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Mauschwitz, Karl Siegmund von: Schuldiger/ Aber/ ach leider! Breslau, [1672].

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Wenn ich bey gegenwärtigem Seufftzens und Thrä-
nes vollen Betrübnüß/ in meiner wenigen Rede/ die hohen
Ursachen unsers schmertzlichsten Betrübnüß in etwas er-
wege/ halte ich darvor/ das unter solche/ der so unverhoff-
te/ der so ungemeine Schluß deß unglückseligsten Ver-
hängnüsses/ sonder zweifel vornehmlich gar wol zu zehlen
sey: Es stimmet mir bey der weiseste Seneca, wenn er
spricht/ Inexpectata plus gravant; novitas adjicit cala-
mitatibus pondus, nec quisquam mortalium, non magis,
quod etiam miratus est, doluit:
Ein unverhoffter Fall
pfleget unsere Gemütter mehr als etwas anders zubewe-
gen/ und der Verlust dessen/ worüber wir uns kurtz vorher
verwundert/ erwecket in uns eine mehr als gemeine Trau-
rigkeit. Es thun/ meines erachtens/ die jenigen nicht un-
gereimmt/ welche diese Welt als ein Theatrum, und uns
sterbliche als die darauff agirende Personen vorstellen;
das Glücke dirigiret allhier die Sache/ und pfleget nicht
selten diesem oder jenem/ den erwüntschten Anfang seines
Vorhabens zu weisen/ bald aber wendet sich das Blat/
und machet der unvermuttete Außgang das Spiel zu ei-
ner erbärmlichen Tragaedie.

Aber wie/ wil ich das jenige eine unverhoffte Bege-
benheit zu nennen mich unterstehen/ welches wir doch alle/
ohn ansehen und unterscheid der Personen/ zu gewarten ha-
ben? Quid novi est hominem mori, cujus tota vita nihil
aliud quam ad mortem iter est.
Saget Seneca. Was sol-
te das ungewöhnliches sein/ daß wir Menschen das Ge-

setze

Wenn ich bey gegenwaͤrtigem Seufftzens und Thraͤ-
nes vollen Betruͤbnuͤß/ in meiner wenigen Rede/ die hohen
Urſachen unſers ſchmertzlichſten Betruͤbnuͤß in etwas er-
wege/ halte ich darvor/ das unter ſolche/ der ſo unverhoff-
te/ der ſo ungemeine Schluß deß ungluͤckſeligſten Ver-
haͤngnuͤſſes/ ſonder zweifel vornehmlich gar wol zu zehlen
ſey: Es ſtimmet mir bey der weiſeſte Seneca, wenn er
ſpricht/ Inexpectata plus gravant; novitas adjicit cala-
mitatibus pondus, nec quisquam mortalium, non magis,
quod etiam miratus eſt, doluit:
Ein unverhoffter Fall
pfleget unſere Gemuͤtter mehr als etwas anders zubewe-
gen/ und der Verluſt deſſen/ woruͤber wir uns kurtz vorher
verwundert/ erwecket in uns eine mehr als gemeine Trau-
rigkeit. Es thun/ meines erachtens/ die jenigen nicht un-
gereim̃t/ welche dieſe Welt als ein Theatrum, und uns
ſterbliche als die darauff agirende Perſonen vorſtellen;
das Gluͤcke dirigiret allhier die Sache/ und pfleget nicht
ſelten dieſem oder jenem/ den erwuͤntſchten Anfang ſeines
Vorhabens zu weiſen/ bald aber wendet ſich das Blat/
und machet der unvermuttete Außgang das Spiel zu ei-
ner erbaͤrmlichen Tragædie.

Aber wie/ wil ich das jenige eine unverhoffte Bege-
benheit zu nennen mich unterſtehen/ welches wir doch alle/
ohn anſehen und unterſcheid der Perſonen/ zu gewarten ha-
ben? Quid novi eſt hominem mori, cujus tota vita nihil
aliud quam ad mortem iter eſt.
Saget Seneca. Was ſol-
te das ungewoͤhnliches ſein/ daß wir Menſchen das Ge-

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[[7]/0007] Wenn ich bey gegenwaͤrtigem Seufftzens und Thraͤ- nes vollen Betruͤbnuͤß/ in meiner wenigen Rede/ die hohen Urſachen unſers ſchmertzlichſten Betruͤbnuͤß in etwas er- wege/ halte ich darvor/ das unter ſolche/ der ſo unverhoff- te/ der ſo ungemeine Schluß deß ungluͤckſeligſten Ver- haͤngnuͤſſes/ ſonder zweifel vornehmlich gar wol zu zehlen ſey: Es ſtimmet mir bey der weiſeſte Seneca, wenn er ſpricht/ Inexpectata plus gravant; novitas adjicit cala- mitatibus pondus, nec quisquam mortalium, non magis, quod etiam miratus eſt, doluit: Ein unverhoffter Fall pfleget unſere Gemuͤtter mehr als etwas anders zubewe- gen/ und der Verluſt deſſen/ woruͤber wir uns kurtz vorher verwundert/ erwecket in uns eine mehr als gemeine Trau- rigkeit. Es thun/ meines erachtens/ die jenigen nicht un- gereim̃t/ welche dieſe Welt als ein Theatrum, und uns ſterbliche als die darauff agirende Perſonen vorſtellen; das Gluͤcke dirigiret allhier die Sache/ und pfleget nicht ſelten dieſem oder jenem/ den erwuͤntſchten Anfang ſeines Vorhabens zu weiſen/ bald aber wendet ſich das Blat/ und machet der unvermuttete Außgang das Spiel zu ei- ner erbaͤrmlichen Tragædie. Aber wie/ wil ich das jenige eine unverhoffte Bege- benheit zu nennen mich unterſtehen/ welches wir doch alle/ ohn anſehen und unterſcheid der Perſonen/ zu gewarten ha- ben? Quid novi eſt hominem mori, cujus tota vita nihil aliud quam ad mortem iter eſt. Saget Seneca. Was ſol- te das ungewoͤhnliches ſein/ daß wir Menſchen das Ge- ſetze

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Zitationshilfe: Mauschwitz, Karl Siegmund von: Schuldiger/ Aber/ ach leider! Breslau, [1672], S. [7]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/354529/7>, abgerufen am 26.04.2024.