Abelin, Johann Philipp: Theatrum Europaeum, Oder Außführliche/ und Wahrhaftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten. Frankfurt (Main), 1635.Landkindern / eins theils auß Forcht der Waffen / theils auch / weiln die Rhaetische Papisten grosse Promessen geschehen / in ein schmähliche Capitulation eingelassen / in denen sie sich nicht allein jhrer Erbländern vnnd Vereydeten Mitpatrioten entziehen / sondern auch der vbermühtigen Spanischen Nation / zu stabilirung der langgetraumbten Monarchey / den Paß auff Teutschland ewiglich verlobt vnnd versprochen. Vnter dessen hat man die armen Landleute disarmirt, Blockhäusser gebawet / sie jhrer Herrschafften / Land vnd Leuten / in Teutschen vnd Welschen Landen / welche sie sampt den andern zweyen Pündten mit einander biß dahin löblich besessen / sampt allen deren Orten habenden Einkommens de facto beraubet: Das Exercitium Evangelischer Religion auffgehoben / vnd hingegen die Vbung der Papistischen eingeführet: Die Evangelische Bücher verbr ennet / theils Praedicanten gefangen / theils verjagt / also daß in kurtz darauff erfolgenden Tagen fünff vnd siebenzig Evangelische Kirchen reformiret / vnnd auff mancherley weise das arme Landvolck mit vnerhörter Tyranney / vnd grossem Muthwillen geplagt worden. Nach auffgerichter Capitulation seynd gantz Schnurstracks dem Innhalt derselben zuwider / nicht allein die Gemeinden jhrem Versprechen nach / deß frembden Kriegsvolcks nicht entlediget / die Graffschafft Cleven eingeräumbt / die freye Vbung der Religion nicht erstattet / die genommene Waffen nicht restituirt / sondern dieselbigen auch noch vber das hinweg in das Oesterreichische Landt geführet worden. Es seynd auch darauff die Burgunder / den dritten Novembris / Anno Sechszehenhundert ein vnd zwantzig / gezwungen worden / daß sie mit Hand vnd Siegel verheissen / hinfüro mit denen deß Vntern Engadins vnnd Prettigäwern einige Verträwlichkeit oder Correspondentz nicht zu haben / denselben die geringste Hülffe / Beystandt vnd Vnderschleiff nicht zu geben / sondern vielmehr sie verfolgen / vnd zur gebürenden rechtmässigen Straff zu bringen. In dem Zehen Gerichten Pundt hat man den armen wehrlosen Innwohnern gar an die Gurgeln gegriffen / in deme man die acht Gerichte dahin gezwungen / daß sie geschworen / hinfüro vnnd zu ewigen Zeiten wider Entzhertzog Leopolden vnd allgemeines Hauß Oesterreich nimmermehr zu handeln / sich einig anderer Pündtnuß auff keine weise theilhafftig machen / vnd als Erbgehuldigte / vnnd natürliche geschworne Vnderthanen / trew / gehorsamb vnd gewärtig zu seyn / auch allem dem / so man jhnen aufflegen vnd befehlen werde / gehorsamblich nachzukommen / etc. Vnd ist solches geschehen im Monat Novembris / im Jahr Christi Sechszehen hundert ein vnd zwantzig. Diß alles haben die guten Leute müssen eingehen / oder jämmerlichen durch die Kriegsgurgeln mit Weib vnd Kind zerhackt vnd zerfleischet werden. Vnd wiewol Jhre Hochfürstlich Durchleucht. Ertzhertzog Leopoldus jhre Personen / Weiber vnd Kinder / Haab vnnd Güter / in dero gnadigsten Schutz auffgenommen / vnnd sie nach aller Möglichkeit zu schützen durch einen Reverß versprachen: So ist doch allererst die vnerhörteste Tyranney an den armen wehrlosen vnnd vnterdruckten Tyranney der Leopoldischen in den Pündten. Leuten verübet worden: In deme die Landsknechte die arme Bawern von einem Orth an das andere / gleich den