem dunklen Thale ihm nachzuspringen, hätte
mein Gefährte mich nicht am Arm gefaßt, und durch
die Worte: "Camerad, Sie werden doch Jhren Posten
nicht verlassen?" wieder zur Besinnung gebracht. Mit
frischgeladenen Flinten blieben wir ohne zu sprechen,
Aug' und Ohr der Stadt zugekehrt, stehen, um schär-
fer jeden Nachfolger auf's Korn zu fassen, als hinter
uns ein Geräusch sich näherte. Der phlegmatische Un-
terofficier kam zur Besichtigung des Postens, und rief
uns schon von weitem zu: "Jäger, in Teufels Na-
men, was machen Sie denn? Das ganze Lager ist
allarmirt von dem Schuß. Sie haben wol auf 'ne
Fledermaus losgedrückt? Sonst ist ja nichts zu sehen.
Jch komme Jhnen nur zu sagen, daß ich mich verhört
habe. Wer kann das vermaledeite Rothwelsch alles
behalten, was sie jetzt zur Parole machen. Das Feld-
geschrei heißt nicht Bethmann, sondern" -- er buchsta-
birte den Namen Bertrand du Guesclin heraus.

Wir blickten uns verwundert an. "Wie konnte
er das wissen!" entfuhr im selben Augenblicke unsern
Lippen. Jch drang sogleich darauf, abgelöst zu wer-
den, und eilte, um dem kommandirenden Officier alles
zu melden. Man war über den Vorfall betroffen,
das Lager, die umliegenden Büsche wurden durchsucht,

„Jhm nach, ihm nach“ ſchrie ich, meiner ſelbſt
nicht mehr bewußt, und eine eigene Mordgier trieb
mich, in dem dunklen Thale ihm nachzuſpringen, hätte
mein Gefährte mich nicht am Arm gefaßt, und durch
die Worte: „Camerad, Sie werden doch Jhren Poſten
nicht verlaſſen?“ wieder zur Beſinnung gebracht. Mit
friſchgeladenen Flinten blieben wir ohne zu ſprechen,
Aug’ und Ohr der Stadt zugekehrt, ſtehen, um ſchär-
fer jeden Nachfolger auf’s Korn zu faſſen, als hinter
uns ein Geräuſch ſich näherte. Der phlegmatiſche Un-
terofficier kam zur Beſichtigung des Poſtens, und rief
uns ſchon von weitem zu: „Jäger, in Teufels Na-
men, was machen Sie denn? Das ganze Lager iſt
allarmirt von dem Schuß. Sie haben wol auf ’ne
Fledermaus losgedrückt? Sonſt iſt ja nichts zu ſehen.
Jch komme Jhnen nur zu ſagen, daß ich mich verhört
habe. Wer kann das vermaledeite Rothwelſch alles
behalten, was ſie jetzt zur Parole machen. Das Feld-
geſchrei heißt nicht Bethmann, ſondern“ — er buchſta-
birte den Namen Bertrand du Guesclin heraus.

