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[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].

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Hirnschleiffer.
zu lest beist er wie ein Schlang/ vnd geust
sein gifft auß wie ein Otter.
Die wollüst
beißen lestlichen/ vnd sonderlich am jüngsten
Tag oder deß todts/ alsdann empfindet der
sünder das beissen vnnd nagen deß jhne an-
klagenden gewissens.

Ferner haben die wollüst die aigenschafft/
daß sie gleichwol ein ersettigung verheissen/
lassen aber keine/ sonder erwecken einen grossen
hunger/ außwendig haben sie einen schönen
schein/ inwendig steckt ein lauterer grewel/
das deutet Esaias in seinem 29. c. an. So ei-
nem hungerigen traumet/ er esse/ vnnd
wann er erwachet/ so ist jhm sein Seel
läer: vnd so einem durstigen traumet er
trincke/ vnnd so er erwachet/ ist er noch
durstig/ vnnd sein Seel läer.
Bißweiln
traumbt einem/ als sitze er bey einem klaren
fliessenden bach/ vnder lustigen grüenen
bäumen/ alda die Waldvögelein lieblich mu-
sicieren vnd singen/ vnd werde mit den besten
speissen ersettiget vnd mit köstlichem getranck
gelabt/ wann er aber auß dem schlaf erwacht/
alßdann erkennet die Seel den betrug/ vnnd
sicht daß es kein wahre sonder falsche fantasti-

sche

Hirnſchleiffer.
zu leſt beiſt er wie ein Schlang/ vnd geuſt
ſein gifft auß wie ein Otter.
Die wolluͤſt
beißen leſtlichen/ vnd ſonderlich am juͤngſten
Tag oder deß todts/ alsdann empfindet der
ſuͤnder das beiſſen vnnd nagen deß jhne an-
klagenden gewiſſens.

Ferner haben die wolluͤſt die aigenſchafft/
daß ſie gleichwol ein erſettigung verheiſſen/
laſſen aber keine/ ſonder erwecken einẽ groſſen
hunger/ außwendig haben ſie einen ſchoͤnen
ſchein/ inwendig ſteckt ein lauterer grewel/
das deutet Eſaias in ſeinem 29. c. an. So ei-
nem hungerigen traumet/ er eſſe/ vnnd
wann er erwachet/ ſo iſt jhm ſein Seel
laͤer: vnd ſo einem durſtigen traumet er
trincke/ vnnd ſo er erwachet/ iſt er noch
durſtig/ vnnd ſein Seel laͤer.
Bißweiln
traumbt einem/ als ſitze er bey einem klaren
flieſſenden bach/ vnder luſtigen gruͤenen
baͤumen/ alda die Waldvoͤgelein lieblich mu-
ſicieren vnd ſingen/ vnd werde mit den beſten
ſpeiſſen erſettiget vnd mit koͤſtlichem getranck
gelabt/ wann er aber auß dem ſchlaf erwacht/
alßdann erkennet die Seel den betrug/ vnnd
ſicht daß es kein wahꝛe ſonder falſche fantaſti-

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[357[356]/0372] Hirnſchleiffer. zu leſt beiſt er wie ein Schlang/ vnd geuſt ſein gifft auß wie ein Otter. Die wolluͤſt beißen leſtlichen/ vnd ſonderlich am juͤngſten Tag oder deß todts/ alsdann empfindet der ſuͤnder das beiſſen vnnd nagen deß jhne an- klagenden gewiſſens. Ferner haben die wolluͤſt die aigenſchafft/ daß ſie gleichwol ein erſettigung verheiſſen/ laſſen aber keine/ ſonder erwecken einẽ groſſen hunger/ außwendig haben ſie einen ſchoͤnen ſchein/ inwendig ſteckt ein lauterer grewel/ das deutet Eſaias in ſeinem 29. c. an. So ei- nem hungerigen traumet/ er eſſe/ vnnd wann er erwachet/ ſo iſt jhm ſein Seel laͤer: vnd ſo einem durſtigen traumet er trincke/ vnnd ſo er erwachet/ iſt er noch durſtig/ vnnd ſein Seel laͤer. Bißweiln traumbt einem/ als ſitze er bey einem klaren flieſſenden bach/ vnder luſtigen gruͤenen baͤumen/ alda die Waldvoͤgelein lieblich mu- ſicieren vnd ſingen/ vnd werde mit den beſten ſpeiſſen erſettiget vnd mit koͤſtlichem getranck gelabt/ wann er aber auß dem ſchlaf erwacht/ alßdann erkennet die Seel den betrug/ vnnd ſicht daß es kein wahꝛe ſonder falſche fantaſti- ſche

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Zitationshilfe: [Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618], S. 357[356]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/372>, abgerufen am 24.11.2024.