Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Bei der königlichen Pracht und Verschwen-
dung, womit ich mir Alles unterwarf, lebt' ich
in meinem Hause sehr einfach und eingezogen.
Ich hatte mir die größte Vorsicht zur Regel ge-
macht, es durfte, unter keinem Vorwand, kein
Anderer, als Bendel, die Zimmer, die ich be-
wohnte, betreten. So lange die Sonne schien,
hielt ich mich mit ihm darin verschlossen, und es
hieß: der Graf arbeite in seinem Kabinet. Mit
diesen Arbeiten standen die häufigen Kuriere in
Verbindung, die ich um jede Kleinigkeit abschickte
und erhielt. -- Ich nahm nur am Abend unter
meinen Bäumen, oder in meinem, nach Ben-
dels
Angabe geschickt und reich erleuchteten Saale
Gesellschaft an. Wenn ich ausging, wobei mich
stets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte,
so war es nur nach dem Förstergarten, und um
der Einen willen; denn meines Lebens innerlich-
stes Herz war meine Liebe.

O mein guter Chamisso, ich will hoffen,
Du habest noch nicht vergessen, was Liebe sei!
Ich lasse Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina
war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes
Kind. Ich hatte ihre ganze Phantasie an mich

Bei der königlichen Pracht und Verſchwen-
dung, womit ich mir Alles unterwarf, lebt’ ich
in meinem Hauſe ſehr einfach und eingezogen.
Ich hatte mir die größte Vorſicht zur Regel ge-
macht, es durfte, unter keinem Vorwand, kein
Anderer, als Bendel, die Zimmer, die ich be-
wohnte, betreten. So lange die Sonne ſchien,
hielt ich mich mit ihm darin verſchloſſen, und es
hieß: der Graf arbeite in ſeinem Kabinet. Mit
dieſen Arbeiten ſtanden die häufigen Kuriere in
Verbindung, die ich um jede Kleinigkeit abſchickte
und erhielt. — Ich nahm nur am Abend unter
meinen Bäumen, oder in meinem, nach Ben-
dels
Angabe geſchickt und reich erleuchteten Saale
Geſellſchaft an. Wenn ich ausging, wobei mich
ſtets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte,
ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um
der Einen willen; denn meines Lebens innerlich-
ſtes Herz war meine Liebe.

O mein guter Chamiſſo, ich will hoffen,
Du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei!
Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina
war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes
Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0073" n="63"/>
        <p>Bei der königlichen Pracht und Ver&#x017F;chwen-<lb/>
dung, womit ich mir Alles unterwarf, lebt&#x2019; ich<lb/>
in meinem Hau&#x017F;e &#x017F;ehr einfach und eingezogen.<lb/>
Ich hatte mir die größte Vor&#x017F;icht zur Regel ge-<lb/>
macht, es durfte, unter keinem Vorwand, kein<lb/>
Anderer, als <hi rendition="#g">Bendel,</hi> die Zimmer, die ich be-<lb/>
wohnte, betreten. So lange die Sonne &#x017F;chien,<lb/>
hielt ich mich mit ihm darin ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und es<lb/>
hieß: der Graf arbeite in &#x017F;einem Kabinet. Mit<lb/>
die&#x017F;en Arbeiten &#x017F;tanden die häufigen Kuriere in<lb/>
Verbindung, die ich um jede Kleinigkeit ab&#x017F;chickte<lb/>
und erhielt. &#x2014; Ich nahm nur am Abend unter<lb/>
meinen Bäumen, oder in meinem, nach <hi rendition="#g">Ben-<lb/>
dels</hi> Angabe ge&#x017F;chickt und reich erleuchteten Saale<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft an. Wenn ich ausging, wobei mich<lb/>
&#x017F;tets <hi rendition="#g">Bendel</hi> mit Argusaugen bewachen mußte,<lb/>
&#x017F;o war es nur nach dem För&#x017F;tergarten, und um<lb/>
der Einen willen; denn meines Lebens innerlich-<lb/>
&#x017F;tes Herz war meine Liebe.</p><lb/>
        <p>O mein guter <hi rendition="#g">Chami&#x017F;&#x017F;o,</hi> ich will hoffen,<lb/>
Du habe&#x017F;t noch nicht verge&#x017F;&#x017F;en, was Liebe &#x017F;ei!<lb/>
Ich la&#x017F;&#x017F;e Dir hier Vieles zu ergänzen. <hi rendition="#g">Mina</hi><lb/>
war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes<lb/>
Kind. Ich hatte ihre ganze Phanta&#x017F;ie an mich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0073] Bei der königlichen Pracht und Verſchwen- dung, womit ich mir Alles unterwarf, lebt’ ich in meinem Hauſe ſehr einfach und eingezogen. Ich hatte mir die größte Vorſicht zur Regel ge- macht, es durfte, unter keinem Vorwand, kein Anderer, als Bendel, die Zimmer, die ich be- wohnte, betreten. So lange die Sonne ſchien, hielt ich mich mit ihm darin verſchloſſen, und es hieß: der Graf arbeite in ſeinem Kabinet. Mit dieſen Arbeiten ſtanden die häufigen Kuriere in Verbindung, die ich um jede Kleinigkeit abſchickte und erhielt. — Ich nahm nur am Abend unter meinen Bäumen, oder in meinem, nach Ben- dels Angabe geſchickt und reich erleuchteten Saale Geſellſchaft an. Wenn ich ausging, wobei mich ſtets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um der Einen willen; denn meines Lebens innerlich- ſtes Herz war meine Liebe. O mein guter Chamiſſo, ich will hoffen, Du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei! Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/73
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/73>, abgerufen am 26.04.2024.