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[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].

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Hirnschleiffer.
jede Richter vnd Regenten verstanden vnd zu
jhnen gesagt werden/ daß sie nit von wegen
etwa eines geringen Verdachts/ ein Vrtel
schöpffen vnd außsprechen sollen/ Dann erst-
lich weil bißweilen einer selbst böß vnd nichts
werth ist/ so vermeint er/ es seye ein anderer
auch also beschaffen/ vermüg der wort: Ec-
clesiast.
am 10. Cap. da er sagt: So der
Narr im weg einher gehet/ vnnd ist ein
Narr/ so mainet er/ die andern seyen alle
Narren.
Am andern kombt solcher verdacht
daher/ weil nemmlich einer dem andern vbel ge-
naigt ist/ dann wann einer einen verachtet/
oder verhasset/ oder sich vber jhne erzürnet/
oder jhm neidig ist/ so schöpffet er geringer vr-
sachen halben einen bösen verdacht wider jh-
ne/ dann es heist/ quia vnusquisq; facile cre-
dit quae appetit.
Ein jeder glaubt gern was
jhne geliebet. Drittens entspringt der böse
verdacht auß der langen experientz vnd er-
fahrenheit/ daher sagt Aristoteles, die alte
Männer seyen sehr argwönisch/ seytemal sie
anderer Leut mengel vnd gebrechen vilmals
erfahren haben. Dem sey aber wie jhme wöl-
le/ weil wir je Menschen seynd/ vnd den bösen

ver-

Hirnſchleiffer.
jede Richter vnd Regenten verſtanden vnd zu
jhnen geſagt werden/ daß ſie nit von wegen
etwa eines geringen Verdachts/ ein Vrtel
ſchoͤpffen vnd außſprechen ſollen/ Dann erſt-
lich weil bißweilen einer ſelbſt boͤß vnd nichts
werth iſt/ ſo vermeint er/ es ſeye ein anderer
auch alſo beſchaffen/ vermuͤg der wort: Ec-
cleſiaſt.
am 10. Cap. da er ſagt: So der
Narꝛ im weg einher gehet/ vnnd iſt ein
Narꝛ/ ſo mainet er/ die andern ſeyen alle
Narꝛen.
Am andern kombt ſolcher verdacht
daher/ weil nem̃lich einer dem andern vbel ge-
naigt iſt/ dann wann einer einen verachtet/
oder verhaſſet/ oder ſich vber jhne erzuͤrnet/
oder jhm neidig iſt/ ſo ſchoͤpffet er geringer vr-
ſachen halben einen boͤſen verdacht wider jh-
ne/ dann es heiſt/ quia vnusquisq; facile cre-
dit quæ appetit.
Ein jeder glaubt gern was
jhne geliebet. Drittens entſpringt der boͤſe
verdacht auß der langen experientz vnd er-
fahrenheit/ daher ſagt Ariſtoteles, die alte
Maͤnner ſeyen ſehr argwoͤniſch/ ſeytemal ſie
anderer Leut mengel vnd gebrechen vilmals
erfahren haben. Dem ſey aber wie jhme woͤl-
le/ weil wir je Menſchen ſeynd/ vnd den boͤſen

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[622[621]/0637] Hirnſchleiffer. jede Richter vnd Regenten verſtanden vnd zu jhnen geſagt werden/ daß ſie nit von wegen etwa eines geringen Verdachts/ ein Vrtel ſchoͤpffen vnd außſprechen ſollen/ Dann erſt- lich weil bißweilen einer ſelbſt boͤß vnd nichts werth iſt/ ſo vermeint er/ es ſeye ein anderer auch alſo beſchaffen/ vermuͤg der wort: Ec- cleſiaſt. am 10. Cap. da er ſagt: So der Narꝛ im weg einher gehet/ vnnd iſt ein Narꝛ/ ſo mainet er/ die andern ſeyen alle Narꝛen. Am andern kombt ſolcher verdacht daher/ weil nem̃lich einer dem andern vbel ge- naigt iſt/ dann wann einer einen verachtet/ oder verhaſſet/ oder ſich vber jhne erzuͤrnet/ oder jhm neidig iſt/ ſo ſchoͤpffet er geringer vr- ſachen halben einen boͤſen verdacht wider jh- ne/ dann es heiſt/ quia vnusquisq; facile cre- dit quæ appetit. Ein jeder glaubt gern was jhne geliebet. Drittens entſpringt der boͤſe verdacht auß der langen experientz vnd er- fahrenheit/ daher ſagt Ariſtoteles, die alte Maͤnner ſeyen ſehr argwoͤniſch/ ſeytemal ſie anderer Leut mengel vnd gebrechen vilmals erfahren haben. Dem ſey aber wie jhme woͤl- le/ weil wir je Menſchen ſeynd/ vnd den boͤſen ver-

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Zitationshilfe: [Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618], S. 622[621]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/637>, abgerufen am 23.11.2024.