Henel, Christoph: Die itzt abfallende und wandernde Blätter Als Ein Bilde des Lebens und Außganges. Schlichtingsheim, [1692].Die itzt abfallende gleitet/ der Morgen kranck und schwach erblicket und wie-dergiebet/ der Mittag aber wohl gar erstorben/ dem Krich- Hoffe und Grabe liefert und zuschicket. Offte ehe sich das geringste Todes-Zeichen oder Vorbothe des Todes gewie- sen; So hat sich der Todt selbst gefunden und eingestellet: Ehe sich das Blat gefärbet oder gefalbet/ so ist es schon ab- gefallen: Ehe man an das Wandern gedacht/ so ist es ge- wandert und fortgegangen/ und lieget der Mensch in der Erden. Und gehet es auch gleich nicht eben so plötzlich ge- schwinde und unvermuthet mit allen zu; So ists doch ge- wisser als gewiß/ daß ein jeder gleichwohl den Saamen der Kranckheit und des Todes bey sich trage/ und dieser doch letzlich komme und außschlage/ ob er gleich was langsamb komme; Und mancher darüber etwan ein paar Schuh mehr zureisset als der ander/ wie jener gelehrte Mann Joh. Ferra- rius P. P. zu Marpurg einsten sagte/ als er mit jemand zu Grabe gienge/ apud D. Zinggreff. P. I. Apophthegm. p. 271. Die göldene Lebens-Qvelle vertrocknet doch immer allmäh- lich auch bey den Gesündesten/ die Stärcke und Kräffte neh- men sensim sine sensau, oder ohnvermercket abe/ die äusser- liche Schönheit und Gestalt gilbet und verwelcket und fär- bet sich immer bey sachten zum Grabe: Und denn fehlet es nur ein kleines und weniges/ so fället und lieget das gantze grosse und künstliche Gebäu des Menschen übern Hauffen/ und wird einem nach dem andern die Uberschrifft gesetzet: Nunmehr ist er eingerissen Und in Todes-Staub geschmissen. Gleichwie es eben auch mit unsern Tugend-Ehe- und Eh- ren-
Die itzt abfallende gleitet/ der Morgen kranck und ſchwach erblicket und wie-dergiebet/ der Mittag aber wohl gar erſtorben/ dem Krich- Hoffe und Grabe liefert und zuſchicket. Offte ehe ſich das geringſte Todes-Zeichen oder Vorbothe des Todes gewie- ſen; So hat ſich der Todt ſelbſt gefunden und eingeſtellet: Ehe ſich das Blat gefaͤrbet oder gefalbet/ ſo iſt es ſchon ab- gefallen: Ehe man an das Wandern gedacht/ ſo iſt es ge- wandert und fortgegangen/ und lieget der Menſch in der Erden. Und gehet es auch gleich nicht eben ſo ploͤtzlich ge- ſchwinde und unvermuthet mit allen zu; So iſts doch ge- wiſſer als gewiß/ daß ein jeder gleichwohl den Saamen der Kranckheit und des Todes bey ſich trage/ und dieſer doch letzlich komme und außſchlage/ ob er gleich was langſamb kom̃e; Und mancher daruͤber etwan ein paar Schuh mehr zureiſſet als der ander/ wie jener gelehrte Mann Joh. Ferra- rius P. P. zu Marpurg einſten ſagte/ als er mit jemand zu Grabe gienge/ apud D. Zinggreff. P. I. Apophthegm. p. 271. Die goͤldene Lebens-Qvelle vertrocknet doch immer allmaͤh- lich auch bey den Geſuͤndeſten/ die Staͤrcke und Kraͤffte neh- men ſenſim ſine ſensû, oder ohnvermercket abe/ die aͤuſſer- liche Schoͤnheit und Geſtalt gilbet und verwelcket und faͤr- bet ſich immer bey ſachten zum Grabe: Und denn fehlet es nur ein kleines und weniges/ ſo faͤllet und lieget das gantze groſſe und kuͤnſtliche Gebaͤu des Menſchen uͤbern Hauffen/ und wird einem nach dem andern die Uberſchrifft geſetzet: Nunmehr iſt er eingeriſſen Und in Todes-Staub geſchmiſſen. Gleichwie es eben auch mit unſern Tugend-Ehe- und Eh- ren-
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Die itzt abfallende
gleitet/ der Morgen kranck und ſchwach erblicket und wie-
dergiebet/ der Mittag aber wohl gar erſtorben/ dem Krich-
Hoffe und Grabe liefert und zuſchicket. Offte ehe ſich das
geringſte Todes-Zeichen oder Vorbothe des Todes gewie-
ſen; So hat ſich der Todt ſelbſt gefunden und eingeſtellet:
Ehe ſich das Blat gefaͤrbet oder gefalbet/ ſo iſt es ſchon ab-
gefallen: Ehe man an das Wandern gedacht/ ſo iſt es ge-
wandert und fortgegangen/ und lieget der Menſch in der
Erden. Und gehet es auch gleich nicht eben ſo ploͤtzlich ge-
ſchwinde und unvermuthet mit allen zu; So iſts doch ge-
wiſſer als gewiß/ daß ein jeder gleichwohl den Saamen der
Kranckheit und des Todes bey ſich trage/ und dieſer doch
letzlich komme und außſchlage/ ob er gleich was langſamb
kom̃e; Und mancher daruͤber etwan ein paar Schuh mehr
zureiſſet als der ander/ wie jener gelehrte Mann Joh. Ferra-
rius P. P. zu Marpurg einſten ſagte/ als er mit jemand zu
Grabe gienge/ apud D. Zinggreff. P. I. Apophthegm. p. 271.
Die goͤldene Lebens-Qvelle vertrocknet doch immer allmaͤh-
lich auch bey den Geſuͤndeſten/ die Staͤrcke und Kraͤffte neh-
men ſenſim ſine ſensû, oder ohnvermercket abe/ die aͤuſſer-
liche Schoͤnheit und Geſtalt gilbet und verwelcket und faͤr-
bet ſich immer bey ſachten zum Grabe: Und denn fehlet es
nur ein kleines und weniges/ ſo faͤllet und lieget das gantze
groſſe und kuͤnſtliche Gebaͤu des Menſchen uͤbern Hauffen/
und wird einem nach dem andern die Uberſchrifft geſetzet:
Nunmehr iſt er eingeriſſen
Und in Todes-Staub geſchmiſſen.
Gleichwie es eben auch mit unſern Tugend-Ehe- und Eh-
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Zitationshilfe: | Henel, Christoph: Die itzt abfallende und wandernde Blätter Als Ein Bilde des Lebens und Außganges. Schlichtingsheim, [1692], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/359521/36>, abgerufen am 27.07.2024. |