Pferden geritten / mit vnerträglichen Lasten gleich den Eseln beladen: vnnd sie auß Mangel Leibskräfften nicht fortkommen können / mit den Füssen vnd Sporen gestochen / auch mit Prügeln grewlicher weise auff dieselbe geschlagen: Vnd welches einen Stein hette erbarmen mögen / noch darzu jungen vnnd alten Leuten das Brodt vor dem Maul abgeschnitten: dahero ein grosse Anzahl Volcks Hungers gestorben: die Eltern in der Kinder / die Kinder in der Eltern Arme / die vnmündige Kinder in der Mutter Schoß elendiglichen gar verschmachten vnd verderben müssen. Welche aber diesen elenden Jammer vnd grosse Hungersnoth weder an sich / noch an jhren armen Kindern sehen mögen / die haben zu vngewöhnlichen Speisen gegriffen / Hew vnd Graß in Milch vnd Wasser gesotten / vnnd sich dieser Viehischen Nahrung / gleich den vnvernünfftigen Thieren / in vier Wochen lang mit grossem Seufftzen beholffen. Da hergegen die Soldaten den Reichen Leuten jhr Viehe / den armen Witwen vnd hinderlassen Waißlein jhr einige Auffenthalt / etwa eine Kuhe oder Geyse: allen aber das Brodt genommen / das Viehe geschlachtet / vnd in allem Muthwillen / vor Angesicht der hungerigen Leuten / alles verzehret vnd verprasset. Darbey ist es aber nicht verblieben / sie die Soldaten haben Herrn Martin Michel / Land Amman im Schierser Gericht / wie auch Christen Winckler / genandt Wecker / auß dem Dorff auffs Feldt gezogen / daselbsten oben am Leib entblöset / jhnen die Häupter ohne einigen Proceß abschlagen wöllen / vnd das allein darumb / weiln der eine auß Befelch seiner Gemeinde in Wormbs gezogen: der ander aber wegen seines langen schwartzen Haars einem Soldaten gleich gesehen. Vnd als Land-Amman Michel zum ersten herhalten sollen / hat er vmb Gottes Willen gebeten / man wölle jhn nicht vbereylen / sondern zuvor sein Gebett zu Gott verrichten lassen / vnd nachdem man jhme solches vergönnet / hat er mit lauter Stimm das Gebett deß HERRN / oder heilige Vatter Vnser / angefangen zu betten: in deme er die dritte Bitt / Dein Will geschehe auff Erden wie im Himmel / gesprochen / sagt der Kriegsgurgeln einer: Gottes Will soll nicht geschehen / sondern vnser Will. Aber Gott hat es gefügt / daß der Landvogt auff Castels ist darzu kommen / vnnd die Soldaten mit starcken Dröw Worten zurück gehalten / endlichen bey dem Obristen Balderon / doch gar schwerlich / die Ehrlichen Leute außgebetten. Es haben auch die Kriegsgurgeln ein new vnd vnerhörte Geldschinderey (davon weder Iustinianus, noch auch andere Rechtsgelehrten niemalen nichts geschrieben) practicirt / in deme sie die Woll>- Landkindern / eins theils auß Forcht der Waffen / theils auch / weiln die Rhaetische Papisten grosse Promessen geschehen / in ein schmähliche Capitulation eingelassen / in denen sie sich nicht allein jhrer Erbländern vnnd Vereydeten Mitpatrioten entziehen / sondern auch der vbermühtigen Spanischen Nation / zu stabilirung der langgetraumbten Monarchey / den Paß auff Teutschland ewiglich verlobt vnnd versprochen. Vnter dessen hat man die armen Landleute disarmirt, Blockhäusser gebawet / sie jhrer Herrschafften / Land vnd Leuten / in Teutschen vnd Welschen Landen / welche sie sampt den andern zweyen Pündten mit einander biß dahin löblich besessen / sampt allen deren Orten habenden Einkommens de facto beraubet: Das Exercitium Evangelischer Religion auffgehoben / vnd hingegen die Vbung der Papistischẽ eingeführet: Die