Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adams, George: Versuch über die Electricität. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Capitel.
von negativ elektrifirter Erde an, von welcher die Elek-
tricität der Atmosphäre angezogen wird. Diese kann
aber nicht in die negative Zone gelangen, ohne vorher
die darüber liegende positive zu durchbrechen, und alle
ihr im Wege liegende schlechte Leiter zu zerschmettern.
Man kann also sicher behaupten, daß der Blitz da durch-
schlagen werde, wo die Zone von positiv elektrisirter Er-
de am dünnsten ist, es mag sich nun daselbst ein Leiter
befinden oder nicht. Ist ein Leiter vorhanden, so wird
ihn der Blitz unfehlbar treffen, er sey nun zugespitzt oder
stumpfgeendet: er würde aber an dieser Stelle auch ein
Gebäude ohne Leiter, und wenn kein Gebäude da gewesen
wäre, den Boden selbst getroffen haben. Steht hinge-
gen ein Gebäude mit seinem Ableiter an einer Stelle,
wo die positiv elektrisirte Zone sehr dick ist, so wird we-
der der Ableiter die Elektricität stillschweigend abführen,
noch der Blitz dahin treffen; obgleich derselbe vielleicht
einen weit niedriger liegenden Gegenstand oder wohl gar
den Boden selbst ganz nahe dabey treffen kann; aus der
Ursache, weil daselbst die positiv elektrisirte Zone dünner
ist, als an dem Orte des Ableiters.

Der Satz, daß ein zugespitzter Ableiter eine Ge-
witterwolke ihrer ganzen Elektricität berauben könne,
scheint auf den ersten Blick sehr interessant, ist aber,
wenn man ihn genau betrachtet, lächerlich. Unzähliche
Gegenstände auf der Erdfläche ziehen die Elektrici-
tät eben so wohl an, als der Ableiter, wenn sie sich an-
ders aus der Wolke ziehen ließe; es ist aber unmöglich,
dieses zu bewirken, weil alle diese Gegenstände einerley
Elektricität mit den Wolken selbst haben.


Ueberdies hat Beccaria beobachtet, daß während
des Fortgangs und Zunehmens der Gewitter, wenn
auch der Blitz noch so häufig in die Erde schlägt, den-
noch die Wolke den Augenblick darauf wieder bereit sey,
eine noch größere Explosion zu machen, und daß sein

Neuntes Capitel.
von negativ elektrifirter Erde an, von welcher die Elek-
tricität der Atmoſphäre angezogen wird. Dieſe kann
aber nicht in die negative Zone gelangen, ohne vorher
die darüber liegende poſitive zu durchbrechen, und alle
ihr im Wege liegende ſchlechte Leiter zu zerſchmettern.
Man kann alſo ſicher behaupten, daß der Blitz da durch-
ſchlagen werde, wo die Zone von poſitiv elektriſirter Er-
de am dünnſten iſt, es mag ſich nun daſelbſt ein Leiter
befinden oder nicht. Iſt ein Leiter vorhanden, ſo wird
ihn der Blitz unfehlbar treffen, er ſey nun zugeſpitzt oder
ſtumpfgeendet: er würde aber an dieſer Stelle auch ein
Gebäude ohne Leiter, und wenn kein Gebäude da geweſen
wäre, den Boden ſelbſt getroffen haben. Steht hinge-
gen ein Gebäude mit ſeinem Ableiter an einer Stelle,
wo die poſitiv elektriſirte Zone ſehr dick iſt, ſo wird we-
der der Ableiter die Elektricität ſtillſchweigend abführen,
noch der Blitz dahin treffen; obgleich derſelbe vielleicht
einen weit niedriger liegenden Gegenſtand oder wohl gar
den Boden ſelbſt ganz nahe dabey treffen kann; aus der
Urſache, weil daſelbſt die poſitiv elektriſirte Zone dünner
iſt, als an dem Orte des Ableiters.

Der Satz, daß ein zugeſpitzter Ableiter eine Ge-
witterwolke ihrer ganzen Elektricität berauben könne,
ſcheint auf den erſten Blick ſehr intereſſant, iſt aber,
wenn man ihn genau betrachtet, lächerlich. Unzähliche
Gegenſtände auf der Erdfläche ziehen die Elektrici-
tät eben ſo wohl an, als der Ableiter, wenn ſie ſich an-
ders aus der Wolke ziehen ließe; es iſt aber unmöglich,
dieſes zu bewirken, weil alle dieſe Gegenſtände einerley
Elektricität mit den Wolken ſelbſt haben.


