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Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.

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Wie schwer sind viele Eltern zu überreden, daß sie ihre
Söhne denen Schul-Lehrern zur Unterweisung in diesen
Wissenschafften anvertrauten, wie sauer geht es ihnen ein, Zeit
und Unkosten auf die Erlernung dererselben wenden zu las-
sen. Sie schreiben die an sich gantz kleinen, oder doch sehr
mittelmäßigen Ausgaben die Schul-Lehrer zu belohnen, und
die nöthigen Bücher anzuschaffen unter verlohrne Schulden,
deren Wehrt sie um so viel höher schätzen, da ihnen die Un-
terweisung ihrer Söhne in denen Schulen die Zeit geraubet,
darinnen sie sich ihrer Beyhülffe zu ihrem Gewienste hätten
gebrauchen können. Wie sorgfältig sind sie demnach denen
Lehrern ihren wohlverdienten Lohn abzukürtzen, und ihre
Söhne der Unterweisung alsbald zu entziehen, so bald sie
nur diejenigen Kräffte ihnen zutrauen mögen, welche sie ih-
nen an die Hand zu gehen von nöthen haben.

Solche Urtheile fällt der unverständige Haufe von der
Arbeit derer Schul-Lehrer, so schlecht stehn dieselben bey ih-
nen angeschrieben! denn sie halten einen zeitlichen Gewinn,
der gegenwärtig ist, vor ihr gröstes Gut; Sie dencken nur
auf desselben Erwerbung, und Besitzung, nicht aber, wie er
tugendhaftig angewendet werden möge. Sie suchen Ehre,
ohne daß sie von derselben einen rechten Begrif hätten.
Denn sie bilden sich ein, daß sie solche ohne Tugend, und diese
ohne Wissenschafften erlangen könnten.

Dagegen hält ein verständiger Mensch die erzählten
Bemühungen derer Schul-Lehrer vor wichtiger! Er hält
dieselben vor die besten Mittel, durch welche der Verstand der
Jugend erleuchtet, und ihr Wille gezähmet werden kan,
damit sie zur Ehre des Allerhöchsten und zur Wohlfahrt des
gemeinen Wesens aufwachsen könne. Schulen sind die
Pflantz-Stätte, aus welchen das gemeine Wesen und

die

Wie ſchwer ſind viele Eltern zu uͤberreden, daß ſie ihre
Soͤhne denen Schul-Lehrern zur Unterweiſung in dieſen
Wiſſenſchafften anvertrauten, wie ſauer geht es ihnen ein, Zeit
und Unkoſten auf die Erlernung dererſelben wenden zu laſ-
ſen. Sie ſchreiben die an ſich gantz kleinen, oder doch ſehr
mittelmaͤßigen Ausgaben die Schul-Lehrer zu belohnen, und
die noͤthigen Buͤcher anzuſchaffen unter verlohrne Schulden,
deren Wehrt ſie um ſo viel hoͤher ſchaͤtzen, da ihnen die Un-
terweiſung ihrer Soͤhne in denen Schulen die Zeit geraubet,
darinnen ſie ſich ihrer Beyhuͤlffe zu ihrem Gewienſte haͤtten
gebrauchen koͤnnen. Wie ſorgfaͤltig ſind ſie demnach denen
Lehrern ihren wohlverdienten Lohn abzukuͤrtzen, und ihre
Soͤhne der Unterweiſung alsbald zu entziehen, ſo bald ſie
nur diejenigen Kraͤffte ihnen zutrauen moͤgen, welche ſie ih-
nen an die Hand zu gehen von noͤthen haben.

Solche Urtheile faͤllt der unverſtaͤndige Haufe von der
Arbeit derer Schul-Lehrer, ſo ſchlecht ſtehn dieſelben bey ih-
nen angeſchrieben! denn ſie halten einen zeitlichen Gewinn,
der gegenwaͤrtig iſt, vor ihr groͤſtes Gut; Sie dencken nur
auf deſſelben Erwerbung, und Beſitzung, nicht aber, wie er
tugendhaftig angewendet werden moͤge. Sie ſuchen Ehre,
ohne daß ſie von derſelben einen rechten Begrif haͤtten.
Denn ſie bilden ſich ein, daß ſie ſolche ohne Tugend, und dieſe
ohne Wiſſenſchafften erlangen koͤnnten.

Dagegen haͤlt ein verſtaͤndiger Menſch die erzaͤhlten
Bemuͤhungen derer Schul-Lehrer vor wichtiger! Er haͤlt
dieſelben vor die beſten Mittel, durch welche der Verſtand der
Jugend erleuchtet, und ihr Wille gezaͤhmet werden kan,
damit ſie zur Ehre des Allerhoͤchſten und zur Wohlfahrt des
gemeinen Weſens aufwachſen koͤnne. Schulen ſind die
Pflantz-Staͤtte, aus welchen das gemeine Weſen und

die
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[44/0045] Wie ſchwer ſind viele Eltern zu uͤberreden, daß ſie ihre Soͤhne denen Schul-Lehrern zur Unterweiſung in dieſen Wiſſenſchafften anvertrauten, wie ſauer geht es ihnen ein, Zeit und Unkoſten auf die Erlernung dererſelben wenden zu laſ- ſen. Sie ſchreiben die an ſich gantz kleinen, oder doch ſehr mittelmaͤßigen Ausgaben die Schul-Lehrer zu belohnen, und die noͤthigen Buͤcher anzuſchaffen unter verlohrne Schulden, deren Wehrt ſie um ſo viel hoͤher ſchaͤtzen, da ihnen die Un- terweiſung ihrer Soͤhne in denen Schulen die Zeit geraubet, darinnen ſie ſich ihrer Beyhuͤlffe zu ihrem Gewienſte haͤtten gebrauchen koͤnnen. Wie ſorgfaͤltig ſind ſie demnach denen Lehrern ihren wohlverdienten Lohn abzukuͤrtzen, und ihre Soͤhne der Unterweiſung alsbald zu entziehen, ſo bald ſie nur diejenigen Kraͤffte ihnen zutrauen moͤgen, welche ſie ih- nen an die Hand zu gehen von noͤthen haben. Solche Urtheile faͤllt der unverſtaͤndige Haufe von der Arbeit derer Schul-Lehrer, ſo ſchlecht ſtehn dieſelben bey ih- nen angeſchrieben! denn ſie halten einen zeitlichen Gewinn, der gegenwaͤrtig iſt, vor ihr groͤſtes Gut; Sie dencken nur auf deſſelben Erwerbung, und Beſitzung, nicht aber, wie er tugendhaftig angewendet werden moͤge. Sie ſuchen Ehre, ohne daß ſie von derſelben einen rechten Begrif haͤtten. Denn ſie bilden ſich ein, daß ſie ſolche ohne Tugend, und dieſe ohne Wiſſenſchafften erlangen koͤnnten. Dagegen haͤlt ein verſtaͤndiger Menſch die erzaͤhlten Bemuͤhungen derer Schul-Lehrer vor wichtiger! Er haͤlt dieſelben vor die beſten Mittel, durch welche der Verſtand der Jugend erleuchtet, und ihr Wille gezaͤhmet werden kan, damit ſie zur Ehre des Allerhoͤchſten und zur Wohlfahrt des gemeinen Weſens aufwachſen koͤnne. Schulen ſind die Pflantz-Staͤtte, aus welchen das gemeine Weſen und die

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508578/45>, abgerufen am 24.11.2024.