Evangelische Bücher verbr ennet / theils Praedicanten gefangen / theils verjagt / also daß in kurtz darauff erfolgenden Tagen fünff vnd siebenzig Evangelische Kirchen reformiret / vnnd auff mancherley weise das arme Landvolck mit vnerhörter Tyranney / vnd grossem Muthwillen geplagt worden. Nach auffgerichter Capitulation seynd gantz Schnurstracks dem Innhalt derselben zuwider / nicht allein die Gemeinden jhrem Versprechen nach / deß frembden Kriegsvolcks nicht entlediget / die Graffschafft Cleven eingeräumbt / die freye Vbung der Religion nicht erstattet / die genommene Waffen nicht restituirt / sondern dieselbigen auch noch vber das hinweg in das Oesterreichische Landt geführet worden. Es seynd auch darauff die Burgunder / den dritten Novembris / Anno Sechszehenhundert ein vnd zwantzig / gezwungen worden / daß sie mit Hand vnd Siegel verheissen / hinfüro mit denen deß Vntern Engadins vnnd Prettigäwern einige Verträwlichkeit oder Correspondentz nicht zu haben / denselben die geringste Hülffe / Beystandt vnd Vnderschleiff nicht zu geben / sondern vielmehr sie verfolgen / vnd zur gebürenden rechtmässigen Straff zu bringen. In dem Zehen Gerichten Pundt hat man den armen wehrlosen Innwohnern gar an die Gurgeln gegriffen / in deme man die acht Gerichte dahin gezwungen / daß sie geschworen / hinfüro vnnd zu ewigen Zeiten wider Entzhertzog Leopolden vnd allgemeines Hauß Oesterreich nimmermehr zu handeln / sich einig anderer Pündtnuß auff keine weise theilhafftig machen / vnd als Erbgehuldigte / vnnd natürliche geschworne Vnderthanen / trew / gehorsamb vnd gewärtig zu seyn / auch allem dem / so man jhnen aufflegẽ vnd befehlen werde / gehorsamblich nachzukommen / etc. Vnd ist solches geschehen im Monat Novembris / im Jahr Christi Sechszehen hundert ein vnd zwantzig. Diß alles haben die guten Leute müssen eingehen / oder jämmerlichen durch die Kriegsgurgeln mit Weib vnd Kind zerhackt vnd zerfleischet werden. Vnd wiewol Jhre Hochfürstlich Durchleucht. Ertzhertzog Leopoldus jhre Personen / Weiber vnd Kinder / Haab vnnd Güter / in dero gnadigsten Schutz auffgenommen / vnnd sie nach aller Möglichkeit zu schützen durch einen Reverß versprachen: So ist doch allererst die vnerhörteste Tyranney an den armen wehrlosen vnnd vnterdruckten Tyranney der Leopoldischẽ in den Pündten. Leuten verübet worden: In deme die Landsknechte die arme Bawern von einem Orth an das andere / gleich den Pferden geritten / mit vnerträglichen Lasten gleich den Eseln beladen: vnnd sie auß Mangel Leibskräfften nicht fortkommen können / mit den Füssen vnd Sporen gestochen / auch mit Prügeln grewlicher weise auff dieselbe geschlagẽ: Vnd welches einen Stein hette erbarmẽ mögen / noch darzu jungen vnnd alten Leuten das Brodt vor dem Maul abgeschnitten: dahero ein grosse Anzahl Volcks Hungers gestorben: die Eltern in der Kinder / die Kinder in der Eltern Arme / die vnmündige Kinder in der Mutter Schoß elendiglichen gar verschmachten vnd verderben müssen. Welche aber diesen elenden Jammer vnd grosse Hungersnoth weder an sich / noch an jhren armen Kindern sehen mögen / die haben zu vngewöhnlichen Speisen gegriffen / Hew vnd Graß in Milch vnd Wasser gesotten / vnnd sich dieser Viehischen Nahrung / gleich den vnvernünfftigen Thieren / in vier Wochen lang mit grossem Seufftzen beholffen. Da hergegen die Soldaten den Reichen Leuten jhr Viehe / den armen Witwen vnd hinderlassen Waißlein jhr