Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie so? Dein Todes-Schweiß brach schon in kalte Tropfen,
Es kam die letzte Noth mit Röcheln, Zittern, Klopfen.
Gedanken, Sprach und Licht, Empfindung, Geist und Sinn,
Verstoben, löschten aus, entwichen, fielen hin.
Du starbst! Du starbst mit Lust und siegendem Vergnügen:
Ach könnt ich meinen Schmertz, wie Du den Todt, besiegen!
Allein so hat mich der auf einmahl übermannt.
Der Jammer über Dich hält keinem Troste Stand,
Und weicht, und kriecht für ihm in einsam-bange Winkel,
Und hört und sieht auf nichts, als seinen eignen Dünkel.
Jhr, die ihr ie geschmeckt, was keusche Liebe sey,
Ach habt Geduld mit mir, und diesem Angst-Geschrey,
Womit ich mir nunmehr die lange Zeit vertreibe.
Jch weiß kaum, was ich thu, ich weiß kaum, was ich schreibe.
Mich dünkt, als könnt ich Dich, vom Todes-Kampfe matt,
Mein Engel, itzo noch auf jener Lagerstatt
Jm letzten Athmen sehn, im letzten Stehnen hören,
Als könnt und müßt ich Dich im letzten Abschied stöhren.
Mich dünkt, als wenn mein Mund noch an dem Deinen hieng,
Den Geist, der allgemach schon an zuweichen fieng,
Jn Deiner Sterbens-Noth, und mitten im Erkalten,
Wo nicht in sich zu ziehn; doch gleichsam aufzuhalten.
Jch fühl es itzo noch, wie man mich von Dir riß,
Und was für Seelen-Angst mich da darnieder schmiß,
Als ich von ferne stund, und mit verstohlnen Blicken
Den Banden-freyen Geist zuletzt in sanfftem Zücken,
Als unter GOttes Kuß, die Heimfarth halten sah.
Noch itzo fühl ich es, wie weh mir da geschah,
Als man Dich, schon entseelt, auf kalte Breter streckte,
Und Mund und Hand und Leib mit weissen Leinen deckte,
Dem Zeichen reiner Zucht, Die Du, auch noch erblaßt,
Doch gleichwohl immerfort zum schönsten Ausputz hast;
Noch itzo seh ich Dich auf Baar und Sarg erhöhen,
Und Dir den Leichen-Krantz noch auf der Scheitel stehen,
Den ich, voll Lieb und Dank Dir noch zu guter Letzt,
Der Treue zum Triumph, selbst sterbend aufgesetzt,
Damit
Wie ſo? Dein Todes-Schweiß brach ſchon in kalte Tropfen,
Es kam die letzte Noth mit Roͤcheln, Zittern, Klopfen.
Gedanken, Sprach und Licht, Empfindung, Geiſt und Sinn,
Verſtoben, loͤſchten aus, entwichen, fielen hin.
Du ſtarbſt! Du ſtarbſt mit Luſt und ſiegendem Vergnuͤgen:
Ach koͤnnt ich meinen Schmertz, wie Du den Todt, beſiegen!
Allein ſo hat mich der auf einmahl uͤbermannt.
Der Jammer uͤber Dich haͤlt keinem Troſte Stand,
Und weicht, und kriecht fuͤr ihm in einſam-bange Winkel,
Und hoͤrt und ſieht auf nichts, als ſeinen eignen Duͤnkel.
Jhr, die ihr ie geſchmeckt, was keuſche Liebe ſey,
Ach habt Geduld mit mir, und dieſem Angſt-Geſchrey,
Womit ich mir nunmehr die lange Zeit vertreibe.
Jch weiß kaum, was ich thu, ich weiß kaum, was ich ſchreibe.
Mich duͤnkt, als koͤnnt ich Dich, vom Todes-Kampfe matt,
Mein Engel, itzo noch auf jener Lagerſtatt
Jm letzten Athmen ſehn, im letzten Stehnen hoͤren,
Als koͤnnt und muͤßt ich Dich im letzten Abſchied ſtoͤhren.
Mich duͤnkt, als wenn mein Mund noch an dem Deinen hieng,
Den Geiſt, der allgemach ſchon an zuweichen fieng,
Jn Deiner Sterbens-Noth, und mitten im Erkalten,
Wo nicht in ſich zu ziehn; doch gleichſam aufzuhalten.
