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Gerlach, Benjamin: Ein recht-Christlicher und vollkommener Ritters-Mann. Breslau, 1669.

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Phil. II. 16.ohne Verdruß dienstbar seyn. Deßwegen ist Paulo
Lauffen und Arbeiten eines. Lernet weiter/ was einem
Ritter JESU CHRJSTJ eignet. Er muß einem
jeden Christlicher Weise dienstbar seyn/ und nicht so wol
sich als andern zum Besten Leben. Der irrdische Ritter-
und Adel-Stand sucht einen grossen Ruhm im Reisen.
Jch weiß nicht/ ob ich das Reisen mehr verwerffen/ als
loben soll. Das weiß ich wol/ daß die itzige Art ins ge-
mein zu reisen/ nicht zu lobwürdig/ schweige/ nützlich
ist. Entweder sie geschicht/ weil die Reisende noch zu
jung sind. Unsere Weh-Mütter wissen/ daß einem
zarten Windel-Kinde das Häuptlein rund und lang/
nach dem man die Windeln einrichtet/ gebildet werden
kan. Schreibet man nicht auff ein weisses Papier was
man wil? Es ist Gefahr dabey/ wo sie nicht viel Fami-
li
en beweinen/ daß man Kinder in die Ferne geschickt
mit noch unbestetigtem Verstande/ am Gemüthe wie
ein weisses Papier/ und sie wiederum nach Hause be-
kommet mit verkehrtem Gemüthe und eingedrückten
Characteren der höchsten Boßheit. Jch weiß nicht/
obs ein vernünfftiges/ schweige/ Christliches Mensch
glaubet/ daß man Sodom zum Vater-Lande auff eine
Zeit und Tugend und GOTTES-Furcht zu erler-
nen/ erwehlen müste. Oder man stellt die Reisen an/ um
was sonderliches zu sehen und zu lernen/ damit man in
Discursen beliebt/ und in den Ubungen deß Leibes ge-
schickt sey. Es ist eine grosse Thorheit/ Seele und Leib/
um eines eitelen Gespräches und einer vergänglichen
Ubung deß Fleisches willen/ in so weitläufftige Gefahr
setzen. Oder man reiset/ der Völcker Sitten/ der
Provinzien Gewonheit und Gesetze/ der Höfe Art zu

herr-

Phil. II. 16.ohne Verdruß dienſtbar ſeyn. Deßwegen iſt Paulo
Lauffen und Arbeiten eines. Lernet weiter/ was einem
Ritter JESU CHRJSTJ eignet. Er muß einem
jeden Chriſtlicher Weiſe dienſtbar ſeyn/ und nicht ſo wol
ſich als andern zum Beſten Leben. Der irꝛdiſche Ritter-
und Adel-Stand ſucht einen groſſen Ruhm im Reiſen.
Jch weiß nicht/ ob ich das Reiſen mehr verwerffen/ als
loben ſoll. Das weiß ich wol/ daß die itzige Art ins ge-
mein zu reiſen/ nicht zu lobwuͤrdig/ ſchweige/ nuͤtzlich
iſt. Entweder ſie geſchicht/ weil die Reiſende noch zu
jung ſind. Unſere Weh-Muͤtter wiſſen/ daß einem
zarten Windel-Kinde das Haͤuptlein rund und lang/
nach dem man die Windeln einrichtet/ gebildet werden
kan. Schreibet man nicht auff ein weiſſes Papier was
man wil? Es iſt Gefahr dabey/ wo ſie nicht viel Fami-
li
en beweinen/ daß man Kinder in die Ferne geſchickt
mit noch unbeſtetigtem Verſtande/ am Gemuͤthe wie
ein weiſſes Papier/ und ſie wiederum nach Hauſe be-
kommet mit verkehrtem Gemuͤthe und eingedruͤckten
Characteren der hoͤchſten Boßheit. Jch weiß nicht/
obs ein vernuͤnfftiges/ ſchweige/ Chriſtliches Menſch
glaubet/ daß man Sodom zum Vater-Lande auff eine
Zeit und Tugend und GOTTES-Furcht zu erler-
nen/ erwehlen muͤſte. Oder man ſtellt die Reiſen an/ um
was ſonderliches zu ſehen und zu lernen/ damit man in
Diſcurſen beliebt/ und in den Ubungen deß Leibes ge-
ſchickt ſey. Es iſt eine groſſe Thorheit/ Seele und Leib/
um eines eitelen Geſpraͤches und einer vergaͤnglichen
Ubung deß Fleiſches willen/ in ſo weitlaͤufftige Gefahr
ſetzen. Oder man reiſet/ der Voͤlcker Sitten/ der
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Zitationshilfe: Gerlach, Benjamin: Ein recht-Christlicher und vollkommener Ritters-Mann. Breslau, 1669. , S. [14]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/354493/14>, abgerufen am 24.11.2024.