einige Auffenthalt / etwa eine Kuhe oder Geyse: allen aber das Brodt genommen / das Viehe geschlachtet / vnd in allem Muthwillen / vor Angesicht der hungerigen Leuten / alles verzehret vnd verprasset. Darbey ist es aber nicht verblieben / sie die Soldaten haben Herrn Martin Michel / Land Amman im Schierser Gericht / wie auch Christen Winckler / genandt Wecker / auß dem Dorff auffs Feldt gezogen / daselbsten oben am Leib entblöset / jhnen die Häupter ohne einigen Proceß abschlagen wöllen / vnd das allein darumb / weiln der eine auß Befelch seiner Gemeinde in Wormbs gezogen: der ander aber wegen seines langen schwartzen Haars einem Soldaten gleich gesehen. Vnd als Land-Amman Michel zum ersten herhalten sollen / hat er vmb Gottes Willen gebeten / man wölle jhn nicht vbereylen / sondern zuvor sein Gebett zu Gott verrichten lassen / vnd nachdem man jhme solches vergönnet / hat er mit lauter Stimm das Gebett deß HERRN / oder heilige Vatter Vnser / angefangẽ zu betten: in deme er die dritte Bitt / Dein Will geschehe auff Erden wie im Himmel / gesprochen / sagt der Kriegsgurgeln einer: Gottes Will soll nicht geschehen / sondern vnser Will. Aber Gott hat es gefügt / daß der Landvogt auff Castels ist darzu kommen / vnnd die Soldaten mit starcken Dröw Worten zurück gehalten / endlichẽ bey dem Obristen Balderon / doch gar schwerlich / die Ehrlichen Leute außgebetten. Es haben auch die Kriegsgurgeln ein new vnd vnerhörte Geldschinderey (davon weder Iustinianus, noch auch andere Rechtsgelehrten niemalen nichts geschrieben) practicirt / in deme sie die Woll>- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0723" n="644"/> Landkindern / eins theils auß Forcht der Waffen / theils auch / weiln die Rhaetische Papisten grosse Promessen geschehen / in ein schmähliche Capitulation eingelassen / in denen sie sich nicht allein jhrer Erbländern vnnd Vereydeten Mitpatrioten entziehen / sondern auch der vbermühtigen Spanischen Nation / zu stabilirung der langgetraumbten Monarchey / den Paß auff Teutschland ewiglich verlobt vnnd versprochen. Vnter dessen hat man die armen Landleute disarmirt, Blockhäusser gebawet / sie jhrer Herrschafften / Land vnd Leuten / in Teutschen vnd Welschen Landen / welche sie sampt den andern zweyen Pündten mit einander biß dahin löblich besessen / sampt allen deren Orten habenden Einkommens de facto beraubet: Das Exercitium Evangelischer Religion auffgehoben / vnd hingegen die Vbung der Papistischẽ eingeführet: Die Evangelische Bücher verbr ennet / theils Praedicanten gefangen / theils verjagt / also daß in kurtz darauff erfolgenden Tagen fünff vnd siebenzig Evangelische Kirchen reformiret / vnnd auff mancherley weise das arme Landvolck mit vnerhörter Tyranney / vnd grossem Muthwillen geplagt worden.</p> <p>Nach auffgerichter Capitulation seynd gantz Schnurstracks dem Innhalt derselben zuwider / nicht allein die Gemeinden jhrem Versprechen nach / deß frembden Kriegsvolcks nicht entlediget / die Graffschafft Cleven eingeräumbt / die freye Vbung der Religion nicht erstattet / die genommene Waffen nicht restituirt / sondern dieselbigen auch noch vber das hinweg in das Oesterreichische Landt geführet worden. Es seynd auch darauff die Burgunder / den dritten Novembris / Anno Sechszehenhundert ein vnd zwantzig / gezwungen worden / daß sie mit Hand vnd Siegel verheissen / hinfüro mit denen deß Vntern Engadins vnnd Prettigäwern einige Verträwlichkeit oder Correspondentz nicht zu haben / denselben die geringste Hülffe / Beystandt vnd Vnderschleiff nicht zu geben / sondern vielmehr sie verfolgen / vnd zur gebürenden rechtmässigen Straff zu bringen.