Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Platze erschienen. Aber sie mischte sich gar nicht in die Diskussion, sie sass meist an ihrem Schreibtisch, schrieb Briefe und schien überhaupt mit anderen Dingen beschäftigt zu sein, trotzdem ihr kein Wort verloren ging. Oft überkam sie die Lust, in den Gang der Verhandlungen einzugreifen, aber sie hielt sich zurück, sie fand es unschicklich und wusste, was sie ihrem Geschlechte schuldig war. Bei den geheimen Ministerratssitzungen, wo Ludwig XVI. zugegen war, ging es meist sehr sonderbar zu. Er gab nicht leicht den Beschlüssen die Sanktion, er nahm sie nie bei der ersten Unterbreitung an und verschob die Sanktionierung immer auf die nächste Ministerratssitzung. Dann kam er mit seiner fertigen Ansicht, gab sich aber den Anschein als überlasse er es der Diskussion, sie zu bilden. Bei den Gegenständen hoher Politik umging er oft ihre Prüfung, indem er das Gespräch ablenkte. Sprach man vom Krieg, so redete er von Reisen, sprach man über diplomatische Interessen, so führte er die Sitten der Orte, um die es sich handelte an; oder er erkundigte sich um die landschaftlichen Reize der in Rede stehenden Länder. Sprach man von der Lage des Innern, so legte er auf irgend welche Details der Landwirtschaft oder Industrie Gewicht. Er fragte Roland über dessen Arbeiten, Dumouriez über Anekdoten, und so die übrigen. Der geheime Rat glich einem Kaffeehaus, in dem man sich mit Plaudern die Zeit vertrieb. Es gab kein Protokollbuch der Verhandlungen, noch einen Sekretär, der es führte. Man ging nach drei oder vier Stunden der Sitzung fort, ohne etwas geleistet zu haben, als einige Unterschriften unter die Akten gesetzt zu haben und das war dreimal in der Woche. Madame Roland fand dies jämmerlich. Sie hätte gewünscht, dass Roland die Zeit mit Nachdenken über die grossen Fragen seines Amtes ausfülle, statt sie in unnötigen Plaudereien zu vergeuden. Die Feinde trafen ihre Anordnungen. Man musste den Krieg erklären, ein Entschluss, über den man lebhaft diskutierte und den der König nur mit dem grössten Widerstreben fasste. Er hatte die Entscheidung sehr hinausgeschoben Platze erschienen. Aber sie mischte sich gar nicht in die Diskussion, sie sass meist an ihrem Schreibtisch, schrieb Briefe und schien überhaupt mit anderen Dingen beschäftigt zu sein, trotzdem ihr kein Wort verloren ging. Oft überkam sie die Lust, in den Gang der Verhandlungen einzugreifen, aber sie hielt sich zurück, sie fand es unschicklich und wusste, was sie ihrem Geschlechte schuldig war. Bei den geheimen Ministerratssitzungen, wo Ludwig XVI. zugegen war, ging es meist sehr sonderbar zu. Er gab nicht leicht den Beschlüssen die Sanktion, er nahm sie nie bei der ersten Unterbreitung an und verschob die Sanktionierung immer auf die nächste Ministerratssitzung. Dann kam er mit seiner fertigen Ansicht, gab sich aber den Anschein als überlasse er es der Diskussion, sie zu bilden. Bei den Gegenständen hoher Politik umging er oft ihre Prüfung, indem er das Gespräch ablenkte. Sprach man vom Krieg, so redete er von Reisen, sprach man über diplomatische Interessen, so führte er die Sitten der Orte, um die es sich handelte an; oder er erkundigte sich um die landschaftlichen Reize der in Rede stehenden Länder. Sprach man von der Lage des Innern, so legte er auf irgend welche Details der Landwirtschaft oder Industrie Gewicht. Er fragte Roland über dessen Arbeiten, Dumouriez über Anekdoten, und so die übrigen. Der geheime Rat glich einem Kaffeehaus, in dem man sich mit Plaudern die Zeit vertrieb. Es gab kein Protokollbuch der Verhandlungen, noch einen Sekretär, der es führte. Man ging nach drei oder vier Stunden der Sitzung fort, ohne etwas geleistet zu haben, als einige Unterschriften unter die Akten gesetzt zu haben und das war dreimal in der Woche. Madame Roland fand dies jämmerlich. Sie hätte gewünscht, dass Roland die Zeit mit Nachdenken über die grossen Fragen seines Amtes ausfülle, statt sie in unnötigen Plaudereien zu vergeuden. Die Feinde trafen ihre Anordnungen. Man musste den Krieg erklären, ein Entschluss, über den man lebhaft diskutierte und den der König nur mit dem grössten Widerstreben fasste. Er hatte die Entscheidung sehr hinausgeschoben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="97"/> Platze erschienen. Aber sie mischte sich gar nicht in die Diskussion, sie sass meist an ihrem Schreibtisch, schrieb Briefe und schien überhaupt mit anderen Dingen beschäftigt zu sein, trotzdem ihr kein Wort verloren ging. Oft überkam sie die Lust, in den Gang der Verhandlungen einzugreifen, aber sie hielt sich zurück, sie fand es unschicklich und wusste, was sie ihrem Geschlechte schuldig war.