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Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

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denn einem andern, Gen. 29, 18. 19. sprach Laban zu dem Jacob, da er bey
ihm um die Rahel warb: Der himmlische Jacob hatte, Hochgeehrte El-
tern,
um ihre Rahel, Christiana Theodora angehalten, warum wol-
ten Sie ihm nicht willig lassen folgen, und sagen: Es ist besser wir geben
Sie ihm, denn einem andern.

Er liebte Sie, drum kunt auf Erden,
Kein Bräutgam Jhrer würdig werden.

Sie bilden sich doch ein; wenn ihre wohlseelige Jungfer Tochter unver-
hofft von einem vornehmen Potentaten in der Fremde wäre zur Gemahlin
begehret worden, wie würden Sie sich gefreuet haben? ungeachtet Sie
solcher ihr Bräutigam zu sich in sein Königreich einen weiten abgelegenen
Weg hohlen lassen, daß Sie Sie hier in der Welt nicht wiederum zu sehen
bekämen, so würden Sie sich zufrieden geben, wenn Sie nur wöchentlich
von Jhr Brieffe hätten, daß es Jhr sehr wohl ginge, und in gewünschtem
Zustande lebte. Nun hat Sie der grosse Himmels-Printz Christus JE-
sus ihr Seelen-Bräutigam in das hohe Himmels-Schloß heimgeholet, da
haben Sie täglich Brieffe von Jhr. Denn so offte Sie in der heil. Schrifft
von dem Zustande der auserwehlten Seelen GOttes lesen, sollen Sie sich
nichts anders einbilden, als schriebe Jhre wohlseelige Jungfer Tochter
an Sie mit diesen Worten:

Laßt doch euer Trauren bleiben,
Meine Lieben weinet nicht,
Es ist ja nicht zu beschreiben,
Wie mir hie so wohl geschicht.
Denn bey Euch war Krieg und Streit,
Angst und blosse Eitelkeit.
Aber hier ist allezeit
Friede, Freud und Seeligkeit.

Die irdische Verbindung zweyer verliebten Hertzen ist ein Ursprung aller
Lust und herrlichen Vergnügung; die frühe und unvermuthe Trennung
aber ein Qvelle bitterer Thränen, welche die Unmuth und tiefste Bestür-
tzung öffnet. Silanus, ein Verlobter mit der Octavia, welche ihm ge-
nommen, und dem Neroni vermählet wurde, fiel an ihrem Hochzeit-Ta-

ge vor
F 2

denn einem andern, Gen. 29, 18. 19. ſprach Laban zu dem Jacob, da er bey
ihm um die Rahel warb: Der himmliſche Jacob hatte, Hochgeehrte El-
tern,
um ihre Rahel, Chriſtiana Theodora angehalten, warum wol-
ten Sie ihm nicht willig laſſen folgen, und ſagen: Es iſt beſſer wir geben
Sie ihm, denn einem andern.

Er liebte Sie, drum kunt auf Erden,
Kein Braͤutgam Jhrer wuͤrdig werden.

Sie bilden ſich doch ein; wenn ihre wohlſeelige Jungfer Tochter unver-
hofft von einem vornehmen Potentaten in der Fremde waͤre zur Gemahlin
begehret worden, wie wuͤrden Sie ſich gefreuet haben? ungeachtet Sie
ſolcher ihr Braͤutigam zu ſich in ſein Koͤnigreich einen weiten abgelegenen
Weg hohlen laſſen, daß Sie Sie hier in der Welt nicht wiederum zu ſehen
bekaͤmen, ſo wuͤrden Sie ſich zufrieden geben, wenn Sie nur woͤchentlich
von Jhr Brieffe haͤtten, daß es Jhr ſehr wohl ginge, und in gewuͤnſchtem
Zuſtande lebte. Nun hat Sie der groſſe Himmels-Printz Chriſtus JE-
ſus ihr Seelen-Braͤutigam in das hohe Himmels-Schloß heimgeholet, da
haben Sie taͤglich Brieffe von Jhr. Denn ſo offte Sie in der heil. Schrifft
von dem Zuſtande der auserwehlten Seelen GOttes leſen, ſollen Sie ſich
nichts anders einbilden, als ſchriebe Jhre wohlſeelige Jungfer Tochter
an Sie mit dieſen Worten:

Laßt doch euer Trauren bleiben,
Meine Lieben weinet nicht,
Es iſt ja nicht zu beſchreiben,
Wie mir hie ſo wohl geſchicht.
Denn bey Euch war Krieg und Streit,
Angſt und bloſſe Eitelkeit.
Aber hier iſt allezeit
Friede, Freud und Seeligkeit.

Die irdiſche Verbindung zweyer verliebten Hertzen iſt ein Urſprung aller
Luſt und herrlichen Vergnuͤgung; die fruͤhe und unvermuthe Trennung
aber ein Qvelle bitterer Thraͤnen, welche die Unmuth und tiefſte Beſtuͤr-
tzung oͤffnet. Silanus, ein Verlobter mit der Octavia, welche ihm ge-
nommen, und dem Neroni vermaͤhlet wurde, fiel an ihrem Hochzeit-Ta-

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[43/0043] denn einem andern, Gen. 29, 18. 19. ſprach Laban zu dem Jacob, da er bey ihm um die Rahel warb: Der himmliſche Jacob hatte, Hochgeehrte El- tern, um ihre Rahel, Chriſtiana Theodora angehalten, warum wol- ten Sie ihm nicht willig laſſen folgen, und ſagen: Es iſt beſſer wir geben Sie ihm, denn einem andern. Er liebte Sie, drum kunt auf Erden, Kein Braͤutgam Jhrer wuͤrdig werden. Sie bilden ſich doch ein; wenn ihre wohlſeelige Jungfer Tochter unver- hofft von einem vornehmen Potentaten in der Fremde waͤre zur Gemahlin begehret worden, wie wuͤrden Sie ſich gefreuet haben? ungeachtet Sie ſolcher ihr Braͤutigam zu ſich in ſein Koͤnigreich einen weiten abgelegenen Weg hohlen laſſen, daß Sie Sie hier in der Welt nicht wiederum zu ſehen bekaͤmen, ſo wuͤrden Sie ſich zufrieden geben, wenn Sie nur woͤchentlich von Jhr Brieffe haͤtten, daß es Jhr ſehr wohl ginge, und in gewuͤnſchtem Zuſtande lebte. Nun hat Sie der groſſe Himmels-Printz Chriſtus JE- ſus ihr Seelen-Braͤutigam in das hohe Himmels-Schloß heimgeholet, da haben Sie taͤglich Brieffe von Jhr. Denn ſo offte Sie in der heil. Schrifft von dem Zuſtande der auserwehlten Seelen GOttes leſen, ſollen Sie ſich nichts anders einbilden, als ſchriebe Jhre wohlſeelige Jungfer Tochter an Sie mit dieſen Worten: Laßt doch euer Trauren bleiben, Meine Lieben weinet nicht, Es iſt ja nicht zu beſchreiben, Wie mir hie ſo wohl geſchicht. Denn bey Euch war Krieg und Streit, Angſt und bloſſe Eitelkeit. Aber hier iſt allezeit Friede, Freud und Seeligkeit. Die irdiſche Verbindung zweyer verliebten Hertzen iſt ein Urſprung aller Luſt und herrlichen Vergnuͤgung; die fruͤhe und unvermuthe Trennung aber ein Qvelle bitterer Thraͤnen, welche die Unmuth und tiefſte Beſtuͤr- tzung oͤffnet. Silanus, ein Verlobter mit der Octavia, welche ihm ge- nommen, und dem Neroni vermaͤhlet wurde, fiel an ihrem Hochzeit-Ta- ge vor F 2

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/43>, abgerufen am 23.11.2024.