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Heyden, Benjamin: Frommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht. St. Annaberg, 1676.

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Trost-und Freuden-Liecht.
als er merckete/ daß seines Lebens Ende herbey nahete/ ging in die
Kirche/ legte vor den Altar Cron und Scepter nieder und sagte:
Colloca me DEUS in aeterna luce, mein Gott bring mich doch
einmal zum ewigen Liecht. Das ist billich auch eines ieden from-
men Christen Wuntsch; umb deß Willen begiebt er sich williglich
auch alles Jrrdischen und Zeitlichen/ nur daß er zum Himmli-
schen Liecht gelangen möge. Zu solchen Liecht aber kommen wir
durch den Todt. Wer dieses Liecht will sehen und seeliglich ge-
niessen/ muß erst durch das finstere Todtes-Thal gehen.
Wer solte und wolte nun den Todt so groß scheuen und fürch-
ten? Wann einer in einen tieffen und finstern Gefängnüß lege/
da ihm weder Sonn noch Mond bescheinen könte/ würde der
nicht wüntschen wieder heraus ans Tage-Liecht zu kommen?
Würde er nicht mit Willen und Freuden herfür gehen? wenn er
gleich durch die finstersten Löcher/ durch die engsten Thüren/ durch
die beschwerlichsten und gefährlichsten Oerter gehen und kriechen
müste. Was ist diese Welt anders/ als ein heßliches Gefäng-
nüß? da wir in grosser Gefahr/ in euserster Angst/ in garstigen
Gestanck/ in stock-dicker Finsternüß sitzen: Was ist unser Leib
anders/ als ein Gefängnüß der Seelen? darinnen sie der Fin-
sternüß und Eitelkeit muß unterworffen seyn: Durch einen see-
ligen Tod aber wird unsere Seele aus solchen finstern Kercker her-
aus geführet/ zum freyen und seeligen Himmels-Liecht/ und zur
herrlichen Freyheit der Kinder GOttes. Wer wolte nichtRom. VIII,
v.
21.

gerne darnach wüntschen/ und zu diesen Liecht zugelangen/ willig
durchs finstere Todtes-Thal wandern? Wer wolte so dann nicht
mit Freuden solches Liecht anschauen/ annehmen/ und sagen/Bauman. in
Anal. Sacr.
pag.
1446.

nach der alten Griechen Wuntsch: khaire philon phaos, sey will-
kommen du liebes Liecht!

Nach solchen seeligen Freuden-Liecht hat auch hertzlich
verlanget unser wohl-seeliger Herr Siegel. Hier in dieser Welt

hat
E 2

Troſt-und Freuden-Liecht.
als er merckete/ daß ſeines Lebens Ende herbey nahete/ ging in die
Kirche/ legte vor den Altar Cron und Scepter nieder und ſagte:
Colloca me DEUS in æterna luce, mein Gott bring mich doch
einmal zum ewigen Liecht. Das iſt billich auch eines ieden from-
men Chriſtẽ Wuntſch; umb deß Willen begiebt er ſich williglich
auch alles Jrrdiſchen und Zeitlichen/ nur daß er zum Himmli-
ſchen Liecht gelangen moͤge. Zu ſolchen Liecht aber kommen wir
durch den Todt. Wer dieſes Liecht will ſehen und ſeeliglich ge-
nieſſen/ muß erſt durch das finſtere Todtes-Thal gehen.
Wer ſolte und wolte nun den Todt ſo groß ſcheuen und fuͤrch-
ten? Wann einer in einen tieffen und finſtern Gefaͤngnuͤß lege/
da ihm weder Sonn noch Mond beſcheinen koͤnte/ wuͤrde der
nicht wuͤntſchen wieder heraus ans Tage-Liecht zu kommen?
Wuͤrde er nicht mit Willen und Freuden herfuͤr gehen? wenn er
gleich durch die finſterſten Loͤcher/ durch die engſten Thuͤren/ durch
die beſchwerlichſten und gefaͤhrlichſten Oerter gehen und kriechen
muͤſte. Was iſt dieſe Welt anders/ als ein heßliches Gefaͤng-
nuͤß? da wir in groſſer Gefahr/ in euſerſter Angſt/ in garſtigen
Geſtanck/ in ſtock-dicker Finſternuͤß ſitzen: Was iſt unſer Leib
anders/ als ein Gefaͤngnuͤß der Seelen? darinnen ſie der Fin-
ſternuͤß und Eitelkeit muß unterworffen ſeyn: Durch einen ſee-
ligen Tod aber wird unſere Seele aus ſolchen finſtern Kercker her-
aus gefuͤhret/ zum freyen und ſeeligen Himmels-Liecht/ und zur
herrlichen Freyheit der Kinder GOttes. Wer wolte nichtRom. VIII,
v.
21.