</p> <p>Bei den geheimen Ministerratssitzungen, wo Ludwig XVI. zugegen war, ging es meist sehr sonderbar zu. Er gab nicht leicht den Beschlüssen die Sanktion, er nahm sie nie bei der ersten Unterbreitung an und verschob die Sanktionierung immer auf die nächste Ministerratssitzung. Dann kam er mit seiner fertigen Ansicht, gab sich aber den Anschein als überlasse er es der Diskussion, sie zu bilden. Bei den Gegenständen hoher Politik umging er oft ihre Prüfung, indem er das Gespräch ablenkte. Sprach man vom Krieg, so redete er von Reisen, sprach man über diplomatische Interessen, so führte er die Sitten der Orte, um die es sich handelte an; oder er erkundigte sich um die landschaftlichen Reize der in Rede stehenden Länder. Sprach man von der Lage des Innern, so legte er auf irgend welche Details der Landwirtschaft oder Industrie Gewicht. Er fragte Roland über dessen Arbeiten, Dumouriez über Anekdoten, und so die übrigen. Der geheime Rat glich einem Kaffeehaus, in dem man sich mit Plaudern die Zeit vertrieb. Es gab kein Protokollbuch der Verhandlungen, noch einen Sekretär, der es führte. Man ging nach drei oder vier Stunden der Sitzung fort, ohne etwas geleistet zu haben, als einige Unterschriften unter die Akten gesetzt zu haben und das war dreimal in der Woche. Madame Roland fand dies jämmerlich. Sie hätte gewünscht, dass Roland die Zeit mit Nachdenken über die grossen Fragen seines Amtes ausfülle, statt sie in unnötigen Plaudereien zu vergeuden.</p> <p>Die Feinde trafen ihre Anordnungen. Man musste den Krieg erklären, ein Entschluss, über den man lebhaft diskutierte und den der König nur mit dem grössten Widerstreben fasste. Er hatte die Entscheidung sehr hinausgeschoben </p> </div> </body> </text> </TEI> [97/0116]
Platze erschienen. Aber sie mischte sich gar nicht in die Diskussion, sie sass meist an ihrem Schreibtisch, schrieb Briefe und schien überhaupt mit anderen Dingen beschäftigt zu sein, trotzdem ihr kein Wort verloren ging. Oft überkam sie die Lust, in den Gang der Verhandlungen einzugreifen, aber sie hielt sich zurück, sie fand es unschicklich und wusste, was sie ihrem Geschlechte schuldig war.
Bei den geheimen Ministerratssitzungen, wo Ludwig XVI. zugegen war, ging es meist sehr sonderbar zu. Er gab nicht leicht den Beschlüssen die Sanktion, er nahm sie nie bei der ersten Unterbreitung an und verschob die Sanktionierung immer auf die nächste Ministerratssitzung. Dann kam er mit seiner fertigen Ansicht, gab sich aber den Anschein als überlasse er es der Diskussion, sie zu bilden. Bei den Gegenständen hoher Politik umging er oft ihre Prüfung, indem er das Gespräch ablenkte. Sprach man vom Krieg, so redete er von Reisen, sprach man über diplomatische Interessen, so führte er die Sitten der Orte, um die es sich handelte an; oder er erkundigte sich um die landschaftlichen Reize der in Rede stehenden Länder. Sprach man von der Lage des Innern, so legte er auf irgend welche Details der Landwirtschaft oder Industrie Gewicht. Er fragte Roland über dessen Arbeiten, Dumouriez über Anekdoten, und so die übrigen. Der geheime Rat glich einem Kaffeehaus, in dem man sich mit Plaudern die Zeit vertrieb. Es gab kein Protokollbuch der Verhandlungen, noch einen Sekretär, der es führte. Man ging nach drei oder vier Stunden der Sitzung fort, ohne etwas geleistet zu haben, als einige Unterschriften unter die Akten gesetzt zu haben und das war dreimal in der Woche. Madame Roland fand dies jämmerlich. Sie hätte gewünscht, dass Roland die Zeit mit Nachdenken über die grossen Fragen seines Amtes ausfülle, statt sie in unnötigen Plaudereien zu vergeuden.
Die Feinde trafen ihre Anordnungen. Man musste den Krieg erklären, ein Entschluss, über den man lebhaft diskutierte und den der König nur mit dem grössten Widerstreben fasste. Er hatte die Entscheidung sehr hinausgeschoben
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