Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.

Bild:
<< vorherige Seite
Sollt aber ja sein Schluß nicht wie der unsre seyn.
So fasse dich in Jhm, so gieb dich willig drein:
Sein Nahme sey von uns auch dafür schon gepriesen,
Daß uns sein weiser Rath einander nur gewiesen.
Hier hast du noch einmahl die Hand zu Druck und Kuß;
Sollt es das letzte seyn, so küsse GOttes Schluß,
Und glaube, wie ich dich bißher geliebet habe,
So meyn und lieb ich dich noch biß zu meinem Grabe. (e)
Dis war, Geliebtes Hertz, Dein letztes Wort zu mir.
Mein GOTT! wie brachen da Gebeth und Flehn herfür,
Wie rang ich nicht die Nacht, die Nacht vor Deinem Ende,
Die gantze Nacht hindurch die fast gelähmten Hände.
Kaum hiessen Licht und Tag die letzten Schatten fliehn,
So war ich schon bey Dir; doch wieß Dein Othen-Ziehn,
Nun sey es aus mit dem, worauf mein Bethen drunge,
Nun stehe schon Dein Geist wie gleichsam auf dem Sprunge
Nach jener Ewigkeit. Da zehlte man mir her,
Bey was für Schmertz und Trost die Nacht verstrichen wär,
Wie Du die gantze Zeit Dich im Gebeth vergnüget,
Wie Du die Todes-Furcht iu Hoffnung schon besieget,
Wie schön Dein Glaube sich nur darnach umgesehn,
Was Welt, und Sünd und Tod, und ihre Macht verschmähn,
Und was den wahren Weg zum Himmel finden lehret,
Wie keine Schwachheit Dir des Geistes Krafft gestöhret,
Wie Du den Kronen-Schmuck schon zum Voraus erblickt,
Mir welchem Dich nunmehr des Lammes Hochzeit schmückt,
Wie Du Dein Haus bestellt, wie Du getrost gewesen,
Den Sarg-Habit erkiest, den Leichen-Spruch erlesen. (f)
Ach aber, welch ein Schmertz durchschnitt mir Mark und Bein,
Weil alles, alles rieff: Es muß geschieden seyn.
Wie
(e) Alles dieses, und sonderlich der letztere Ausdruck sind meistens meiner
Seeligen Braut eigene Worte, womit Sie, bey meiner verspührten
innigsten Wehmuth, ihre gantze Krankheit über, und besonders den
Tag vor ihrem Ende mit dem zärtlichsten und liebreichsten Bezeigen
mich aufzurichten suchete.
(f) Offenbahr. II. 10. Sey getreu biß etc.
Sollt aber ja ſein Schluß nicht wie der unſre ſeyn.
So faſſe dich in Jhm, ſo gieb dich willig drein:
Sein Nahme ſey von uns auch dafuͤr ſchon geprieſen,
Daß uns ſein weiſer Rath einander nur gewieſen.
Hier haſt du noch einmahl die Hand zu Druck und Kuß;
Sollt es das letzte ſeyn, ſo kuͤſſe GOttes Schluß,
Und glaube, wie ich dich bißher geliebet habe,
So meyn und lieb ich dich noch biß zu meinem Grabe. (e)
Dis war, Geliebtes Hertz, Dein letztes Wort zu mir.
Mein GOTT! wie brachen da Gebeth und Flehn herfuͤr,
Wie rang ich nicht die Nacht, die Nacht vor Deinem Ende,
Die gantze Nacht hindurch die faſt gelaͤhmten Haͤnde.
Kaum hieſſen Licht und Tag die letzten Schatten fliehn,
So war ich ſchon bey Dir; doch wieß Dein Othen-Ziehn,
Nun ſey es aus mit dem, worauf mein Bethen drunge,
Nun ſtehe ſchon Dein Geiſt wie gleichſam auf dem Sprunge
Nach jener Ewigkeit. Da zehlte man mir her,
Bey was fuͤr Schmertz und Troſt die Nacht verſtrichen waͤr,
Wie Du die gantze Zeit Dich im Gebeth vergnuͤget,
Wie Du die Todes-Furcht iu Hoffnung ſchon beſieget,
Wie ſchoͤn Dein Glaube ſich nur darnach umgeſehn,
Was Welt, und Suͤnd und Tod, und ihre Macht verſchmaͤhn,
Und was den wahren Weg zum Himmel finden lehret,
Wie keine Schwachheit Dir des Geiſtes Krafft geſtoͤhret,
Wie Du den Kronen-Schmuck ſchon zum Voraus erblickt,
Mir welchem Dich nunmehr des Lammes Hochzeit ſchmuͤckt,
Wie Du Dein Haus beſtellt, wie Du getroſt geweſen,
Den Sarg-Habit erkieſt, den Leichen-Spruch erleſen. (f)
Ach aber, welch ein Schmertz durchſchnitt mir Mark und Bein,
Weil alles, alles rieff: Es muß geſchieden ſeyn.
