Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogelhaupt, Nicolaus: Coelicum profligandae mortis Alexipharmacum. Guben, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Himmlische Cur und Artzney jhm selbst zu helffen.
Thren. 3
v. 17.
Thren. 5
v.
15. 16.
re Seele aus den Frieden vertrieben/ sie muß alle des
Guten vergessen:
Nun ist die Krone jhres Hauptes
abgefallen/ und jhr Reigen hat sich in Wehklagen ver-
wandelt.
Wie diese Leidklagende Worte enthalten sind in den
Klageliedern Jeremiae Cap. 1. 3. 5. Die Ehliche und angetraute
Freundschafft ist die allerbeste und allergetreuste Freundschafft.
Ein Freund kombt zu den andern in der Noth/ spricht Syrach/
Mann und Weib vielmehr. Syr. 41. Auch übertrifft die Ehe-
Syr. 41.liche Liebe bey weiten die Vater- und Mutter-Liebe/ die Bruder-
und Schwester-Liebe. Denn hier ist bey beyden ein Leib und
Fleisch/ ein Geist und eine Seele. Es heisset:

Anima una in duobus corporibus.
Mein Hertz/ dein Hertz/ ein Hertz.

So nun der heilige Augustinus von seinen Todes-Verblichenen
Hertzens-Freunde sagen konte:

Horrori mihi vita est, quia nolo dimidius vivere.
Mir grauet länger zu leben/ weil die Helffte meines Lebens von
mir hinweg ist.

So mag dieses vielmehr unter den treüst-verbundenen Eh-Leuten
gesaget werden. Daß alles empfindet am allerschmertzlichsten die
gegenwärtige von jhr selbst entnommene Frau Witbe/ Sie füh-
let es in jhren traurigen Muthe/ daß sie an jhren Sehl. Eh-Herrn
nicht nur jhr halbes; Sondern jhr gantzes Hertze habe müssen da-
hin geben. Dieses jhr Hertz aber ist nun mehr im Himmel. GOtt
stärcke Sie von dannen mit seinen Himmlischen Troste/ damit Sie
die jrrdische Betrübung desto kräfftiger überwinden möge.

Viel Seufftzens und Weinens ist über ihn/ bey seinen ge-
liebten Herrn Bruder und Frauen Schwestern/ derer Hertzen mit
seinen Hertzen durch die Feuerflammende Bruder- und Schwe-
ster-Liebe also zusammen geschmoltzen waren/ daß aus jhrer aller
Hertzen ein Hertz worden war. Sie liebten einander als jhre See-
le/ drumb war es ein schmertzlicher Hertzens-Riß/ do dieses ver-

einig-

Him̃liſche Cur und Artzney jhm ſelbſt zu helffen.
Thren. 3
v. 17.
Thren. 5
v.
15. 16.
re Seele aus den Frieden vertrieben/ ſie muß alle des
Guten vergeſſen:
Nun iſt die Krone jhres Hauptes
abgefallen/ und jhr Reigen hat ſich in Wehklagen ver-
wandelt.
Wie dieſe Leidklagende Worte enthalten ſind in den
Klageliedern Jeremiæ Cap. 1. 3. 5. Die Ehliche und angetraute
Freundſchafft iſt die allerbeſte und allergetreuſte Freundſchafft.
Ein Freund kombt zu den andern in der Noth/ ſpricht Syrach/
Mann und Weib vielmehr. Syr. 41. Auch uͤbertrifft die Ehe-
Syr. 41.liche Liebe bey weiten die Vater- und Mutter-Liebe/ die Bruder-
und Schweſter-Liebe. Denn hier iſt bey beyden ein Leib und
Fleiſch/ ein Geiſt und eine Seele. Es heiſſet:

Anima una in duobus corporibus.
Mein Hertz/ dein Hertz/ ein Hertz.

So nun der heilige Auguſtinus von ſeinen Todes-Verblichenen
Hertzens-Freunde ſagen konte:

Horrori mihi vita eſt, quia nolo dimidius vivere.
Mir grauet laͤnger zu leben/ weil die Helffte meines Lebens von
mir hinweg iſt.