gerne darnach wuͤntſchen/ und zu dieſen Liecht zugelangen/ willig
durchs finſtere Todtes-Thal wandern? Wer wolte ſo dann nicht
mit Freuden ſolches Liecht anſchauen/ annehmen/ und ſagen/Bauman. in
Anal. Sacr.
pag.
1446.

nach der alten Griechen Wuntſch: χαῖρε ϕίλον ϕάος, ſey will-
kommen du liebes Liecht!

Nach ſolchen ſeeligen Freuden-Liecht hat auch hertzlich
verlanget unſer wohl-ſeeliger Herr Siegel. Hier in dieſer Welt

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E 2
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[[35]/0035] Troſt-und Freuden-Liecht. als er merckete/ daß ſeines Lebens Ende herbey nahete/ ging in die Kirche/ legte vor den Altar Cron und Scepter nieder und ſagte: Colloca me DEUS in æterna luce, mein Gott bring mich doch einmal zum ewigen Liecht. Das iſt billich auch eines ieden from- men Chriſtẽ Wuntſch; umb deß Willen begiebt er ſich williglich auch alles Jrrdiſchen und Zeitlichen/ nur daß er zum Himmli- ſchen Liecht gelangen moͤge. Zu ſolchen Liecht aber kommen wir durch den Todt. Wer dieſes Liecht will ſehen und ſeeliglich ge- nieſſen/ muß erſt durch das finſtere Todtes-Thal gehen. Wer ſolte und wolte nun den Todt ſo groß ſcheuen und fuͤrch- ten? Wann einer in einen tieffen und finſtern Gefaͤngnuͤß lege/ da ihm weder Sonn noch Mond beſcheinen koͤnte/ wuͤrde der nicht wuͤntſchen wieder heraus ans Tage-Liecht zu kommen? Wuͤrde er nicht mit Willen und Freuden herfuͤr gehen? wenn er gleich durch die finſterſten Loͤcher/ durch die engſten Thuͤren/ durch die beſchwerlichſten und gefaͤhrlichſten Oerter gehen und kriechen muͤſte. Was iſt dieſe Welt anders/ als ein heßliches Gefaͤng- nuͤß? da wir in groſſer Gefahr/ in euſerſter Angſt/ in garſtigen Geſtanck/ in ſtock-dicker Finſternuͤß ſitzen: Was iſt unſer Leib anders/ als ein Gefaͤngnuͤß der Seelen? darinnen ſie der Fin- ſternuͤß und Eitelkeit muß unterworffen ſeyn: Durch einen ſee- ligen Tod aber wird unſere Seele aus ſolchen finſtern Kercker her- aus gefuͤhret/ zum freyen und ſeeligen Himmels-Liecht/ und zur herrlichen Freyheit der Kinder GOttes. Wer wolte nicht gerne darnach wuͤntſchen/ und zu dieſen Liecht zugelangen/ willig durchs finſtere Todtes-Thal wandern? Wer wolte ſo dann nicht mit Freuden ſolches Liecht anſchauen/ annehmen/ und ſagen/ nach der alten Griechen Wuntſch: χαῖρε ϕίλον ϕάος, ſey will- kommen du liebes Liecht! Rom. VIII, v. 21. Bauman. in Anal. Sacr. pag. 1446. Nach ſolchen ſeeligen Freuden-Liecht hat auch hertzlich verlanget unſer wohl-ſeeliger Herr Siegel. Hier in dieſer Welt hat E 2

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Zitationshilfe: Heyden, Benjamin: Frommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht. St. Annaberg, 1676, S. [35]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/510974/35>, abgerufen am 24.04.2024.