Wie
(e) Alles dieſes, und ſonderlich der letztere Ausdruck ſind meiſtens meiner
Seeligen Braut eigene Worte, womit Sie, bey meiner verſpuͤhrten
innigſten Wehmuth, ihre gantze Krankheit uͤber, und beſonders den
Tag vor ihrem Ende mit dem zaͤrtlichſten und liebreichſten Bezeigen
mich aufzurichten ſuchete.
(f) Offenbahr. II. 10. Sey getreu biß ꝛc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsEpicedia" n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0015" n="[15]"/>
          <l>Sollt aber ja &#x017F;ein Schluß nicht wie der un&#x017F;re &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>So fa&#x017F;&#x017F;e dich in Jhm, &#x017F;o gieb dich willig drein:</l><lb/>
          <l>Sein Nahme &#x017F;ey von uns auch dafu&#x0364;r &#x017F;chon geprie&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Daß uns &#x017F;ein wei&#x017F;er Rath einander nur gewie&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Hier ha&#x017F;t du noch einmahl die Hand zu Druck und Kuß;</l><lb/>
          <l>Sollt es das letzte &#x017F;eyn, &#x017F;o ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e GOttes Schluß,</l><lb/>
          <l>Und glaube, wie ich dich bißher geliebet habe,</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">So meyn und lieb ich dich noch biß zu meinem Grabe.</hi> <note place="foot" n="(e)">Alles die&#x017F;es, und &#x017F;onderlich der letztere Ausdruck &#x017F;ind mei&#x017F;tens meiner<lb/><hi rendition="#fr">Seeligen Braut</hi> eigene Worte, womit Sie, bey meiner ver&#x017F;pu&#x0364;hrten<lb/>
innig&#x017F;ten Wehmuth, ihre gantze Krankheit u&#x0364;ber, und be&#x017F;onders den<lb/>
Tag vor ihrem Ende mit dem za&#x0364;rtlich&#x017F;ten und liebreich&#x017F;ten Bezeigen<lb/>
mich aufzurichten &#x017F;uchete.</note>
          </l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Dis war, <hi rendition="#fr">Geliebtes Hertz,</hi> Dein letztes Wort zu mir.</l><lb/>
          <l>Mein GOTT! wie brachen da Gebeth und Flehn herfu&#x0364;r,</l><lb/>
          <l>Wie rang ich nicht die Nacht, die Nacht vor Deinem Ende,</l><lb/>
          <l>Die gantze Nacht hindurch die fa&#x017F;t gela&#x0364;hmten Ha&#x0364;nde.</l><lb/>
          <l>Kaum hie&#x017F;&#x017F;en Licht und Tag die letzten Schatten fliehn,</l><lb/>
          <l>So war ich &#x017F;chon bey Dir; doch wieß Dein Othen-Ziehn,</l><lb/>
          <l>Nun &#x017F;ey es aus mit dem, worauf mein Bethen drunge,</l><lb/>
          <l>Nun &#x017F;tehe &#x017F;chon Dein Gei&#x017F;t wie gleich&#x017F;am auf dem Sprunge</l><lb/>
          <l>Nach jener Ewigkeit. Da zehlte man mir her,</l><lb/>
          <l>Bey was fu&#x0364;r Schmertz und Tro&#x017F;t die Nacht ver&#x017F;trichen wa&#x0364;r,</l><lb/>
          <l>Wie Du die gantze Zeit Dich im Gebeth vergnu&#x0364;get,</l><lb/>
          <l>Wie Du die Todes-Furcht iu Hoffnung &#x017F;chon be&#x017F;ieget,</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;cho&#x0364;n Dein Glaube &#x017F;ich nur darnach umge&#x017F;ehn,</l><lb/>
          <l>Was Welt, und Su&#x0364;nd und Tod, und ihre Macht ver&#x017F;chma&#x0364;hn,</l><lb/>
