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Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.

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dächtnisse denen, die er gelehret hat. Petrus sagt: Daß ihr
allenthalben habt, nach meinem Abschiede, solches im Gedächt-
nüsse zu halten. Was Petrus lehrte, lehrte Petrus, daß es
nach seinem Abschiede noch möchte in Safft und Krafft gehen;
daß es nach seinem Abschiede zur Qvelle werden möchte, die
den geseegnesten Ausfluß hat.

Was man im Gedächtniße hat, muß man in dem Gedächtnis-
se nicht haben, wie der Geitzige den Mammon im Kasten. Her-
aus, heraus, was im Gedachtnisse ist, daß es zum Nutzen ange-
wendet werde. Was im Gedächtniße ist, muß seyn, wie, was in
den Acker gesäet wird. Es wächst hervor, und trägt Früchte.
Wer kan sprechen von dem was er nicht im Gedächtnisse hat, es
wäre seine.

Jn den Schulen wird gelehret, daß Vorrath in die Schatz-
Kammer des Gedächtnisses gebracht werde; Vorrath, vermit-
telst dessen man gelehrt, vermittelst dessen man fromm wird.

Es hat gelehrte Leute. Hätte man nicht gelehrte Leute, es
wäre mancher Knothen, den man würde müssen unaufge-
löset laßen; es wäre mancher Hader, der nicht könnte entschieden
werden; es wäre manches, welches abzuthun man den Sebel
zucken müste; so kan es mit der Feder abgethan werden.

Rechte Gelehrte sind jedoch rar. Der, dessen Odem, was mit
dem angehauchet wird, nach Schmarutzerey stincket, spricht:
es wäre Grütze, was doch nur Mäuse-Koth ist. Wer nur mäs-
sigen Rang haben solte, wird von ihm herausgestrichen, als säs-
se er auf dem Throne der Weißheit. Rechte Gelehrte sind doch
rar. Man suchet Subjecta; man muß dann und wann wehlen,
was man kriegt, weil nichts von höherm Werthe kan aufge-
bracht werden. Wäre nicht das Lehren in den Schulen, Sa-
muel
und Daniel wären nicht, was sie sind.

Es

daͤchtniſſe denen, die er gelehret hat. Petrus ſagt: Daß ihr
allenthalben habt, nach meinem Abſchiede, ſolches im Gedaͤcht-
nuͤſſe zu halten. Was Petrus lehrte, lehrte Petrus, daß es
nach ſeinem Abſchiede noch moͤchte in Safft und Krafft gehen;
daß es nach ſeinem Abſchiede zur Qvelle werden moͤchte, die
den geſeegneſten Ausfluß hat.

Was man im Gedaͤchtniße hat, muß man in dem Gedaͤchtniſ-
ſe nicht haben, wie der Geitzige den Mammon im Kaſten. Her-
aus, heraus, was im Gedachtniſſe iſt, daß es zum Nutzen ange-
wendet werde. Was im Gedaͤchtniße iſt, muß ſeyn, wie, was in
den Acker geſaͤet wird. Es waͤchſt hervor, und traͤgt Fruͤchte.
Wer kan ſprechen von dem was er nicht im Gedaͤchtniſſe hat, es
waͤre ſeine.

Jn den Schulen wird gelehret, daß Vorrath in die Schatz-
Kammer des Gedaͤchtniſſes gebracht werde; Vorrath, vermit-
telſt deſſen man gelehrt, vermittelſt deſſen man fromm wird.

Es hat gelehrte Leute. Haͤtte man nicht gelehrte Leute, es
waͤre mancher Knothen, den man wuͤrde muͤſſen unaufge-
loͤſet laßen; es waͤꝛe mancher Hader, der nicht koͤnnte entſchieden
werden; es waͤre manches, welches abzuthun man den Sebel
zucken muͤſte; ſo kan es mit der Feder abgethan werden.

Rechte Gelehrte ſind jedoch rar. Der, deſſen Odem, was mit
dem angehauchet wird, nach Schmarutzerey ſtincket, ſpricht:
es waͤre Gruͤtze, was doch nur Maͤuſe-Koth iſt. Wer nur maͤſ-
ſigen Rang haben ſolte, wird von ihm herausgeſtrichen, als ſaͤſ-
ſe er auf dem Throne der Weißheit. Rechte Gelehrte ſind doch
rar. Man ſuchet Subjecta; man muß dann und wann wehlen,
was man kriegt, weil nichts von hoͤherm Werthe kan aufge-
bracht werden. Waͤre nicht das Lehren in den Schulen, Sa-
muel
und Daniel waͤren nicht, was ſie ſind.

Es
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[14/0015] daͤchtniſſe denen, die er gelehret hat. Petrus ſagt: Daß ihr allenthalben habt, nach meinem Abſchiede, ſolches im Gedaͤcht- nuͤſſe zu halten. Was Petrus lehrte, lehrte Petrus, daß es nach ſeinem Abſchiede noch moͤchte in Safft und Krafft gehen; daß es nach ſeinem Abſchiede zur Qvelle werden moͤchte, die den geſeegneſten Ausfluß hat. Was man im Gedaͤchtniße hat, muß man in dem Gedaͤchtniſ- ſe nicht haben, wie der Geitzige den Mammon im Kaſten. Her- aus, heraus, was im Gedachtniſſe iſt, daß es zum Nutzen ange- wendet werde. Was im Gedaͤchtniße iſt, muß ſeyn, wie, was in den Acker geſaͤet wird. Es waͤchſt hervor, und traͤgt Fruͤchte. Wer kan ſprechen von dem was er nicht im Gedaͤchtniſſe hat, es waͤre ſeine. Jn den Schulen wird gelehret, daß Vorrath in die Schatz- Kammer des Gedaͤchtniſſes gebracht werde; Vorrath, vermit- telſt deſſen man gelehrt, vermittelſt deſſen man fromm wird. Es hat gelehrte Leute. Haͤtte man nicht gelehrte Leute, es waͤre mancher Knothen, den man wuͤrde muͤſſen unaufge- loͤſet laßen; es waͤꝛe mancher Hader, der nicht koͤnnte entſchieden werden; es waͤre manches, welches abzuthun man den Sebel zucken muͤſte; ſo kan es mit der Feder abgethan werden. Rechte Gelehrte ſind jedoch rar. Der, deſſen Odem, was mit dem angehauchet wird, nach Schmarutzerey ſtincket, ſpricht: es waͤre Gruͤtze, was doch nur Maͤuſe-Koth iſt. Wer nur maͤſ- ſigen Rang haben ſolte, wird von ihm herausgeſtrichen, als ſaͤſ- ſe er auf dem Throne der Weißheit. Rechte Gelehrte ſind doch rar. Man ſuchet Subjecta; man muß dann und wann wehlen, was man kriegt, weil nichts von hoͤherm Werthe kan aufge- bracht werden. Waͤre nicht das Lehren in den Schulen, Sa- muel und Daniel waͤren nicht, was ſie ſind. Es

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508578/15>, abgerufen am 29.03.2024.