Jch fuͤhl es itzo noch, wie man mich von Dir riß,
Und was fuͤr Seelen-Angſt mich da darnieder ſchmiß,
Als ich von ferne ſtund, und mit verſtohlnen Blicken
Den Banden-freyen Geiſt zuletzt in ſanfftem Zuͤcken,
Als unter GOttes Kuß, die Heimfarth halten ſah.
Noch itzo fuͤhl ich es, wie weh mir da geſchah,
Als man Dich, ſchon entſeelt, auf kalte Breter ſtreckte,
Und Mund und Hand und Leib mit weiſſen Leinen deckte,
Dem Zeichen reiner Zucht, Die Du, auch noch erblaßt,
Doch gleichwohl immerfort zum ſchoͤnſten Ausputz haſt;
Noch itzo ſeh ich Dich auf Baar und Sarg erhoͤhen,
Und Dir den Leichen-Krantz noch auf der Scheitel ſtehen,
Den ich, voll Lieb und Dank Dir noch zu guter Letzt,
Der Treue zum Triumph, ſelbſt ſterbend aufgeſetzt,
Damit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsEpicedia" n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0016" n="[16]"/>
          <l>Wie &#x017F;o? Dein Todes-Schweiß brach &#x017F;chon in kalte Tropfen,</l><lb/>
          <l>Es kam die letzte Noth mit Ro&#x0364;cheln, Zittern, Klopfen.</l><lb/>
          <l>Gedanken, Sprach und Licht, Empfindung, Gei&#x017F;t und Sinn,</l><lb/>
          <l>Ver&#x017F;toben, lo&#x0364;&#x017F;chten aus, entwichen, fielen hin.</l><lb/>
          <l>Du &#x017F;tarb&#x017F;t! Du &#x017F;tarb&#x017F;t mit Lu&#x017F;t und &#x017F;iegendem Vergnu&#x0364;gen:</l><lb/>
          <l>Ach ko&#x0364;nnt ich meinen Schmertz, wie Du den Todt, be&#x017F;iegen!</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Allein &#x017F;o hat mich der auf einmahl u&#x0364;bermannt.</l><lb/>
          <l>Der Jammer u&#x0364;ber Dich ha&#x0364;lt keinem Tro&#x017F;te Stand,</l><lb/>
          <l>Und weicht, und kriecht fu&#x0364;r ihm in ein&#x017F;am-bange Winkel,</l><lb/>
          <l>Und ho&#x0364;rt und &#x017F;ieht auf nichts, als &#x017F;einen eignen Du&#x0364;nkel.</l><lb/>
          <l>Jhr, die ihr ie ge&#x017F;chmeckt, was keu&#x017F;che Liebe &#x017F;ey,</l><lb/>
          <l>Ach habt Geduld mit mir, und die&#x017F;em Ang&#x017F;t-Ge&#x017F;chrey,</l><lb/>
          <l>Womit ich mir nunmehr die lange Zeit vertreibe.</l><lb/>
          <l>Jch weiß kaum, was ich thu, ich weiß kaum, was ich &#x017F;chreibe.</l><lb/>
          <l>Mich du&#x0364;nkt, als ko&#x0364;nnt ich Dich, vom Todes-Kampfe matt,</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">Mein Engel,</hi> itzo noch auf jener Lager&#x017F;tatt</l><lb/>
          <l>Jm letzten Athmen &#x017F;ehn, im letzten Stehnen ho&#x0364;ren,</l><lb/>
          <l>Als ko&#x0364;nnt und mu&#x0364;ßt ich Dich im letzten Ab&#x017F;chied &#x017F;to&#x0364;hren.</l><lb/>
          <l>Mich du&#x0364;nkt, als wenn mein Mund noch an dem Deinen hieng,</l><lb/>
          <l>Den Gei&#x017F;t, der allgemach &#x017F;chon an zuweichen fieng,</l><lb/>
          <l>Jn Deiner Sterbens-Noth, und mitten im Erkalten,</l><lb/>
          <l>Wo nicht in &#x017F;ich zu ziehn; doch gleich&#x017F;am aufzuhalten.</l><lb/>
          <l>Jch fu&#x0364;hl es itzo noch, wie man mich von Dir riß,</l><lb/>
          <l>Und was fu&#x0364;r Seelen-Ang&#x017F;t mich da darnieder &#x017F;chmiß,</l><lb/>
          <l>Als ich von ferne &#x017F;tund, und mit ver&#x017F;tohlnen Blicken</l><lb/>
          <l>Den Banden-freyen Gei&#x017F;t zuletzt in &#x017F;anfftem Zu&#x0364;cken,</l><lb/>
