Stimmung schwelgt. Man sucht im Gedanken an den Verlust, die Bürgschaft für einen innewohnenden Werth. Es ist die erste Regung des Ehrgeizes nach dem in den Kinderspielen. Jeder kleine Unfall ist willkommen; wir dehnen seine Wirkungen aus; es däucht uns höchst interessant der Gegenstand vieler andringender Leiden zu seyn. Es ist das Alter, wo der Ossian entzückt. Jeder will auch so Geister sehen und so philosophiren. Jch sah meinen Grabeshügel, monologisirte von frucht- los vor diesen Felsenmauern verschwendeten Kräften der Jugend, und ließ den Landmann fluchen den mo- dernden Gebeinen des Fremdlings! Der feuchte Ne- belhauch war mir erwünscht, und mein Auge verfolgte das Spiel der vom Winde getriebenen Blätter. Wenn eine Krähe aus dem verdorrten Brombeergesträuch auf- flog, mußte sie die Geister der Abgeschiedenen im fer- nen Nebel erblicken. Während ich selbst hinausstarrte und Figuren aus den Wolkenzügen zu entziffern suchte, rauschte es plötzlich in meiner Nähe auf. Eine riesen- hafte Gestalt stand, wie aus dem Nebel aufgetaucht, vor mir. Sie warf einen scheu wilden Blick auf mich, und ehe ich noch mich besinnen konnte, ob es nur ein gesuchtes Phantom der Phantasie gewesen, oder ein Mann von Fleisch und Bein, war sie vorüber und verschwunden. Wie versteinert, mit halb aufgehobener Büchse starrte ich ihr in die Luft nach. Aber nach
Stimmung ſchwelgt. Man ſucht im Gedanken an den Verluſt, die Bürgſchaft für einen innewohnenden Werth. Es iſt die erſte Regung des Ehrgeizes nach dem in den Kinderſpielen. Jeder kleine Unfall iſt willkommen; wir dehnen ſeine Wirkungen aus; es däucht uns höchſt intereſſant der Gegenſtand vieler andringender Leiden zu ſeyn. Es iſt das Alter, wo der Oſſian entzückt. Jeder will auch ſo Geiſter ſehen und ſo philoſophiren. Jch ſah meinen Grabeshügel, monologiſirte von frucht- los vor dieſen Felſenmauern verſchwendeten Kräften der Jugend, und ließ den Landmann fluchen den mo- dernden Gebeinen des Fremdlings! Der feuchte Ne- belhauch war mir erwünſcht, und mein Auge verfolgte das Spiel der vom Winde getriebenen Blätter. Wenn eine Krähe aus dem verdorrten Brombeergeſträuch auf- flog, mußte ſie die Geiſter der Abgeſchiedenen im fer- nen Nebel erblicken. Während ich ſelbſt hinausſtarrte und Figuren aus den Wolkenzügen zu entziffern ſuchte, rauſchte es plötzlich in meiner Nähe auf. Eine rieſen- hafte Geſtalt ſtand, wie aus dem Nebel aufgetaucht, vor mir. Sie warf einen ſcheu wilden Blick auf mich, und ehe ich noch mich beſinnen konnte, ob es nur ein geſuchtes Phantom der Phantaſie geweſen, oder ein Mann von Fleiſch und Bein, war ſie vorüber und verſchwunden. Wie verſteinert, mit halb aufgehobener Büchſe ſtarrte ich ihr in die Luft nach. Aber nach
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Stimmung ſchwelgt. Man ſucht im Gedanken an den
Verluſt, die Bürgſchaft für einen innewohnenden Werth.
Es iſt die erſte Regung des Ehrgeizes nach dem in
den Kinderſpielen. Jeder kleine Unfall iſt willkommen;
wir dehnen ſeine Wirkungen aus; es däucht uns höchſt
intereſſant der Gegenſtand vieler andringender Leiden
zu ſeyn. Es iſt das Alter, wo der Oſſian entzückt.
Jeder will auch ſo Geiſter ſehen und ſo philoſophiren.
Jch ſah meinen Grabeshügel, monologiſirte von frucht-
los vor dieſen Felſenmauern verſchwendeten Kräften
der Jugend, und ließ den Landmann fluchen den mo-
dernden Gebeinen des Fremdlings! Der feuchte Ne-
belhauch war mir erwünſcht, und mein Auge verfolgte
das Spiel der vom Winde getriebenen Blätter. Wenn
eine Krähe aus dem verdorrten Brombeergeſträuch auf-
flog, mußte ſie die Geiſter der Abgeſchiedenen im fer-
nen Nebel erblicken. Während ich ſelbſt hinausſtarrte
und Figuren aus den Wolkenzügen zu entziffern ſuchte,
rauſchte es plötzlich in meiner Nähe auf. Eine rieſen-
hafte Geſtalt ſtand, wie aus dem Nebel aufgetaucht,
vor mir. Sie warf einen ſcheu wilden Blick auf mich,
und ehe ich noch mich beſinnen konnte, ob es nur ein
geſuchtes Phantom der Phantaſie geweſen, oder ein
Mann von Fleiſch und Bein, war ſie vorüber und
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/10>, abgerufen am 16.02.2025.
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