Wir blickten uns verwundert an. „Wie konnte
er das wiſſen!“ entfuhr im ſelben Augenblicke unſern
Lippen. Jch drang ſogleich darauf, abgelöſt zu wer-
den, und eilte, um dem kommandirenden Officier alles
zu melden. Man war über den Vorfall betroffen,
das Lager, die umliegenden Büſche wurden durchſucht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0027"/>
        <p>&#x201E;Jhm nach, ihm nach&#x201C; &#x017F;chrie ich, meiner &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht mehr bewußt, und eine eigene Mordgier trieb<lb/>
mich, in dem dunklen Thale ihm nachzu&#x017F;pringen, hätte<lb/>
mein Gefährte mich nicht am Arm gefaßt, und durch<lb/>
die Worte: &#x201E;Camerad, Sie werden doch Jhren Po&#x017F;ten<lb/>
nicht verla&#x017F;&#x017F;en?&#x201C; wieder zur Be&#x017F;innung gebracht. Mit<lb/>
fri&#x017F;chgeladenen Flinten blieben wir ohne zu &#x017F;prechen,<lb/>
Aug&#x2019; und Ohr der Stadt zugekehrt, &#x017F;tehen, um &#x017F;chär-<lb/>
fer jeden Nachfolger auf&#x2019;s Korn zu fa&#x017F;&#x017F;en, als hinter<lb/>
uns ein Geräu&#x017F;ch &#x017F;ich näherte. Der phlegmati&#x017F;che Un-<lb/>
terofficier kam zur Be&#x017F;ichtigung des Po&#x017F;tens, und rief<lb/>
uns &#x017F;chon von weitem zu: &#x201E;Jäger, in Teufels Na-<lb/>
men, was machen Sie denn? Das ganze Lager i&#x017F;t<lb/>
allarmirt von dem Schuß. Sie haben wol auf &#x2019;ne<lb/>
Fledermaus losgedrückt? Son&#x017F;t i&#x017F;t ja nichts zu &#x017F;ehen.<lb/>
Jch komme Jhnen nur zu &#x017F;agen, daß ich mich verhört<lb/>
habe. Wer kann das vermaledeite Rothwel&#x017F;ch alles<lb/>
behalten, was &#x017F;ie jetzt zur Parole machen. Das Feld-<lb/>
ge&#x017F;chrei heißt nicht Bethmann, &#x017F;ondern&#x201C; &#x2014; er buch&#x017F;ta-<lb/>
birte den Namen Bertrand du Guesclin heraus.</p><lb/>
        <p>Wir blickten uns verwundert an. &#x201E;Wie konnte<lb/>
er das wi&#x017F;&#x017F;en!&#x201C; entfuhr im &#x017F;elben Augenblicke un&#x017F;ern<lb/>
Lippen. Jch drang &#x017F;ogleich darauf, abgelö&#x017F;t zu wer-<lb/>
den, und eilte, um dem kommandirenden Officier alles<lb/>
zu melden. Man war über den Vorfall betroffen,<lb/>
das Lager, die umliegenden Bü&#x017F;che wurden durch&#x017F;ucht,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0027] „Jhm nach, ihm nach“ ſchrie ich, meiner ſelbſt nicht mehr bewußt, und eine eigene Mordgier trieb mich, in dem dunklen Thale ihm nachzuſpringen, hätte mein Gefährte mich nicht am Arm gefaßt, und durch die Worte: „Camerad, Sie werden doch Jhren Poſten nicht verlaſſen?“ wieder zur Beſinnung gebracht. Mit friſchgeladenen Flinten blieben wir ohne zu ſprechen, Aug’ und Ohr der Stadt zugekehrt, ſtehen, um ſchär- fer jeden Nachfolger auf’s Korn zu faſſen, als hinter uns ein Geräuſch ſich näherte. Der phlegmatiſche Un- terofficier kam zur Beſichtigung des Poſtens, und rief uns ſchon von weitem zu: „Jäger, in Teufels Na- men, was machen Sie denn? Das ganze Lager iſt allarmirt von dem Schuß. Sie haben wol auf ’ne Fledermaus losgedrückt? Sonſt iſt ja nichts zu ſehen. Jch komme Jhnen nur zu ſagen, daß ich mich verhört habe. Wer kann das vermaledeite Rothwelſch alles behalten, was ſie jetzt zur Parole machen. Das Feld- geſchrei heißt nicht Bethmann, ſondern“ — er buchſta- birte den Namen Bertrand du Guesclin heraus. Wir blickten uns verwundert an. „Wie konnte er das wiſſen!“ entfuhr im ſelben Augenblicke unſern Lippen. Jch drang ſogleich darauf, abgelöſt zu wer- den, und eilte, um dem kommandirenden Officier alles zu melden. Man war über den Vorfall betroffen, das Lager, die umliegenden Büſche wurden durchſucht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-07-16T12:57:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-07-16T12:57:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/27
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/27>, abgerufen am 19.04.2024.