Ueberdies hat Beccaria beobachtet, daß während
des Fortgangs und Zunehmens der Gewitter, wenn
auch der Blitz noch ſo häufig in die Erde ſchlägt, den-
noch die Wolke den Augenblick darauf wieder bereit ſey,
eine noch größere Exploſion zu machen, und daß ſein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <quote><pb facs="#f0136" n="116"/><fw type="header" place="top">Neuntes Capitel.</fw> von negativ elektrifirter Erde an, von welcher die Elek-<lb/>
tricität der Atmo&#x017F;phäre angezogen wird. Die&#x017F;e kann<lb/>
aber nicht in die negative Zone gelangen, ohne vorher<lb/>
die darüber liegende po&#x017F;itive zu durchbrechen, und alle<lb/>
ihr im Wege liegende &#x017F;chlechte Leiter zu zer&#x017F;chmettern.<lb/>
Man kann al&#x017F;o &#x017F;icher behaupten, daß der Blitz da durch-<lb/>
&#x017F;chlagen werde, wo die Zone von po&#x017F;itiv elektri&#x017F;irter Er-<lb/>
de am dünn&#x017F;ten i&#x017F;t, es mag &#x017F;ich nun da&#x017F;elb&#x017F;t ein Leiter<lb/>
befinden oder nicht. I&#x017F;t ein Leiter vorhanden, &#x017F;o wird<lb/>
ihn der Blitz unfehlbar treffen, er &#x017F;ey nun zuge&#x017F;pitzt oder<lb/>
&#x017F;tumpfgeendet: er würde aber an die&#x017F;er Stelle auch ein<lb/>
Gebäude ohne Leiter, und wenn kein Gebäude da gewe&#x017F;en<lb/>
wäre, den Boden &#x017F;elb&#x017F;t getroffen haben. Steht hinge-<lb/>
gen ein Gebäude mit &#x017F;einem Ableiter an einer Stelle,<lb/>
wo die po&#x017F;itiv elektri&#x017F;irte Zone &#x017F;ehr dick i&#x017F;t, &#x017F;o wird we-<lb/>
der der Ableiter die Elektricität &#x017F;till&#x017F;chweigend abführen,<lb/>
noch der Blitz dahin treffen; obgleich der&#x017F;elbe vielleicht<lb/>
einen weit niedriger liegenden Gegen&#x017F;tand oder wohl gar<lb/>
den Boden &#x017F;elb&#x017F;t ganz nahe dabey treffen kann; aus der<lb/>
Ur&#x017F;ache, weil da&#x017F;elb&#x017F;t die po&#x017F;itiv elektri&#x017F;irte Zone dünner<lb/>
i&#x017F;t, als an dem Orte des Ableiters.</quote>
            </p><lb/>
            <p>
              <quote>Der Satz, daß ein zuge&#x017F;pitzter Ableiter eine Ge-<lb/>
witterwolke ihrer ganzen Elektricität berauben könne,<lb/>
&#x017F;cheint auf den er&#x017F;ten Blick &#x017F;ehr intere&#x017F;&#x017F;ant, i&#x017F;t aber,<lb/>
wenn man ihn genau betrachtet, lächerlich. Unzähliche<lb/>
Gegen&#x017F;tände auf der Erdfläche ziehen die Elektrici-<lb/>
tät eben &#x017F;o wohl an, als der Ableiter, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich an-<lb/>
ders aus der Wolke ziehen ließe; es i&#x017F;t aber unmöglich,<lb/>
die&#x017F;es zu bewirken, weil alle die&#x017F;e Gegen&#x017F;tände einerley<lb/>
Elektricität mit den Wolken &#x017F;elb&#x017F;t haben.</quote>
            </p><lb/>
            <p>
              <quote><lb/>
Ueberdies hat Beccaria beobachtet, daß während<lb/>
des Fortgangs und Zunehmens der Gewitter, wenn<lb/>
auch der Blitz noch &#x017F;o häufig in die Erde &#x017F;chlägt, den-<lb/>
noch die Wolke den Augenblick darauf wieder bereit &#x017F;ey,<lb/>
eine noch größere Explo&#x017F;ion zu machen, und daß &#x017F;ein
</quote>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0136] Neuntes Capitel. von negativ elektrifirter Erde an, von welcher die Elek- tricität der Atmoſphäre angezogen wird. Dieſe kann aber nicht in die negative Zone gelangen, ohne vorher die darüber liegende poſitive zu durchbrechen, und alle ihr im Wege liegende ſchlechte Leiter zu zerſchmettern. Man kann alſo ſicher behaupten, daß der Blitz da durch- ſchlagen werde, wo die Zone von poſitiv elektriſirter Er- de am dünnſten iſt, es mag ſich nun daſelbſt ein Leiter befinden oder nicht. Iſt ein Leiter vorhanden, ſo wird ihn der Blitz unfehlbar treffen, er ſey nun zugeſpitzt oder ſtumpfgeendet: er würde aber an dieſer Stelle auch ein Gebäude ohne Leiter, und wenn kein Gebäude da geweſen wäre, den Boden ſelbſt getroffen haben. Steht hinge- gen ein Gebäude mit ſeinem Ableiter an einer Stelle, wo die poſitiv elektriſirte Zone ſehr dick iſt, ſo wird we- der der Ableiter die Elektricität ſtillſchweigend abführen, noch der Blitz dahin treffen; obgleich derſelbe vielleicht einen weit niedriger liegenden Gegenſtand oder wohl gar den Boden ſelbſt ganz nahe dabey treffen kann; aus der Urſache, weil daſelbſt die poſitiv elektriſirte Zone dünner iſt, als an dem Orte des Ableiters. Der Satz, daß ein zugeſpitzter Ableiter eine Ge- witterwolke ihrer ganzen Elektricität berauben könne, ſcheint auf den erſten Blick ſehr intereſſant, iſt aber, wenn man ihn genau betrachtet, lächerlich. Unzähliche Gegenſtände auf der Erdfläche ziehen die Elektrici- tät eben ſo wohl an, als der Ableiter, wenn ſie ſich an- ders aus der Wolke ziehen ließe; es iſt aber unmöglich, dieſes zu bewirken, weil alle dieſe Gegenſtände einerley Elektricität mit den Wolken ſelbſt haben. Ueberdies hat Beccaria beobachtet, daß während des Fortgangs und Zunehmens der Gewitter, wenn auch der Blitz noch ſo häufig in die Erde ſchlägt, den- noch die Wolke den Augenblick darauf wieder bereit ſey, eine noch größere Exploſion zu machen, und daß ſein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-18T11:17:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Elena Kirillova: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-06-18T11:17:52Z)
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-18T11:17:52Z)

Weitere Informationen:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet
  • Kustoden: nicht übernommen
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adams_elektricitaet_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adams_elektricitaet_1785/136
Zitationshilfe: Adams, George: Versuch über die Electricität. Leipzig, 1785, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adams_elektricitaet_1785/136>, abgerufen am 23.11.2024.