So mag dieſes vielmehr unter den treuͤſt-verbundenen Eh-Leuten
geſaget werden. Daß alles empfindet am allerſchmertzlichſten die
gegenwaͤrtige von jhr ſelbſt entnommene Frau Witbe/ Sie fuͤh-
let es in jhren traurigen Muthe/ daß ſie an jhren Sehl. Eh-Herꝛn
nicht nur jhr halbes; Sondern jhr gantzes Hertze habe muͤſſen da-
hin geben. Dieſes jhr Hertz aber iſt nun mehr im Himmel. GOtt
ſtaͤrcke Sie von dannen mit ſeinen Himmliſchen Troſte/ damit Sie
die jrꝛdiſche Betruͤbung deſto kraͤfftiger uͤberwinden moͤge.

Viel Seufftzens und Weinens iſt uͤber ihn/ bey ſeinen ge-
liebten Herꝛn Bruder und Frauen Schweſtern/ derer Hertzen mit
ſeinen Hertzen durch die Feuerflammende Bruder- und Schwe-
ſter-Liebe alſo zuſammen geſchmoltzen waren/ daß aus jhrer aller
Hertzen ein Hertz worden war. Sie liebten einander als jhre See-
le/ drumb war es ein ſchmertzlicher Hertzens-Riß/ do dieſes ver-

