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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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damals 13 Jahre alt und ihr Bruder in der zartesten Kindheit. Doch Arbeiten wurden von ihr gefordert, die zu ihrer Kraft und ihrem Alter in keinem Verhältnis standen, aber das hätte sie noch eher ertragen, als die Demütigungen, denen sie ausgesetzt war. Als diese unerträglich wurden, kehrte sie wieder zu der bösen Tante nach Lüttich zurück, aber diese behandelte sie nach wie vor so schlecht, dass Theroigne in die Provinz von Limbourg ging, wo sie ein Jahr hindurch die Kühe hütete. Nach Ablauf dieser Zeit kam sie wieder nach Lüttich, wo sie nähen lernte. Als sie 16 Jahre alt war, machte sie die Bekanntschaft einer englischen Dame, die sie zu sich nahm und sie in jeder Beziehung sehr gut behandelte. Ihr verdankte es auch Theroigne, dass sie in der Musik Unterricht bekam. Als sie 20 Jahre alt war, ging sie mit jener Dame nach England. Dort lernte sie in deren Hause einen jungen, reichen Engländer kennen. Er machte ihr in der ehrbarsten Weise den Hof[,] zeigte ihr bei jeder Gelegenheit, wie lieb und teuer sie ihm sei, auch ihr wurde der junge Mann immer sympathischer, und nach und nach erwachte heftige Liebe in beider Herzen. Die Dame nahm sich Theroignes mütterlich an, sie riet ihr, den Verkehr mit dem reichen Manne aufzugeben, da sie an den Ernst seiner Absichten nicht glaubte, sie ging sogar so weit, dem jungen Mann ihr Haus zu verbieten. Doch er liess von seinen Bewerbungen nicht ab. Eines Abends, als die Dame nicht daheim war, kam der junge Engländer zu Theroigne hinauf und sagte ihr tausend schöne Dinge, er sprach von seiner Liebe und schlug ihr vor, mit ihm davonzugehen und zu heiraten. Theroigne zitterte, sie wollte ihm entfliehen, er aber verfolgte sie und trug sie in seinen Wagen. Zuerst war sie entrüstet und machte ihm viele Vorwürfe, aber der junge Mann erneuerte seine Schwüre, und die Liebe erstickte schliesslich ihre Entrüstung wie auch ihr Bedauern, die Dame verlassen zu haben, der sie zu so grossem Danke verpflichtet war.

Der junge Liebhaber führte Theroigne auf seine Besitzungen

damals 13 Jahre alt und ihr Bruder in der zartesten Kindheit. Doch Arbeiten wurden von ihr gefordert, die zu ihrer Kraft und ihrem Alter in keinem Verhältnis standen, aber das hätte sie noch eher ertragen, als die Demütigungen, denen sie ausgesetzt war. Als diese unerträglich wurden, kehrte sie wieder zu der bösen Tante nach Lüttich zurück, aber diese behandelte sie nach wie vor so schlecht, dass Théroigne in die Provinz von Limbourg ging, wo sie ein Jahr hindurch die Kühe hütete. Nach Ablauf dieser Zeit kam sie wieder nach Lüttich, wo sie nähen lernte. Als sie 16 Jahre alt war, machte sie die Bekanntschaft einer englischen Dame, die sie zu sich nahm und sie in jeder Beziehung sehr gut behandelte. Ihr verdankte es auch Théroigne, dass sie in der Musik Unterricht bekam. Als sie 20 Jahre alt war, ging sie mit jener Dame nach England. Dort lernte sie in deren Hause einen jungen, reichen Engländer kennen. Er machte ihr in der ehrbarsten Weise den Hof[,] zeigte ihr bei jeder Gelegenheit, wie lieb und teuer sie ihm sei, auch ihr wurde der junge Mann immer sympathischer, und nach und nach erwachte heftige Liebe in beider Herzen. Die Dame nahm sich Théroignes mütterlich an, sie riet ihr, den Verkehr mit dem reichen Manne aufzugeben, da sie an den Ernst seiner Absichten nicht glaubte, sie ging sogar so weit, dem jungen Mann ihr Haus zu verbieten. Doch er liess von seinen Bewerbungen nicht ab. Eines Abends, als die Dame nicht daheim war, kam der junge Engländer zu Théroigne hinauf und sagte ihr tausend schöne Dinge, er sprach von seiner Liebe und schlug ihr vor, mit ihm davonzugehen und zu heiraten. Théroigne zitterte, sie wollte ihm entfliehen, er aber verfolgte sie und trug sie in seinen Wagen. Zuerst war sie entrüstet und machte ihm viele Vorwürfe, aber der junge Mann erneuerte seine Schwüre, und die Liebe erstickte schliesslich ihre Entrüstung wie auch ihr Bedauern, die Dame verlassen zu haben, der sie zu so grossem Danke verpflichtet war.