</p> <p>In dem Zehen Gerichten Pundt hat man den armen wehrlosen Innwohnern gar an die Gurgeln gegriffen / in deme man die acht Gerichte dahin gezwungen / daß sie geschworen / hinfüro vnnd zu ewigen Zeiten wider Entzhertzog Leopolden vnd allgemeines Hauß Oesterreich nimmermehr zu handeln / sich einig anderer Pündtnuß auff keine weise theilhafftig machen / vnd als Erbgehuldigte / vnnd natürliche geschworne Vnderthanen / trew / gehorsamb vnd gewärtig zu seyn / auch allem dem / so man jhnen aufflegẽ vnd befehlen werde / gehorsamblich nachzukommen / etc. Vnd ist solches geschehen im Monat Novembris / im Jahr Christi Sechszehen hundert ein vnd zwantzig.</p> <p>Diß alles haben die guten Leute müssen eingehen / oder jämmerlichen durch die Kriegsgurgeln mit Weib vnd Kind zerhackt vnd zerfleischet werden.</p> <p>Vnd wiewol Jhre Hochfürstlich Durchleucht. Ertzhertzog Leopoldus jhre Personen / Weiber vnd Kinder / Haab vnnd Güter / in dero gnadigsten Schutz auffgenommen / vnnd sie nach aller Möglichkeit zu schützen durch einen Reverß versprachen: So ist doch allererst die vnerhörteste Tyranney an den armen wehrlosen vnnd vnterdruckten <note place="right">Tyranney der Leopoldischẽ in den Pündten.</note> Leuten verübet worden: In deme die Landsknechte die arme Bawern von einem Orth an das andere / gleich den Pferden geritten / mit vnerträglichen Lasten gleich den Eseln beladen: vnnd sie auß Mangel Leibskräfften nicht fortkommen können / mit den Füssen vnd Sporen gestochen / auch mit Prügeln grewlicher weise auff dieselbe geschlagẽ: Vnd welches einen Stein hette erbarmẽ mögen / noch darzu jungen vnnd alten Leuten das Brodt vor dem Maul abgeschnitten: dahero ein grosse Anzahl Volcks Hungers gestorben: die Eltern in der Kinder / die Kinder in der Eltern Arme / die vnmündige Kinder in der Mutter Schoß elendiglichen gar verschmachten vnd verderben müssen. Welche aber diesen elenden Jammer vnd grosse Hungersnoth weder an sich / noch an jhren armen Kindern sehen mögen / die haben zu vngewöhnlichen Speisen gegriffen / Hew vnd Graß in Milch vnd Wasser gesotten / vnnd sich dieser Viehischen Nahrung / gleich den vnvernünfftigen Thieren / in vier Wochen lang mit grossem Seufftzen beholffen. Da hergegen die Soldaten den Reichen Leuten jhr Viehe / den armen Witwen vnd hinderlassen Waißlein jhr einige Auffenthalt / etwa eine Kuhe oder Geyse: allen aber das Brodt genommen / das Viehe geschlachtet / vnd in allem Muthwillen / vor Angesicht der hungerigen Leuten / alles verzehret vnd verprasset.</p> <p>Darbey ist es aber nicht verblieben / sie die Soldaten haben Herrn Martin Michel / Land Amman im Schierser Gericht / wie auch Christen Winckler / genandt Wecker / auß dem Dorff auffs Feldt gezogen / daselbsten oben am Leib entblöset / jhnen die Häupter ohne einigen Proceß abschlagen wöllen / vnd das allein darumb / weiln der eine auß Befelch seiner Gemeinde in Wormbs gezogen: der ander aber wegen seines langen schwartzen Haars einem Soldaten gleich gesehen. Vnd als Land-Amman Michel zum ersten herhalten sollen / hat er vmb Gottes Willen gebeten / man wölle jhn nicht vbereylen / sondern zuvor sein Gebett zu Gott verrichten lassen / vnd nachdem man jhme