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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

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werden. Der Regen, der auf den dicht gedrängten
Platz niedergoß, war nicht die einzige unangenehme
Mitgabe von diesem Tage. Wir durchstreiften darauf
in größern Colonnen die Ardennen. An einem schönen
Wintertage sah man von der Höhe der Chaussee die
Thürme des Schlosses von Beauvais. Die Dorfglok-
ken läuteten dumpf herüber, und gewiß ist die Ant-
wort des Bauern auf meine Frage noch allen Came-
raden, welche mit mir des Weges zogen, im Gedächt-
niß: Der Maire Jblou sey erstochen im Walde ge-
funden worden, vermuthlich von seinen Bauern ermor-
det. Ein lang gehegter Groll wegen vieler Bedrückun-
gen sey endlich in einer wilden That der Rache aus-
gebrochen.

Darf ich den unbestimmten Nachrichten eines Rei-
senden durch die Picardie trauen, so hat einige Jahre
darauf ein Fräulein von A. ihre Güter dort verkauft
und ist aus jener Gegend verschwunden. Eines Dela-
belle Namen las ich unter dem Verzeichniß der emi-
grirten Franzosen, welche unter L'Allemand in Amerika
das chimärische Champ d'Asyle stiften wollten. Die
bedungenen sieben Jahr des Schweigens hangen viel-
leicht mit der alten französischen Verjährungsfrist in
einigen Criminalsachen zusammen.



werden. Der Regen, der auf den dicht gedrängten
Platz niedergoß, war nicht die einzige unangenehme
Mitgabe von dieſem Tage. Wir durchſtreiften darauf
in größern Colonnen die Ardennen. An einem ſchönen
Wintertage ſah man von der Höhe der Chauſſee die
Thürme des Schloſſes von Beauvais. Die Dorfglok-
ken läuteten dumpf herüber, und gewiß iſt die Ant-
wort des Bauern auf meine Frage noch allen Came-
raden, welche mit mir des Weges zogen, im Gedächt-
niß: Der Maire Jblou ſey erſtochen im Walde ge-
funden worden, vermuthlich von ſeinen Bauern ermor-
det. Ein lang gehegter Groll wegen vieler Bedrückun-
gen ſey endlich in einer wilden That der Rache aus-
gebrochen.

Darf ich den unbeſtimmten Nachrichten eines Rei-
ſenden durch die Picardie trauen, ſo hat einige Jahre
darauf ein Fräulein von A. ihre Güter dort verkauft
und iſt aus jener Gegend verſchwunden. Eines Dela-
belle Namen las ich unter dem Verzeichniß der emi-
grirten Franzoſen, welche unter L’Allemand in Amerika
das chimäriſche Champ d’Aſyle ſtiften wollten. Die
bedungenen ſieben Jahr des Schweigens hangen viel-
leicht mit der alten franzöſiſchen Verjährungsfriſt in
einigen Criminalſachen zuſammen.



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[0102] werden. Der Regen, der auf den dicht gedrängten Platz niedergoß, war nicht die einzige unangenehme Mitgabe von dieſem Tage. Wir durchſtreiften darauf in größern Colonnen die Ardennen. An einem ſchönen Wintertage ſah man von der Höhe der Chauſſee die Thürme des Schloſſes von Beauvais. Die Dorfglok- ken läuteten dumpf herüber, und gewiß iſt die Ant- wort des Bauern auf meine Frage noch allen Came- raden, welche mit mir des Weges zogen, im Gedächt- niß: Der Maire Jblou ſey erſtochen im Walde ge- funden worden, vermuthlich von ſeinen Bauern ermor- det. Ein lang gehegter Groll wegen vieler Bedrückun- gen ſey endlich in einer wilden That der Rache aus- gebrochen. Darf ich den unbeſtimmten Nachrichten eines Rei- ſenden durch die Picardie trauen, ſo hat einige Jahre darauf ein Fräulein von A. ihre Güter dort verkauft und iſt aus jener Gegend verſchwunden. Eines Dela- belle Namen las ich unter dem Verzeichniß der emi- grirten Franzoſen, welche unter L’Allemand in Amerika das chimäriſche Champ d’Aſyle ſtiften wollten. Die bedungenen ſieben Jahr des Schweigens hangen viel- leicht mit der alten franzöſiſchen Verjährungsfriſt in einigen Criminalſachen zuſammen.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/102>, abgerufen am 02.05.2024.