Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: "Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!" Dumouriez rief mit komischem Ernst: "Mein Herr, alles ist verloren!" Dieses Wort wurde darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: „Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!“ Dumouriez rief mit komischem Ernst: „Mein Herr, alles ist verloren!“ Dieses Wort wurde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0114" n="95"/> darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: „Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!“ Dumouriez rief mit komischem Ernst: „Mein Herr, alles ist verloren!“ Dieses Wort wurde </p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0114]
darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: „Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!“ Dumouriez rief mit komischem Ernst: „Mein Herr, alles ist verloren!“ Dieses Wort wurde
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