einig-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="[6]"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Him&#x0303;li&#x017F;che Cur und Artzney jhm &#x017F;elb&#x017F;t zu helffen.</hi></fw><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Thren. 3<lb/>
v. 17.<lb/>
Thren. 5<lb/>
v.</hi> 15. 16.</note><hi rendition="#fr">re Seele aus den Frieden vertrieben/ &#x017F;ie muß alle des<lb/>
Guten verge&#x017F;&#x017F;en:</hi> Nun <hi rendition="#fr">i&#x017F;t die Krone jhres Hauptes<lb/>
abgefallen/ und jhr Reigen hat &#x017F;ich in Wehklagen ver-<lb/>
wandelt.</hi> Wie die&#x017F;e Leidklagende Worte enthalten &#x017F;ind in den<lb/>
Klageliedern Jeremi<hi rendition="#aq">æ</hi> Cap. 1. 3. 5. Die Ehliche und angetraute<lb/>
Freund&#x017F;chafft i&#x017F;t die allerbe&#x017F;te und allergetreu&#x017F;te Freund&#x017F;chafft.<lb/>
Ein Freund kombt zu den andern in der Noth/ &#x017F;pricht Syrach/<lb/>
Mann und Weib vielmehr. Syr. 41. Auch u&#x0364;bertrifft die Ehe-<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Syr.</hi> 41.</note>liche Liebe bey weiten die Vater- und Mutter-Liebe/ die Bruder-<lb/>
und Schwe&#x017F;ter-Liebe. Denn hier i&#x017F;t bey beyden ein Leib und<lb/>
Flei&#x017F;ch/ ein Gei&#x017F;t und eine Seele. Es hei&#x017F;&#x017F;et:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#aq">Anima una in duobus corporibus.</hi> </l><lb/>
            <l>Mein Hertz/ dein Hertz/ ein Hertz.</l>
          </lg><lb/>
          <p>So nun der heilige <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tinus</hi> von &#x017F;einen Todes-Verblichenen<lb/><hi rendition="#et">Hertzens-Freunde &#x017F;agen konte:</hi></p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#aq">Horrori mihi vita e&#x017F;t, quia nolo dimidius vivere.</hi> </l><lb/>
            <l>Mir grauet la&#x0364;nger zu leben/ weil die Helffte meines Lebens von</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">mir hinweg i&#x017F;t.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>So mag die&#x017F;es vielmehr unter den treu&#x0364;&#x017F;t-verbundenen Eh-Leuten<lb/>
ge&#x017F;aget werden. Daß alles empfindet am aller&#x017F;chmertzlich&#x017F;ten die<lb/>
gegenwa&#x0364;rtige von jhr &#x017F;elb&#x017F;t entnommene Frau Witbe/ Sie fu&#x0364;h-<lb/>
let es in jhren traurigen Muthe/ daß &#x017F;ie an jhren Sehl. Eh-Her&#xA75B;n<lb/>
nicht nur jhr halbes; Sondern jhr gantzes Hertze habe mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en da-<lb/>
hin geben. Die&#x017F;es jhr Hertz aber i&#x017F;t nun mehr im Himmel. GOtt<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rcke Sie von dannen mit &#x017F;einen Himmli&#x017F;chen Tro&#x017F;te/ damit Sie<lb/>
die jr&#xA75B;di&#x017F;che Betru&#x0364;bung de&#x017F;to kra&#x0364;fftiger u&#x0364;berwinden mo&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>Viel Seufftzens und Weinens i&#x017F;t u&#x0364;ber ihn/ bey &#x017F;einen ge-<lb/>
liebten Her&#xA75B;n Bruder und Frauen Schwe&#x017F;tern/ derer Hertzen mit<lb/>
&#x017F;einen Hertzen durch die Feuerflammende Bruder- und Schwe-<lb/>
&#x017F;ter-Liebe al&#x017F;o zu&#x017F;ammen ge&#x017F;chmoltzen waren/ daß aus jhrer aller<lb/>
Hertzen ein Hertz worden war. Sie liebten einander als jhre See-<lb/>
le/ drumb war es ein &#x017F;chmertzlicher Hertzens-Riß/ do die&#x017F;es ver-<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">einig-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[6]/0006] Him̃liſche Cur und Artzney jhm ſelbſt zu helffen. re Seele aus den Frieden vertrieben/ ſie muß alle des Guten vergeſſen: Nun iſt die Krone jhres Hauptes abgefallen/ und jhr Reigen hat ſich in Wehklagen ver- wandelt. Wie dieſe Leidklagende Worte enthalten ſind in den Klageliedern Jeremiæ Cap. 1. 3. 5. Die Ehliche und angetraute Freundſchafft iſt die allerbeſte und allergetreuſte Freundſchafft. Ein Freund kombt zu den andern in der Noth/ ſpricht Syrach/ Mann und Weib vielmehr. Syr. 41. Auch uͤbertrifft die Ehe- liche Liebe bey weiten die Vater- und Mutter-Liebe/ die Bruder- und Schweſter-Liebe. Denn hier iſt bey beyden ein Leib und Fleiſch/ ein Geiſt und eine Seele. Es heiſſet: Thren. 3 v. 17. Thren. 5 v. 15. 16. Syr. 41. Anima una in duobus corporibus. Mein Hertz/ dein Hertz/ ein Hertz. So nun der heilige Auguſtinus von ſeinen Todes-Verblichenen Hertzens-Freunde ſagen konte: Horrori mihi vita eſt, quia nolo dimidius vivere. Mir grauet laͤnger zu leben/ weil die Helffte meines Lebens von mir hinweg iſt. So mag dieſes vielmehr unter den treuͤſt-verbundenen Eh-Leuten geſaget werden. Daß alles empfindet am allerſchmertzlichſten die gegenwaͤrtige von jhr ſelbſt entnommene Frau Witbe/ Sie fuͤh- let es in jhren traurigen Muthe/ daß ſie an jhren Sehl. Eh-Herꝛn nicht nur jhr halbes; Sondern jhr gantzes Hertze habe muͤſſen da- hin geben. Dieſes jhr Hertz aber iſt nun mehr im Himmel. GOtt ſtaͤrcke Sie von dannen mit ſeinen Himmliſchen Troſte/ damit Sie die jrꝛdiſche Betruͤbung deſto kraͤfftiger uͤberwinden moͤge. Viel Seufftzens und Weinens iſt uͤber ihn/ bey ſeinen ge- liebten Herꝛn Bruder und Frauen Schweſtern/ derer Hertzen mit ſeinen Hertzen durch die Feuerflammende Bruder- und Schwe- ſter-Liebe alſo zuſammen geſchmoltzen waren/ daß aus jhrer aller Hertzen ein Hertz worden war. Sie liebten einander als jhre See- le/ drumb war es ein ſchmertzlicher Hertzens-Riß/ do dieſes ver- einig-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/358773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/358773/6
Zitationshilfe: Vogelhaupt, Nicolaus: Coelicum profligandae mortis Alexipharmacum. Guben, 1673, S. [6]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358773/6>, abgerufen am 29.03.2024.