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Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.

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Drum weint, wer treu und redlich ist,
Weil ihn die Pflicht darzu verbindet.
Und recht! Das Trauren ist gegründet,
Weil man hier gar zu viel vermißt.
O GOtt! wie viel wird hier versarget:
Ein Lehrer, Freund und Eheschatz!
Wer solche Thränenfluth verarget,
Bestärkt zu seinem Schimpf den Satz:
Er müsse nichts von edlen Gaben,
Er müß' ein Herz von Steinen haben.
Auch Seidel, unsrer Augen Lust,
Auch Seidel fühlt bey diesem Scheiden
Ein unumschränkt und banges Leiden,
Und foltert die beklemmte Brust.
Kan also nun bey Bahr und Särgen
Ein sonsten so geschickter Geist
Die nasse Wehmuth nicht verbergen,
Die sich auf Aug und Wangen weist?
Was wunder, wenn auch wir, die Seinen,
Bey unsrer Schwäche doppelt weinen.
Wir thun es auch. O laß doch nun,
Erblaßtes Haupt, dem treuen Triebe,
Der ietzt durch Dich bestürzten Liebe
Zum letzten Abschied gnüge thun.
O nimm das Herz aus Brust und Busen
Zum Dank für Deine Lehren an,
Da Dir die Schaar verwayster Musen
Doch weiter nichts mehr liefern kan,
Und laß, daß wir den Schmerz besiegen,
Es mit in Deinem Grabe liegen.
Die
N 2
Drum weint, wer treu und redlich iſt,
Weil ihn die Pflicht darzu verbindet.
Und recht! Das Trauren iſt gegruͤndet,
Weil man hier gar zu viel vermißt.
O GOtt! wie viel wird hier verſarget:
Ein Lehrer, Freund und Eheſchatz!
Wer ſolche Thraͤnenfluth verarget,
Beſtaͤrkt zu ſeinem Schimpf den Satz:
Er muͤſſe nichts von edlen Gaben,
Er muͤß’ ein Herz von Steinen haben.
Auch Seidel, unſrer Augen Luſt,
Auch Seidel fuͤhlt bey dieſem Scheiden
Ein unumſchraͤnkt und banges Leiden,
Und foltert die beklemmte Bruſt.
Kan alſo nun bey Bahr und Saͤrgen
Ein ſonſten ſo geſchickter Geiſt
Die naſſe Wehmuth nicht verbergen,
Die ſich auf Aug und Wangen weiſt?
Was wunder, wenn auch wir, die Seinen,
Bey unſrer Schwaͤche doppelt weinen.
Wir thun es auch. O laß doch nun,
Erblaßtes Haupt, dem treuen Triebe,
Der ietzt durch Dich beſtuͤrzten Liebe
Zum letzten Abſchied gnuͤge thun.
O nimm das Herz aus Bruſt und Buſen
Zum Dank fuͤr Deine Lehren an,
Da Dir die Schaar verwayſter Muſen
Doch weiter nichts mehr liefern kan,
Und laß, daß wir den Schmerz beſiegen,
Es mit in Deinem Grabe liegen.
Die
N 2
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[99/0100] Drum weint, wer treu und redlich iſt, Weil ihn die Pflicht darzu verbindet. Und recht! Das Trauren iſt gegruͤndet, Weil man hier gar zu viel vermißt. O GOtt! wie viel wird hier verſarget: Ein Lehrer, Freund und Eheſchatz! Wer ſolche Thraͤnenfluth verarget, Beſtaͤrkt zu ſeinem Schimpf den Satz: Er muͤſſe nichts von edlen Gaben, Er muͤß’ ein Herz von Steinen haben. Auch Seidel, unſrer Augen Luſt, Auch Seidel fuͤhlt bey dieſem Scheiden Ein unumſchraͤnkt und banges Leiden, Und foltert die beklemmte Bruſt. Kan alſo nun bey Bahr und Saͤrgen Ein ſonſten ſo geſchickter Geiſt Die naſſe Wehmuth nicht verbergen, Die ſich auf Aug und Wangen weiſt? Was wunder, wenn auch wir, die Seinen, Bey unſrer Schwaͤche doppelt weinen. Wir thun es auch. O laß doch nun, Erblaßtes Haupt, dem treuen Triebe, Der ietzt durch Dich beſtuͤrzten Liebe Zum letzten Abſchied gnuͤge thun. O nimm das Herz aus Bruſt und Buſen Zum Dank fuͤr Deine Lehren an, Da Dir die Schaar verwayſter Muſen Doch weiter nichts mehr liefern kan, Und laß, daß wir den Schmerz beſiegen, Es mit in Deinem Grabe liegen. Die N 2

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508578/100>, abgerufen am 27.04.2024.