Der junge Liebhaber führte Théroigne auf seine Besitzungen

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damals 13 Jahre alt und ihr Bruder in der zartesten Kindheit. Doch Arbeiten wurden von ihr gefordert, die zu ihrer Kraft und ihrem Alter in keinem Verhältnis standen, aber das hätte sie noch eher ertragen, als die Demütigungen, denen sie ausgesetzt war. Als diese unerträglich wurden, kehrte sie wieder zu der bösen Tante nach Lüttich zurück, aber diese behandelte sie nach wie vor so schlecht, dass Théroigne in die Provinz von Limbourg ging, wo sie ein Jahr hindurch die Kühe hütete. Nach Ablauf dieser Zeit kam sie wieder nach Lüttich, wo sie nähen lernte. Als sie 16 Jahre alt war, machte sie die Bekanntschaft einer englischen Dame, die sie zu sich nahm und sie in jeder Beziehung sehr gut behandelte. Ihr verdankte es auch Théroigne, dass sie in der Musik Unterricht bekam. Als sie 20 Jahre alt war, ging sie mit jener Dame nach England. Dort lernte sie in deren Hause einen jungen, reichen Engländer kennen. Er machte ihr in der ehrbarsten Weise den Hof<supplied>,</supplied> zeigte ihr bei jeder Gelegenheit, wie lieb und teuer sie ihm sei, auch ihr wurde der junge Mann immer sympathischer, und nach und nach erwachte heftige Liebe in beider Herzen. Die Dame nahm sich Théroignes mütterlich an, sie riet ihr, den Verkehr mit dem reichen Manne aufzugeben, da sie an den Ernst seiner Absichten nicht glaubte, sie ging sogar so weit, dem jungen Mann ihr Haus zu verbieten. Doch er liess von seinen Bewerbungen nicht ab. Eines Abends, als die Dame nicht daheim war, kam der junge Engländer zu Théroigne hinauf und sagte ihr tausend schöne Dinge, er sprach von seiner Liebe und schlug ihr vor, mit ihm davonzugehen und zu heiraten. Théroigne zitterte, sie wollte ihm entfliehen, er aber verfolgte sie und trug sie in seinen Wagen. Zuerst war sie entrüstet und machte ihm viele Vorwürfe, aber der junge Mann erneuerte seine Schwüre, und die Liebe erstickte schliesslich ihre Entrüstung wie auch ihr Bedauern, die Dame verlassen zu haben, der sie zu so grossem Danke verpflichtet war.</p>
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[13/0030] damals 13 Jahre alt und ihr Bruder in der zartesten Kindheit. Doch Arbeiten wurden von ihr gefordert, die zu ihrer Kraft und ihrem Alter in keinem Verhältnis standen, aber das hätte sie noch eher ertragen, als die Demütigungen, denen sie ausgesetzt war. Als diese unerträglich wurden, kehrte sie wieder zu der bösen Tante nach Lüttich zurück, aber diese behandelte sie nach wie vor so schlecht, dass Théroigne in die Provinz von Limbourg ging, wo sie ein Jahr hindurch die Kühe hütete. Nach Ablauf dieser Zeit kam sie wieder nach Lüttich, wo sie nähen lernte. Als sie 16 Jahre alt war, machte sie die Bekanntschaft einer englischen Dame, die sie zu sich nahm und sie in jeder Beziehung sehr gut behandelte. Ihr verdankte es auch Théroigne, dass sie in der Musik Unterricht bekam. Als sie 20 Jahre alt war, ging sie mit jener Dame nach England. Dort lernte sie in deren Hause einen jungen, reichen Engländer kennen. Er machte ihr in der ehrbarsten Weise den Hof, zeigte ihr bei jeder Gelegenheit, wie lieb und teuer sie ihm sei, auch ihr wurde der junge Mann immer sympathischer, und nach und nach erwachte heftige Liebe in beider Herzen. Die Dame nahm sich Théroignes mütterlich an, sie riet ihr, den Verkehr mit dem reichen Manne aufzugeben, da sie an den Ernst seiner Absichten nicht glaubte, sie ging sogar so weit, dem jungen Mann ihr Haus zu verbieten. Doch er liess von seinen Bewerbungen nicht ab. Eines Abends, als die Dame nicht daheim war, kam der junge Engländer zu Théroigne hinauf und sagte ihr tausend schöne Dinge, er sprach von seiner Liebe und schlug ihr vor, mit ihm davonzugehen und zu heiraten. Théroigne zitterte, sie wollte ihm entfliehen, er aber verfolgte sie und trug sie in seinen Wagen. Zuerst war sie entrüstet und machte ihm viele Vorwürfe, aber der junge Mann erneuerte seine Schwüre, und die Liebe erstickte schliesslich ihre Entrüstung wie auch ihr Bedauern, die Dame verlassen zu haben, der sie zu so grossem Danke verpflichtet war. Der junge Liebhaber führte Théroigne auf seine Besitzungen

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/30>, abgerufen am 18.04.2024.