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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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Studiums liessen sie die Arbeiten ihres Mannes teilen, als dieser noch ein einfacher Privatmann war; da sie ihn beglücken wollte, so tat sie alles, was ihm Freude bereitete. Sie leugnet nicht, dass ihr manch eine dieser zugewiesenen Arbeiten rechte Langweile verursachte. Als er Minister geworden war, mischte sie sich gar nicht in die Verwaltungsgeschäfte, galt es aber irgend ein Schriftstück zu verfassen, so entwarf sie meist das Nötige nach gründlicher Durchsprechung des Gegenstandes. Madame Roland sagt, dass sie im Punkte der Gerechtigkeit oder der Vernunft nichts hätte tun können, dessen Roland durch seinen Charakter und sein Benehmen nicht auch fähig gewesen wäre, dass er auch ohne sie ein ebenso guter Minister geworden wäre. Sein Fleiss, sein Wissen, seine Rechtlichkeit waren sein eigen; sie meint nur ganz bescheiden, dass er durch ihre Mithilfe mehr Eindruck gemacht habe, weil sie in ihre Schriftstücke jene Mischung von Kraft und Sanftheit, von Autorität und Vernunft und den Reiz der Empfindung hineingelegt habe, der vielleicht nur einer empfindsamen Frau mit gesundem Menschenverstand eigen ist. Sie entwarf im Geheimen die offiziellen Schriftstücke mit Entzücken und fand mehr Freude daran, als wenn man sie als die Verfasserin gekannt hätte. Sie geizte nach Glück, sie fand es in dem Guten, das sie tat, sie bedurfte gar nicht des Ruhmes. Nur eine Rolle in der Welt entsprach ihr, und zwar die Vorsehung zu spielen. Madame Roland sagte, sie erlaube den Böswilligen, dieses Bekenntnis für eine Impertinenz zu erklären, da es einer solchen ähnlich sehen müsse.

Am 10. Juni begab sich Roland in den geheimen Ministerrat des Königs, den Brief in der Tasche, mit der Absicht, ihn laut vor seinen Kollegen zu verlesen und ihn dann in die Hände des Königs zu geben. Man eröffnete die Diskussion über die Sanktion der beiden Beschlüsse, der König unterbrach sie, indem er seinen Ministern sagte, dass jeder von ihnen seine Meinung darüber schriftlich abfassen und in die nächste geheime Ministerratssitzung bringen

Studiums liessen sie die Arbeiten ihres Mannes teilen, als dieser noch ein einfacher Privatmann war; da sie ihn beglücken wollte, so tat sie alles, was ihm Freude bereitete. Sie leugnet nicht, dass ihr manch eine dieser zugewiesenen Arbeiten rechte Langweile verursachte. Als er Minister geworden war, mischte sie sich gar nicht in die Verwaltungsgeschäfte, galt es aber irgend ein Schriftstück zu verfassen, so entwarf sie meist das Nötige nach gründlicher Durchsprechung des Gegenstandes. Madame Roland sagt, dass sie im Punkte der Gerechtigkeit oder der Vernunft nichts hätte tun können, dessen Roland durch seinen Charakter und sein Benehmen nicht auch fähig gewesen wäre, dass er auch ohne sie ein ebenso guter Minister geworden wäre. Sein Fleiss, sein Wissen, seine Rechtlichkeit waren sein eigen; sie meint nur ganz bescheiden, dass er durch ihre Mithilfe mehr Eindruck gemacht habe, weil sie in ihre Schriftstücke jene Mischung von Kraft und Sanftheit, von Autorität und Vernunft und den Reiz der Empfindung hineingelegt habe, der vielleicht nur einer empfindsamen Frau mit gesundem Menschenverstand eigen ist. Sie entwarf im Geheimen die offiziellen Schriftstücke mit Entzücken und fand mehr Freude daran, als wenn man sie als die Verfasserin gekannt hätte. Sie geizte nach Glück, sie fand es in dem Guten, das sie tat, sie bedurfte gar nicht des Ruhmes. Nur eine Rolle in der Welt entsprach ihr, und zwar die Vorsehung zu spielen. Madame Roland sagte, sie erlaube den Böswilligen, dieses Bekenntnis für eine Impertinenz zu erklären, da es einer solchen ähnlich sehen müsse.