solches vergönnet / hat er mit lauter Stimm das Gebett deß HERRN / oder heilige Vatter Vnser / angefangẽ zu betten: in deme er die dritte Bitt / Dein Will geschehe auff Erden wie im Himmel / gesprochen / sagt der Kriegsgurgeln einer: Gottes Will soll nicht geschehen / sondern vnser Will. Aber Gott hat es gefügt / daß der Landvogt auff Castels ist darzu kommen / vnnd die Soldaten mit starcken Dröw Worten zurück gehalten / endlichẽ bey dem Obristen Balderon / doch gar schwerlich / die Ehrlichen Leute außgebetten.</p> <p>Es haben auch die Kriegsgurgeln ein new vnd vnerhörte Geldschinderey (davon weder Iustinianus, noch auch andere Rechtsgelehrten niemalen nichts geschrieben) practicirt / in deme sie die Woll>- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [644/0723]
Landkindern / eins theils auß Forcht der Waffen / theils auch / weiln die Rhaetische Papisten grosse Promessen geschehen / in ein schmähliche Capitulation eingelassen / in denen sie sich nicht allein jhrer Erbländern vnnd Vereydeten Mitpatrioten entziehen / sondern auch der vbermühtigen Spanischen Nation / zu stabilirung der langgetraumbten Monarchey / den Paß auff Teutschland ewiglich verlobt vnnd versprochen. Vnter dessen hat man die armen Landleute disarmirt, Blockhäusser gebawet / sie jhrer Herrschafften / Land vnd Leuten / in Teutschen vnd Welschen Landen / welche sie sampt den andern zweyen Pündten mit einander biß dahin löblich besessen / sampt allen deren Orten habenden Einkommens de facto beraubet: Das Exercitium Evangelischer Religion auffgehoben / vnd hingegen die Vbung der Papistischẽ eingeführet: Die Evangelische Bücher verbr ennet / theils Praedicanten gefangen / theils verjagt / also daß in kurtz darauff erfolgenden Tagen fünff vnd siebenzig Evangelische Kirchen reformiret / vnnd auff mancherley weise das arme Landvolck mit vnerhörter Tyranney / vnd grossem Muthwillen geplagt worden.
Nach auffgerichter Capitulation seynd gantz Schnurstracks dem Innhalt derselben zuwider / nicht allein die Gemeinden jhrem Versprechen nach / deß frembden Kriegsvolcks nicht entlediget / die Graffschafft Cleven eingeräumbt / die freye Vbung der Religion nicht erstattet / die genommene Waffen nicht restituirt / sondern dieselbigen auch noch vber das hinweg in das Oesterreichische Landt geführet worden. Es seynd auch darauff die Burgunder / den dritten Novembris / Anno Sechszehenhundert ein vnd zwantzig / gezwungen worden / daß sie mit Hand vnd Siegel verheissen / hinfüro mit denen deß Vntern Engadins vnnd Prettigäwern einige Verträwlichkeit oder Correspondentz nicht zu haben / denselben die geringste Hülffe / Beystandt vnd Vnderschleiff nicht zu geben / sondern vielmehr sie verfolgen / vnd zur gebürenden rechtmässigen Straff zu bringen.
In dem Zehen Gerichten Pundt hat man den armen wehrlosen Innwohnern gar an die Gurgeln gegriffen / in deme man die acht Gerichte dahin gezwungen / daß sie geschworen / hinfüro vnnd zu ewigen Zeiten wider Entzhertzog Leopolden vnd allgemeines Hauß Oesterreich nimmermehr zu handeln / sich einig anderer Pündtnuß auff keine weise theilhafftig machen / vnd als Erbgehuldigte / vnnd natürliche geschworne Vnderthanen / trew / gehorsamb vnd gewärtig zu seyn / auch allem dem / so man jhnen aufflegẽ vnd befehlen werde / gehorsamblich nachzukommen / etc. Vnd ist solches geschehen im Monat Novembris / im Jahr Christi Sechszehen hundert ein vnd zwantzig.
