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[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].

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Hirnschleiffer.
gedunckt es die durstige Seel sehr süeß sein.
Es bedeckts auch fein fleissig mit heüten oder
fellen/ dann es bietet vns allzeit sanffte/ linde
vnd liebliche ding an/ meidet aber die arbeit-
same/ mühesame vnnd beschwerliche sachen/
durch dise laster vnnd wollust wird der ver-
standt vmbkehrt vnd das gemüet dermassen
consopiert/ daß es den beuorstehenden Todt
nit sihet/ derwegen kombt es armseligklich
vmb vnd verdirbt ewigklich.

Dises wird vns artlich zuuerstehen ge-
geben durch die wort deß weisen Manns am
23. cap. Sihe nit den Wein an/ wann er
gelblich ist vnd seine farb im glaß scheint.

als wolte er sagen? O Mensch/ so offt
das fleisch dir schmaichelt/ vnd dir den Wein
deß wollusts praesentiert vnnd es dir vom
wollust eins bringt oder zutrinckt/ so schawe
solchen Wein mit deinen leiblichen Augen
nit an/ sonder wende dein gemüt daruon ab/
dann ob sie schon lieblich vnd süeß hinein gehen/
so haben sie doch einen bittern außgang vnnd
bösen nachgeschmacken/ derwegen soll man
(wie Aristoteles spricht) nit die kommende son-
der die vergehende wollüst anschauen. Dann

Zu
Z 2

Hirnſchleiffer.
gedunckt es die durſtige Seel ſehꝛ ſuͤeß ſein.
Es bedeckts auch fein fleiſſig mit heuͤten oder
fellen/ dann es bietet vns allzeit ſanffte/ linde
vnd liebliche ding an/ meidet aber die arbeit-
ſame/ muͤheſame vnnd beſchwerliche ſachen/
durch diſe laſter vnnd wolluſt wird der ver-
ſtandt vmbkehrt vnd das gemuͤet dermaſſen
conſopiert/ daß es den beuorſtehenden Todt
nit ſihet/ derwegen kombt es armſeligklich
vmb vnd verdirbt ewigklich.

Diſes wird vns artlich zuuerſtehen ge-
geben durch die wort deß weiſen Manns am
23. cap. Sihe nit den Wein an/ wann er
gelblich iſt vnd ſeine farb im glaß ſcheint.

als wolte er ſagen? O Menſch/ ſo offt
das fleiſch dir ſchmaichelt/ vnd dir den Wein
deß wolluſts præſentiert vnnd es dir vom
wolluſt eins bringt oder zutrinckt/ ſo ſchawe
ſolchen Wein mit deinen leiblichen Augen
nit an/ ſonder wende dein gemuͤt daruon ab/
dann ob ſie ſchon lieblich vñ ſuͤeß hinein gehẽ/
ſo haben ſie doch einen bittern außgang vnnd
boͤſen nachgeſchmacken/ derwegen ſoll man
(wie Ariſtoteles ſpricht) nit die kom̃ende ſon-
der die vergehende wolluͤſt anſchauen. Dann

Zu
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[356[355]/0371] Hirnſchleiffer. gedunckt es die durſtige Seel ſehꝛ ſuͤeß ſein. Es bedeckts auch fein fleiſſig mit heuͤten oder fellen/ dann es bietet vns allzeit ſanffte/ linde vnd liebliche ding an/ meidet aber die arbeit- ſame/ muͤheſame vnnd beſchwerliche ſachen/ durch diſe laſter vnnd wolluſt wird der ver- ſtandt vmbkehrt vnd das gemuͤet dermaſſen conſopiert/ daß es den beuorſtehenden Todt nit ſihet/ derwegen kombt es armſeligklich vmb vnd verdirbt ewigklich. Diſes wird vns artlich zuuerſtehen ge- geben durch die wort deß weiſen Manns am 23. cap. Sihe nit den Wein an/ wann er gelblich iſt vnd ſeine farb im glaß ſcheint. als wolte er ſagen? O Menſch/ ſo offt das fleiſch dir ſchmaichelt/ vnd dir den Wein deß wolluſts præſentiert vnnd es dir vom wolluſt eins bringt oder zutrinckt/ ſo ſchawe ſolchen Wein mit deinen leiblichen Augen nit an/ ſonder wende dein gemuͤt daruon ab/ dann ob ſie ſchon lieblich vñ ſuͤeß hinein gehẽ/ ſo haben ſie doch einen bittern außgang vnnd boͤſen nachgeſchmacken/ derwegen ſoll man (wie Ariſtoteles ſpricht) nit die kom̃ende ſon- der die vergehende wolluͤſt anſchauen. Dann Zu Z 2

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Zitationshilfe: [Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618], S. 356[355]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/371>, abgerufen am 24.11.2024.