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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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mich von meinem Ohre getäuscht. Es war noch früh, Nie-
mand in Graf Peter's Laube, noch leer der Garten; ich
durchschweifte die bekannten Gänge, ich drang bis nach dem
Wohnhause vor. Dasselbe Geräusch verfolgte mich vernehm-
licher. Ich setzte mich mit angstvollem Herzen auf eine Bank,
die im sonnigen Raume der Hausthür gegenüber stand. Es
ward mir, als hörte ich den ungesehenen Kobold sich hohn-
lachend neben mich setzen. Der Schlüssel ward in der Thür
gedreht, sie ging auf, der Forstmeister trat heraus, mit Pa-
pieren in der Hand. Ich fühlte mir wie Nebel über den Kopf
zieh'n, ich sah mich um, und -- Ensetzen! -- der Mann im
grauen Rock saß neben mir, mit satanischem Lächeln auf mich
blickend. -- Er hatte mir seine Tarnkappe mit über den Kopf
gezogen, zu seinen Füßen lagen sein und mein Schatten fried-
lich neben einander; er spielte nachläßig mit dem bekannten
Pergament, das er in der Hand hielt, und, indem der Forst-
meister mit den Papieren beschäftigt im Schatten der Laube
auf- und abging -- beugte er sich vertraulich zu meinem Ohr
und flüsterte mir die Worte:

"So hätten Sie denn doch meine Einladung angenom-
men, und da säßen wir einmal zwei Köpfe unter einer Kappe!
-- Schon recht! schon recht! Nun geben Sie mir aber auch
mein Vogelnest zurück, Sie brauchen es nicht mehr, und sind
ein zu ehrlicher Mann, um es mir vorenthalten zu wollen --
doch keinen Dank dafür, ich versichere Sie, daß ich es Ihnen
von Herzen gern geliehen habe." -- Er nahm es unweiger-
lich aus meiner Hand, steckte es in die Tasche und lachte mich
abermals aus, und zwar so laut, daß sich der Forstmeister
nach dem Geräusch umsah. -- Ich saß wie versteinert da.

"Sie müssen mir doch gestehen," fuhr er fort, "daß so eine
Kappe viel bequemer ist. Sie deckt doch nicht nur ihren Mann,
sondern auch seinen Schatten mit, und noch so viele andere,
als er mit zu nehmen Lust hat. Sehen Sie, heute führ' ich

mich von meinem Ohre getäuſcht. Es war noch früh, Nie-
mand in Graf Peter’s Laube, noch leer der Garten; ich
durchſchweifte die bekannten Gänge, ich drang bis nach dem
Wohnhauſe vor. Daſſelbe Geräuſch verfolgte mich vernehm-
licher. Ich ſetzte mich mit angſtvollem Herzen auf eine Bank,
die im ſonnigen Raume der Hausthür gegenüber ſtand. Es
ward mir, als hörte ich den ungeſehenen Kobold ſich hohn-
lachend neben mich ſetzen. Der Schlüſſel ward in der Thür
gedreht, ſie ging auf, der Forſtmeiſter trat heraus, mit Pa-
pieren in der Hand. Ich fühlte mir wie Nebel über den Kopf
zieh’n, ich ſah mich um, und — Enſetzen! — der Mann im
grauen Rock ſaß neben mir, mit ſataniſchem Lächeln auf mich
blickend. — Er hatte mir ſeine Tarnkappe mit über den Kopf
gezogen, zu ſeinen Füßen lagen ſein und mein Schatten fried-
lich neben einander; er ſpielte nachläßig mit dem bekannten
Pergament, das er in der Hand hielt, und, indem der Forſt-
meiſter mit den Papieren beſchäftigt im Schatten der Laube
auf- und abging — beugte er ſich vertraulich zu meinem Ohr
und flüſterte mir die Worte:

»So hätten Sie denn doch meine Einladung angenom-
men, und da ſäßen wir einmal zwei Köpfe unter einer Kappe!
— Schon recht! ſchon recht! Nun geben Sie mir aber auch
mein Vogelneſt zurück, Sie brauchen es nicht mehr, und ſind
ein zu ehrlicher Mann, um es mir vorenthalten zu wollen —
doch keinen Dank dafür, ich verſichere Sie, daß ich es Ihnen
von Herzen gern geliehen habe.« — Er nahm es unweiger-
lich aus meiner Hand, ſteckte es in die Taſche und lachte mich
abermals aus, und zwar ſo laut, daß ſich der Forſtmeiſter
nach dem Geräuſch umſah. — Ich ſaß wie verſteinert da.

»Sie müſſen mir doch geſtehen,« fuhr er fort, »daß ſo eine
Kappe viel bequemer iſt. Sie deckt doch nicht nur ihren Mann,
ſondern auch ſeinen Schatten mit, und noch ſo viele andere,
als er mit zu nehmen Luſt hat. Sehen Sie, heute führ’ ich

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[48/0066] mich von meinem Ohre getäuſcht. Es war noch früh, Nie- mand in Graf Peter’s Laube, noch leer der Garten; ich durchſchweifte die bekannten Gänge, ich drang bis nach dem Wohnhauſe vor. Daſſelbe Geräuſch verfolgte mich vernehm- licher. Ich ſetzte mich mit angſtvollem Herzen auf eine Bank, die im ſonnigen Raume der Hausthür gegenüber ſtand. Es ward mir, als hörte ich den ungeſehenen Kobold ſich hohn- lachend neben mich ſetzen. Der Schlüſſel ward in der Thür gedreht, ſie ging auf, der Forſtmeiſter trat heraus, mit Pa- pieren in der Hand. Ich fühlte mir wie Nebel über den Kopf zieh’n, ich ſah mich um, und — Enſetzen! — der Mann im grauen Rock ſaß neben mir, mit ſataniſchem Lächeln auf mich blickend. — Er hatte mir ſeine Tarnkappe mit über den Kopf gezogen, zu ſeinen Füßen lagen ſein und mein Schatten fried- lich neben einander; er ſpielte nachläßig mit dem bekannten Pergament, das er in der Hand hielt, und, indem der Forſt- meiſter mit den Papieren beſchäftigt im Schatten der Laube auf- und abging — beugte er ſich vertraulich zu meinem Ohr und flüſterte mir die Worte: »So hätten Sie denn doch meine Einladung angenom- men, und da ſäßen wir einmal zwei Köpfe unter einer Kappe! — Schon recht! ſchon recht! Nun geben Sie mir aber auch mein Vogelneſt zurück, Sie brauchen es nicht mehr, und ſind ein zu ehrlicher Mann, um es mir vorenthalten zu wollen — doch keinen Dank dafür, ich verſichere Sie, daß ich es Ihnen von Herzen gern geliehen habe.« — Er nahm es unweiger- lich aus meiner Hand, ſteckte es in die Taſche und lachte mich abermals aus, und zwar ſo laut, daß ſich der Forſtmeiſter nach dem Geräuſch umſah. — Ich ſaß wie verſteinert da. »Sie müſſen mir doch geſtehen,« fuhr er fort, »daß ſo eine Kappe viel bequemer iſt. Sie deckt doch nicht nur ihren Mann, ſondern auch ſeinen Schatten mit, und noch ſo viele andere, als er mit zu nehmen Luſt hat. Sehen Sie, heute führ’ ich

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/66>, abgerufen am 22.11.2024.