Diß alles haben die guten Leute müssen eingehen / oder jämmerlichen durch die Kriegsgurgeln mit Weib vnd Kind zerhackt vnd zerfleischet werden.
Vnd wiewol Jhre Hochfürstlich Durchleucht. Ertzhertzog Leopoldus jhre Personen / Weiber vnd Kinder / Haab vnnd Güter / in dero gnadigsten Schutz auffgenommen / vnnd sie nach aller Möglichkeit zu schützen durch einen Reverß versprachen: So ist doch allererst die vnerhörteste Tyranney an den armen wehrlosen vnnd vnterdruckten Leuten verübet worden: In deme die Landsknechte die arme Bawern von einem Orth an das andere / gleich den Pferden geritten / mit vnerträglichen Lasten gleich den Eseln beladen: vnnd sie auß Mangel Leibskräfften nicht fortkommen können / mit den Füssen vnd Sporen gestochen / auch mit Prügeln grewlicher weise auff dieselbe geschlagẽ: Vnd welches einen Stein hette erbarmẽ mögen / noch darzu jungen vnnd alten Leuten das Brodt vor dem Maul abgeschnitten: dahero ein grosse Anzahl Volcks Hungers gestorben: die Eltern in der Kinder / die Kinder in der Eltern Arme / die vnmündige Kinder in der Mutter Schoß elendiglichen gar verschmachten vnd verderben müssen. Welche aber diesen elenden Jammer vnd grosse Hungersnoth weder an sich / noch an jhren armen Kindern sehen mögen / die haben zu vngewöhnlichen Speisen gegriffen / Hew vnd Graß in Milch vnd Wasser gesotten / vnnd sich dieser Viehischen Nahrung / gleich den vnvernünfftigen Thieren / in vier Wochen lang mit grossem Seufftzen beholffen. Da hergegen die Soldaten den Reichen Leuten jhr Viehe / den armen Witwen vnd hinderlassen Waißlein jhr einige Auffenthalt / etwa eine Kuhe oder Geyse: allen aber das Brodt genommen / das Viehe geschlachtet / vnd in allem Muthwillen / vor Angesicht der hungerigen Leuten / alles verzehret vnd verprasset.
Tyranney der Leopoldischẽ in den Pündten. Darbey ist es aber nicht verblieben / sie die Soldaten haben Herrn Martin Michel / Land Amman im Schierser Gericht / wie auch Christen Winckler / genandt Wecker / auß dem Dorff auffs Feldt gezogen / daselbsten oben am Leib entblöset / jhnen die Häupter ohne einigen Proceß abschlagen wöllen / vnd das allein darumb / weiln der eine auß Befelch seiner Gemeinde in Wormbs gezogen: der ander aber wegen seines langen schwartzen Haars einem Soldaten gleich gesehen. Vnd als Land-Amman Michel zum ersten herhalten sollen / hat er vmb Gottes Willen gebeten / man wölle jhn nicht vbereylen / sondern zuvor sein Gebett zu Gott verrichten lassen / vnd nachdem man jhme solches vergönnet / hat er mit lauter Stimm das Gebett deß HERRN / oder heilige Vatter Vnser / angefangẽ zu betten: in deme er die dritte Bitt / Dein Will geschehe auff Erden wie im Himmel / gesprochen / sagt der Kriegsgurgeln einer: Gottes Will soll nicht geschehen / sondern vnser Will. Aber Gott hat es gefügt / daß der Landvogt auff Castels ist darzu kommen / vnnd die Soldaten mit starcken Dröw Worten zurück gehalten / endlichẽ bey dem Obristen Balderon / doch gar schwerlich / die Ehrlichen Leute außgebetten.
Es haben auch die Kriegsgurgeln ein new vnd vnerhörte Geldschinderey (davon weder Iustinianus, noch auch andere Rechtsgelehrten niemalen nichts geschrieben) practicirt / in deme sie die Woll>-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635/723 |
Zitationshilfe: | Abelin, Johann Philipp: Theatrum Europaeum, Oder Außführliche/ und Wahrhaftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten. Frankfurt (Main), 1635, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635/723>, abgerufen am 30.06.2024. |