          <l>Und was den wahren Weg zum Himmel finden lehret,</l><lb/>
          <l>Wie keine Schwachheit Dir des Gei&#x017F;tes Krafft ge&#x017F;to&#x0364;hret,</l><lb/>
          <l>Wie Du den Kronen-Schmuck &#x017F;chon zum Voraus erblickt,</l><lb/>
          <l>Mir welchem Dich nunmehr des Lammes Hochzeit &#x017F;chmu&#x0364;ckt,</l><lb/>
          <l>Wie Du Dein Haus be&#x017F;tellt, wie Du getro&#x017F;t gewe&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Den Sarg-Habit erkie&#x017F;t, den Leichen-Spruch erle&#x017F;en. <note place="foot" n="(f)">Offenbahr. <hi rendition="#aq">II.</hi> 10. <hi rendition="#fr">Sey getreu biß &#xA75B;c.</hi></note></l><lb/>
          <l>Ach aber, welch ein Schmertz durch&#x017F;chnitt mir Mark und Bein,</l><lb/>
          <l>Weil alles, alles rieff: Es muß ge&#x017F;chieden &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[15]/0015] Sollt aber ja ſein Schluß nicht wie der unſre ſeyn. So faſſe dich in Jhm, ſo gieb dich willig drein: Sein Nahme ſey von uns auch dafuͤr ſchon geprieſen, Daß uns ſein weiſer Rath einander nur gewieſen. Hier haſt du noch einmahl die Hand zu Druck und Kuß; Sollt es das letzte ſeyn, ſo kuͤſſe GOttes Schluß, Und glaube, wie ich dich bißher geliebet habe, So meyn und lieb ich dich noch biß zu meinem Grabe. (e) Dis war, Geliebtes Hertz, Dein letztes Wort zu mir. Mein GOTT! wie brachen da Gebeth und Flehn herfuͤr, Wie rang ich nicht die Nacht, die Nacht vor Deinem Ende, Die gantze Nacht hindurch die faſt gelaͤhmten Haͤnde. Kaum hieſſen Licht und Tag die letzten Schatten fliehn, So war ich ſchon bey Dir; doch wieß Dein Othen-Ziehn, Nun ſey es aus mit dem, worauf mein Bethen drunge, Nun ſtehe ſchon Dein Geiſt wie gleichſam auf dem Sprunge Nach jener Ewigkeit. Da zehlte man mir her, Bey was fuͤr Schmertz und Troſt die Nacht verſtrichen waͤr, Wie Du die gantze Zeit Dich im Gebeth vergnuͤget, Wie Du die Todes-Furcht iu Hoffnung ſchon beſieget, Wie ſchoͤn Dein Glaube ſich nur darnach umgeſehn, Was Welt, und Suͤnd und Tod, und ihre Macht verſchmaͤhn, Und was den wahren Weg zum Himmel finden lehret, Wie keine Schwachheit Dir des Geiſtes Krafft geſtoͤhret, Wie Du den Kronen-Schmuck ſchon zum Voraus erblickt, Mir welchem Dich nunmehr des Lammes Hochzeit ſchmuͤckt, Wie Du Dein Haus beſtellt, wie Du getroſt geweſen, Den Sarg-Habit erkieſt, den Leichen-Spruch erleſen. (f) Ach aber, welch ein Schmertz durchſchnitt mir Mark und Bein, Weil alles, alles rieff: Es muß geſchieden ſeyn. Wie (e) Alles dieſes, und ſonderlich der letztere Ausdruck ſind meiſtens meiner Seeligen Braut eigene Worte, womit Sie, bey meiner verſpuͤhrten innigſten Wehmuth, ihre gantze Krankheit uͤber, und beſonders den Tag vor ihrem Ende mit dem zaͤrtlichſten und liebreichſten Bezeigen mich aufzurichten ſuchete. (f) Offenbahr. II. 10. Sey getreu biß ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542452
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542452/15
Zitationshilfe: Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733, S. [15]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542452/15>, abgerufen am 21.11.2024.