Am 10. Juni begab sich Roland in den geheimen Ministerrat des Königs, den Brief in der Tasche, mit der Absicht, ihn laut vor seinen Kollegen zu verlesen und ihn dann in die Hände des Königs zu geben. Man eröffnete die Diskussion über die Sanktion der beiden Beschlüsse, der König unterbrach sie, indem er seinen Ministern sagte, dass jeder von ihnen seine Meinung darüber schriftlich abfassen und in die nächste geheime Ministerratssitzung bringen

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Studiums liessen sie die Arbeiten ihres Mannes teilen, als dieser noch ein einfacher Privatmann war; da sie ihn beglücken wollte, so tat sie alles, was ihm Freude bereitete. Sie leugnet nicht, dass ihr manch eine dieser zugewiesenen Arbeiten rechte Langweile verursachte. Als er Minister geworden war, mischte sie sich gar nicht in die Verwaltungsgeschäfte, galt es aber irgend ein Schriftstück zu verfassen, so entwarf sie meist das Nötige nach gründlicher Durchsprechung des Gegenstandes. Madame Roland sagt, dass sie im Punkte der Gerechtigkeit oder der Vernunft nichts hätte tun können, dessen Roland durch seinen Charakter und sein Benehmen nicht auch fähig gewesen wäre, dass er auch ohne sie ein ebenso guter Minister geworden wäre. Sein Fleiss, sein Wissen, seine Rechtlichkeit waren sein eigen; sie meint nur ganz bescheiden, dass er durch ihre Mithilfe mehr Eindruck gemacht habe, weil sie in ihre Schriftstücke jene Mischung von Kraft und Sanftheit, von Autorität und Vernunft und den Reiz der Empfindung hineingelegt habe, der vielleicht nur einer empfindsamen Frau mit gesundem Menschenverstand eigen ist. Sie entwarf im Geheimen die offiziellen Schriftstücke mit Entzücken und fand mehr Freude daran, als wenn man sie als die Verfasserin gekannt hätte. Sie geizte nach Glück, sie fand es in dem Guten, das sie tat, sie bedurfte gar nicht des Ruhmes. Nur eine Rolle in der Welt entsprach ihr, und zwar die Vorsehung zu spielen. Madame Roland sagte, sie erlaube den Böswilligen, dieses Bekenntnis für eine Impertinenz zu erklären, da es einer solchen ähnlich sehen müsse.</p>
        <p>Am 10. Juni begab sich Roland in den geheimen Ministerrat des Königs, den Brief in der Tasche, mit der Absicht, ihn laut vor seinen Kollegen zu verlesen und ihn dann in die Hände des Königs zu geben. Man eröffnete die Diskussion über die Sanktion der beiden Beschlüsse, der König unterbrach sie, indem er seinen Ministern sagte, dass jeder von ihnen seine Meinung darüber schriftlich abfassen und in die nächste geheime Ministerratssitzung bringen
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[100/0119] Studiums liessen sie die Arbeiten ihres Mannes teilen, als dieser noch ein einfacher Privatmann war; da sie ihn beglücken wollte, so tat sie alles, was ihm Freude bereitete. Sie leugnet nicht, dass ihr manch eine dieser zugewiesenen Arbeiten rechte Langweile verursachte. Als er Minister geworden war, mischte sie sich gar nicht in die Verwaltungsgeschäfte, galt es aber irgend ein Schriftstück zu verfassen, so entwarf sie meist das Nötige nach gründlicher Durchsprechung des Gegenstandes. Madame Roland sagt, dass sie im Punkte der Gerechtigkeit oder der Vernunft nichts hätte tun können, dessen Roland durch seinen Charakter und sein Benehmen nicht auch fähig gewesen wäre, dass er auch ohne sie ein ebenso guter Minister geworden wäre. Sein Fleiss, sein Wissen, seine Rechtlichkeit waren sein eigen; sie meint nur ganz bescheiden, dass er durch ihre Mithilfe mehr Eindruck gemacht habe, weil sie in ihre Schriftstücke jene Mischung von Kraft und Sanftheit, von Autorität und Vernunft und den Reiz der Empfindung hineingelegt habe, der vielleicht nur einer empfindsamen Frau mit gesundem Menschenverstand eigen ist. Sie entwarf im Geheimen die offiziellen Schriftstücke mit Entzücken und fand mehr Freude daran, als wenn man sie als die Verfasserin gekannt hätte. Sie geizte nach Glück, sie fand es in dem Guten, das sie tat, sie bedurfte gar nicht des Ruhmes. Nur eine Rolle in der Welt entsprach ihr, und zwar die Vorsehung zu spielen. Madame Roland sagte, sie erlaube den Böswilligen, dieses Bekenntnis für eine Impertinenz zu erklären, da es einer solchen ähnlich sehen müsse. Am 10. Juni begab sich Roland in den geheimen Ministerrat des Königs, den Brief in der Tasche, mit der Absicht, ihn laut vor seinen Kollegen zu verlesen und ihn dann in die Hände des Königs zu geben. Man eröffnete die Diskussion über die Sanktion der beiden Beschlüsse, der König unterbrach sie, indem er seinen Ministern sagte, dass jeder von ihnen seine Meinung darüber schriftlich abfassen und in die nächste geheime Ministerratssitzung bringen

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/119>, abgerufen am 24.11.2024.