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Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917.

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fach auch "Parlamente", die keine formal gesetzgebende
Kompetenz besassen, sondern gesetzes-beratende
Instanzen vorstellten. Auch diese, keineswegs demokra-
tisch gedachten Fälle behalten wir im Auge, wenn wir
speziell in Bezug auf das Frauenwahlrecht den Begriff
"Parlament", wie gesagt, ganz im allgemeinen
auffassen.

Gleichviel ob das jeweilige politische Regime des be-
treffenden Bevölkerungsverbandes ein demokratisches, ein
patrizianisches, ein autokratisches, ein bureaukratisches
oder sonst welches ist; wenn es nur ein wie immer gearte-
tes "Parlament" in der Reihe seiner politischen Institu-
tionen überhaupt zulässt, muss das letztere min-
destens
mit folgender Funktion bedacht sein; bezw.
folgenden wesentlichen praktischen Zielen und Zwecken
dienen, wenn nur irgendwelche staatserhaltende
Logik obwaltet, d. h. wenn das jeweilig bestehende poli-
tische Regime wie immer gearteter Natur nicht, durch
Blindheit geschlagen, auf seinen eigenen Sturz hinaus-
arbeitet.

Für diesen Fall eines Mindestmasses an staatserhal-
tender Logik muss nämlich das Parlament vor allen Din-
gen wenigstens die in der Bevölkerung jeweilig und tat-
sächlich vorhandenen, auf die Allgemeinheit Bezug neh-
menden, geistigen Strömungen, Wünsche, Ideale, Beklem-
mungen, Befürchtungen, Sympathien, Antipathien, Welt-
anschauungen, ja selbst Utopien und Kindereien, kurz
und gut politische Geistesverfassungen und Psychologien
jeglicher Art, insofern sie nennenswerte Teile der
Volksseele innerlich oder äusserlich bewegen, in zentralisiert
kondensierter Ausdrucksweise mindestens zur einfachen
Kenntnis der jeweiligen Machthaber und ihrer Regie-
rungen bringen. Denn selbst behufs Bekämpfung oder
gar behufs gewaltsamer Unterdrückung gewisser oben

fach auch „Parlamente“, die keine formal gesetzgebende
Kompetenz besassen, sondern gesetzes-beratende
Instanzen vorstellten. Auch diese, keineswegs demokra-
tisch gedachten Fälle behalten wir im Auge, wenn wir
speziell in Bezug auf das Frauenwahlrecht den Begriff
„Parlament“, wie gesagt, ganz im allgemeinen
auffassen.

Gleichviel ob das jeweilige politische Regime des be-
treffenden Bevölkerungsverbandes ein demokratisches, ein
patrizianisches, ein autokratisches, ein bureaukratisches
oder sonst welches ist; wenn es nur ein wie immer gearte-
tes „Parlament“ in der Reihe seiner politischen Institu-
tionen überhaupt zulässt, muss das letztere min-
destens
mit folgender Funktion bedacht sein; bezw.
folgenden wesentlichen praktischen Zielen und Zwecken
dienen, wenn nur irgendwelche staatserhaltende
Logik obwaltet, d. h. wenn das jeweilig bestehende poli-
tische Regime wie immer gearteter Natur nicht, durch
Blindheit geschlagen, auf seinen eigenen Sturz hinaus-
arbeitet.

Für diesen Fall eines Mindestmasses an staatserhal-
tender Logik muss nämlich das Parlament vor allen Din-
gen wenigstens die in der Bevölkerung jeweilig und tat-
sächlich vorhandenen, auf die Allgemeinheit Bezug neh-
menden, geistigen Strömungen, Wünsche, Ideale, Beklem-
mungen, Befürchtungen, Sympathien, Antipathien, Welt-
anschauungen, ja selbst Utopien und Kindereien, kurz
und gut politische Geistesverfassungen und Psychologien
jeglicher Art, insofern sie nennenswerte Teile der
Volksseele innerlich oder äusserlich bewegen, in zentralisiert
kondensierter Ausdrucksweise mindestens zur einfachen
Kenntnis der jeweiligen Machthaber und ihrer Regie-
rungen bringen. Denn selbst behufs Bekämpfung oder
gar behufs gewaltsamer Unterdrückung gewisser oben

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[4/0006] fach auch „Parlamente“, die keine formal gesetzgebende Kompetenz besassen, sondern gesetzes-beratende Instanzen vorstellten. Auch diese, keineswegs demokra- tisch gedachten Fälle behalten wir im Auge, wenn wir speziell in Bezug auf das Frauenwahlrecht den Begriff „Parlament“, wie gesagt, ganz im allgemeinen auffassen. Gleichviel ob das jeweilige politische Regime des be- treffenden Bevölkerungsverbandes ein demokratisches, ein patrizianisches, ein autokratisches, ein bureaukratisches oder sonst welches ist; wenn es nur ein wie immer gearte- tes „Parlament“ in der Reihe seiner politischen Institu- tionen überhaupt zulässt, muss das letztere min- destens mit folgender Funktion bedacht sein; bezw. folgenden wesentlichen praktischen Zielen und Zwecken dienen, wenn nur irgendwelche staatserhaltende Logik obwaltet, d. h. wenn das jeweilig bestehende poli- tische Regime wie immer gearteter Natur nicht, durch Blindheit geschlagen, auf seinen eigenen Sturz hinaus- arbeitet. Für diesen Fall eines Mindestmasses an staatserhal- tender Logik muss nämlich das Parlament vor allen Din- gen wenigstens die in der Bevölkerung jeweilig und tat- sächlich vorhandenen, auf die Allgemeinheit Bezug neh- menden, geistigen Strömungen, Wünsche, Ideale, Beklem- mungen, Befürchtungen, Sympathien, Antipathien, Welt- anschauungen, ja selbst Utopien und Kindereien, kurz und gut politische Geistesverfassungen und Psychologien jeglicher Art, insofern sie nennenswerte Teile der Volksseele innerlich oder äusserlich bewegen, in zentralisiert kondensierter Ausdrucksweise mindestens zur einfachen Kenntnis der jeweiligen Machthaber und ihrer Regie- rungen bringen. Denn selbst behufs Bekämpfung oder gar behufs gewaltsamer Unterdrückung gewisser oben

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Zitationshilfe: Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alapin_kapitel_1917/6>, abgerufen am 28.03.2024.