          <l>Als unter GOttes Kuß, die Heimfarth halten &#x017F;ah.</l><lb/>
          <l>Noch itzo fu&#x0364;hl ich es, wie weh mir da ge&#x017F;chah,</l><lb/>
          <l>Als man Dich, &#x017F;chon ent&#x017F;eelt, auf kalte Breter &#x017F;treckte,</l><lb/>
          <l>Und Mund und Hand und Leib mit wei&#x017F;&#x017F;en Leinen deckte,</l><lb/>
          <l>Dem Zeichen reiner Zucht, Die Du, auch noch erblaßt,</l><lb/>
          <l>Doch gleichwohl immerfort zum &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Ausputz ha&#x017F;t;</l><lb/>
          <l>Noch itzo &#x017F;eh ich Dich auf Baar und Sarg erho&#x0364;hen,</l><lb/>
          <l>Und Dir den Leichen-Krantz noch auf der Scheitel &#x017F;tehen,</l><lb/>
          <l>Den ich, voll Lieb und Dank Dir noch zu guter Letzt,</l><lb/>
          <l>Der Treue zum Triumph, &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;terbend aufge&#x017F;etzt,</l><lb/>
          <fw type="catch" place="bottom">Damit</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[16]/0016] Wie ſo? Dein Todes-Schweiß brach ſchon in kalte Tropfen, Es kam die letzte Noth mit Roͤcheln, Zittern, Klopfen. Gedanken, Sprach und Licht, Empfindung, Geiſt und Sinn, Verſtoben, loͤſchten aus, entwichen, fielen hin. Du ſtarbſt! Du ſtarbſt mit Luſt und ſiegendem Vergnuͤgen: Ach koͤnnt ich meinen Schmertz, wie Du den Todt, beſiegen! Allein ſo hat mich der auf einmahl uͤbermannt. Der Jammer uͤber Dich haͤlt keinem Troſte Stand, Und weicht, und kriecht fuͤr ihm in einſam-bange Winkel, Und hoͤrt und ſieht auf nichts, als ſeinen eignen Duͤnkel. Jhr, die ihr ie geſchmeckt, was keuſche Liebe ſey, Ach habt Geduld mit mir, und dieſem Angſt-Geſchrey, Womit ich mir nunmehr die lange Zeit vertreibe. Jch weiß kaum, was ich thu, ich weiß kaum, was ich ſchreibe. Mich duͤnkt, als koͤnnt ich Dich, vom Todes-Kampfe matt, Mein Engel, itzo noch auf jener Lagerſtatt Jm letzten Athmen ſehn, im letzten Stehnen hoͤren, Als koͤnnt und muͤßt ich Dich im letzten Abſchied ſtoͤhren. Mich duͤnkt, als wenn mein Mund noch an dem Deinen hieng, Den Geiſt, der allgemach ſchon an zuweichen fieng, Jn Deiner Sterbens-Noth, und mitten im Erkalten, Wo nicht in ſich zu ziehn; doch gleichſam aufzuhalten. Jch fuͤhl es itzo noch, wie man mich von Dir riß, Und was fuͤr Seelen-Angſt mich da darnieder ſchmiß, Als ich von ferne ſtund, und mit verſtohlnen Blicken Den Banden-freyen Geiſt zuletzt in ſanfftem Zuͤcken, Als unter GOttes Kuß, die Heimfarth halten ſah. Noch itzo fuͤhl ich es, wie weh mir da geſchah, Als man Dich, ſchon entſeelt, auf kalte Breter ſtreckte, Und Mund und Hand und Leib mit weiſſen Leinen deckte, Dem Zeichen reiner Zucht, Die Du, auch noch erblaßt, Doch gleichwohl immerfort zum ſchoͤnſten Ausputz haſt; Noch itzo ſeh ich Dich auf Baar und Sarg erhoͤhen, Und Dir den Leichen-Krantz noch auf der Scheitel ſtehen, Den ich, voll Lieb und Dank Dir noch zu guter Letzt, Der Treue zum Triumph, ſelbſt ſterbend aufgeſetzt, Damit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542452
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542452/16
Zitationshilfe: Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733, S. [16]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542452/16>, abgerufen am 18.12.2024.